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Hepatitis B älter als Dinosaurier? - Medizin | PM Online

Als die Dinosaurier vor circa 65 Millionen Jahren ausstarben, waren Hepatitis-B-Viren bereits über 17 Millionen Jahre alt. Forscher der Universität Münster geben durch den Fund eines 82 Millionen Jahre alten, fossilen Hepatitis-B-Virus der Prävention von Hepatitis B neue Impulse und Leberkrebserkrankten neue Hoffnung.


Wissenschaftler der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster fanden das mit 82 Millionen Jahren älteste Fossil eines Hepatitis-B-Virus in der Erbsubstanz heute lebender Zebrafinken. Weil Viren zu klein und fragil sind, um fossile Überreste zu hinterlassen, ist es schwierig, festzustellen, seit wann ein Virus existiert. „Es war reiner Zufall, dass sich das Hepatitis-B-Virus zu Zeiten der Dinosaurier in Spermien bzw. Eizellen eines Urahns der meisten heute lebenden Vögel mogelte, sich so in dessen Erbsubstanz integrierte und in dieser weitervererbt wurde", so Dr. Alexander Suh der Universität Münster. Dieser Zufall macht es möglich, in jeder Zelle der Nachfahren dieses Vogel-Urahns sogenannte molekulare Fossilien des Hepatitis-B-Virus zu finden.


Dem Virus auf der Spur

Die Forscher fanden insgesamt 12 dieser molekularen Fossilien im Erbgut des Zebrafinken. Das älteste Fossil ist stolze 82 Millionen Jahren alt und weist 99% des gesamten Erbguts eines Hepatitis-B-Virus auf. Das jüngste Fossil ist seit 12 Millionen Jahren im Erbgut dieser Vögel vorhanden. Weltweit konnte das 82 Millionen Jahre alte Fossil nicht nur in Zebrafinken nachgewiesen werden, sondern insgesamt in 95% aller existierenden Vogelarten. Lediglich bei der Verwandtschaft von Enten, Hühnern und Straußen konnte das Virus nicht gefunden werden. Sie stellen die restlichen 5% der Vogeldiversität dar. Ob sie tatsächlich von dem Virus verschont blieben oder die Forscher es bisher nur nicht fanden, ist unklar.

Um sich in die DNS der Vögel zu integrieren, brach die normalerweise ringförmigeVirus-Erbsubstanz auf und integrierte sich als lineare DNS in die Erbsubstanz der Vögel. Das Aufbrechen seiner Ring-DNS zerstörte mindestens eines der Strukturproteine des Virus, wodurch das Virus seine Funktion verlor. Solch eine inaktive Virus-DNS ist heute nur noch ein „Fußabdruck" eines Virus in der DNS der Vögel.


Urahn des Hepatitis-B-Virus wichtig für die Prävention

Der Fund des 82 Millionen Jahre alten molekularen Fossils ist für die Forscher von großer Bedeutung. Da es 99% der Erbsubstanz des damaligen Virus zeigt, gibt Aufschluss darüber, wie das Virus zur Zeit der Dinosaurier aussah. Heute gibt es insgesamt 2 Gattungen von Hepatitis-B-Viren: Viren, die Vögel befallen und Viren, die Säugetiere befallen. Beide Virusgattungen sind relativ spezifisch für ihre jeweilige Wirts-Spezies. Das Virus einer Wirts-Spezies ist zumeist nicht auf andere Spezies übertragbar und stellt daher keine Gefahr für sie dar. Der Fund des Fossils erlaubt erstmals, eine Verbindung zwischen den existierenden Gattungen des Virus herzustellen. Schon lange vermuten Forscher, dass alle Hepatitis-B-Viren einen gemeinsamen Urahnen haben. Der aktuelle Fund deutet darauf hin, dass das fossile Virus der Vögel der Vorgänger der heutigen Hepatitis-B-Viren in Vögeln und Säugetieren ist und somit auch des für den Menschen gefährlichen Virus.


Die X-Variabel. Leberkrebs durch X-Gen?

Der Fund des Fossils ist für viele Menschen von Bedeutung. Weltweit trägt ein Drittel der Menschheit die Antikörper gegen das Virus im Blut. Auch wenn nicht alle Betroffenen erkranken, hat sich bisher also jeder dritte Mensch einmal mit dem Virus infiziert. Knapp ein Viertel der etwa 350 Millionen chronisch Erkrankten, entwickelt Leberschädigungen oder Leberkrebs. Hepatitis B bei Vögeln führt hingegen nicht zu Leberkrebs, obwohl manche Vögel, z.B. Enten, noch heute von Hepatitis-B-Viren infiziert werden. Hier liefert der fossile Fund wichtig Erkenntnisse, denn er erlaubt die vollständige Rekonstruktion der Erbsubstanz des 82 Millionen Jahre alten Hepatitis-B-Virus und zeigt, wie es sich bis heute veränderte.

„Spannend ist", so Suh, „dass das fossile Virus im Vergleich mit dem heutigen Hepatitis-B-Virus kaum große Veränderungen aufweist - bis auf eine: Ihm fehlt das sogenannte X-Gen, das sich also erst spät im Laufe der Evolution entwickelte. Da Vögel nicht an Leberkrebs erkranken, spielt es höchstwahrscheinlich eine große Rolle in der Entstehung dieser Krankheit bei Säugetieren." Zudem legen auch zellbiologische Studien an menschlichen Hepatitis-B-Viren nahe, dass dieses mysteriöse Gen für Leberkrebs bei Hepatitis B im Menschen verantwortlich ist.


Hoffnung für die Zukunft - Hepatitis B besiegen

Auch für die Prävention von Hepatitis B ist der Fund von großer Bedeutung. Hepatitis-B-Viren brauchen verschiedene Proteine, um den Wirt zu infizieren. Eines dieser Proteine ist das sogenannte Oberflächenprotein, das ein wichtiger Bestandteil der Virushülle ist. Ein Bereich des Oberflächenproteins ist entscheidend dafür, dass das Virus die Wirtszelle erkennt. Das fossile Virus ermöglicht die Herstellung künstlicher Virusproteine und die genaue Betrachtung des Prozesses der Wirtserkennung über die gesamte Evolution der Hepatitis-B-Viren. Ist bekannt, wie das Virus die Zelle eines potenziellen Wirts genau erkennt und sich die Proteine des Virus während der Evolution verändern, sieht es schlecht aus für das Virus.

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