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Wie mir ein Besuch des estnischen Nationalmuseums half, Estland zu verstehen

Das Estnische Nationalmuseum in Tartu. Foto: Kristjan Teedema/Postimees

Anmerkung: Der Artikel wurde ursprünglich auf englisch verfasst und für Postimees ins Estnische übersetzt. Für Torial habe ich ihn ins Deutsche übersetzt, aber nicht grundlegend überarbeitet. 


Für mich als Deutsche ist Estland wie eine Utopie. In der die Regierung - Entschuldigung - E-Government werden digitale Lösungen einsetzt und selbst die entlegensten Inseln über einen Internetanschluss verfügen und in der die Menschen online an Wahlen teilnehmen können.


All das ist in Deutschland unvorstellbar. Wie ist es möglich, dass ein so kleines Land, das zwischen der Ostsee und Russland liegt, eine so moderne Infrastruktur und eine so fortschrittliche Denkweise hat, aber viele europäische Länder Estland immer noch ignorieren? Ich habe das Estnische Nationalmuseum in Tartu besucht, um Antworten zu finden und die Menschen und die Kultur Estlands besser kennen zu lernen.


Das Museum ist in "Begegnungen" unterteilt, die aus verschiedenen Kapiteln und unterschiedlichen Zeitabschnitten bestehen. Wenn man die Ausstellung über den Haupteingang des Museums betritt, beginnt sie mit dem Kapitel "Zeit der Freiheiten". Im hinteren Teil des Museums werden die Kapitel "Leben hinter dem Eisernen Vorhang", "Die Neuzeit" und "Die Steinzeit" behandelt.


Mir gefiel dieser antichronologische Ansatz, weil er zwei Dinge von Anfang an deutlich machte. Als Estland 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion wiedererlangte, wurde keine Zeit mit dem Wiederaufbau des alten Landes vergeudet, sondern man begann, völlig neue Wege zur Verbesserung des Lebens zu entwickeln, wie z. B. die Anwendung des Internets auf jeden Aspekt des Arbeits- und Privatlebens.


Zweitens spielt die Religion im öffentlichen und politischen Leben Estlands keine große Rolle, wohl aber Wissenschaft und Innovation. Da der estnische Markt sehr klein ist, haben kreative Menschen erkannt, dass das, was sie entwickeln, auch im Ausland in größerem Maßstab funktionieren muss.


Dieses große Denken hat die Esten nicht hochmütig, sondern effizient gemacht. Das erklärt meiner Meinung nach auch, warum Estland von vielen europäischen Ländern immer noch übersehen wird.


Eine Sache ist mir beim Besuch der Ausstellung besonders angenehm aufgefallen. Anstatt die Ausstellung auf mehreren Bildschirmen in verschiedene Sprachen zu übersetzen, gibt es nur einen einzigen Bildschirm. Und der ist natürlich elektronisch! Halten Sie Ihr Ticket auf den Bildschirm, und es wird auf die Sprache umgeschaltet, die Sie beim Kauf des Tickets ausgewählt haben. Kein Papierkram oder umständlicher Audioguide. Einfach und effektiv.


Eine besondere Sonderausstellung ist im Untergeschoß des Museums zu sehen. "Echo des Urals" ist eine Dauerausstellung des Estnischen Nationalmuseums, die den einheimischen finno-ugrischen Völkern gewidmet ist. Es hat einen Hauch von Mystik, wenn man dem blauen Uralfluss durch verschiedene Abschnitte folgt, die jeweils eine bestimmte geografische Region und ihre Völker darstellen.

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