An ihren ersten Einsatz kann sich Agnes Trescher (35) aus Tiefenbronn südöstlich von Pforzheim noch genau erinnern. Ein Junge, tot geboren in der 15. Schwangerschaftswoche, war es, erzählt die gelernte Fotografin mit klarer Stimme. Man habe alles schon sehen können, aber die Haut sei in diesem Entwicklungsstadium noch sehr empfindlich und glitschig.
Seit gut einem Jahr engagiert sich die Mutter von drei Jungen für die Organisation „Dein Sternenkind" und fotografiert Babys, die tot zur Welt kommen oder kurz nach der Geburt sterben.
Weil Trescher am liebsten draußen fotografiert, ist sie mit den Eltern spazieren gegangen. Ihren toten Sohn haben sie in einem kleinen Körbchen, etwa 15 Zentimeter groß, mitgenommen. „Wir haben uns unterhalten, und ich habe immer wieder Fotos gemacht", denkt Trescher zurück.
Trescher spricht unverblümt über unangenehme Situationen, sie wirkt patent und pragmatisch. Bei ihren Einsätzen muss sie oft improvisieren, vieles hat sie sich selbst beigebracht. Etwa wie sie einem Kind, das bereits einige Tage tot im Bauch war und bei dem sich die Haut beginnt aufzulösen, Kleider anzieht.
Oder wie sie mit trauernden Eltern, die kaum ein Wort sprechen, umgeht. „Ich vertraue da auf mein Bauchgefühl." Obwohl sie ziemlich nah am Wasser gebaut sei, weine sie nie beim Fotografieren, sagt Trescher. „Da kann ich mich hinter meiner Kamera verstecken." Die Tränen kämen eher hinterher, im Gespräch mit den Eltern oder wenn sie über die Schicksale der Familien nachdenke.
Kommt ein Fotograf mit der Situation nicht zurecht, bietet „Dein Sternenkind" Supervision an, betont der stellvertretende Sprecher Oliver Wendlandt. Auch mit Webinaren, Podcasts und Beispielbildern will die Organisation ihre Ehrenamtlichen informieren und unterstützen.
Agnes Trescher hat sich kein einfaches Ehrenamt ausgesucht. Sie investiert viel Zeit und Geld. Da sind die oft langen Anfahrten, die mindestens anderthalbstündigen Einsätze, das Porto für die per Einschreiben oder Päckchen verschickten Bilder. Hinzu kommt, dass sie immer wieder vor Augen hat, wie schrecklich es ist, das eigene Kind zu verlieren, sagt die junge Frau nachdenklich. „Ich habe seitdem mehr Angst um meine Kinder, weil ich sehe, wie schnell etwas passieren kann." Trotzdem lehnt sie nur selten einen Einsatz ab. „Weil ich weiß, was die Bilder den Eltern bedeuten. Das ist das einzige, was ich für sie tun kann." Belastet fühlt sie sich durch ihre Tätigkeit nicht. „Das Fotografieren ist wie eine Berufung", ist Trescher überzeugt.
Beim Fototermin nimmt sie sich Zeit. Fragt die Eltern, ob sie ihr Kind selbst anziehen möchten. Begleitet den Prozess reportageartig mit der Kamera. „Die Eltern sollen den einzigen Moment, den sie mit ihrem Kind haben, so genießen, wie es geht", betont sie.
Zweimal hat sie auch schon Familienbilder zusammen mit den älteren Geschwistern gemacht. Für Kleinkinder sei es eine gute Möglichkeit, den Tod ihres Geschwisterchens zu verarbeiten, ist die Fotografin überzeugt. „Das sind ganz berührende Bilder, die kann man sich auch gern anschauen."
Die besondere Verbindung zwischen den Familien und ihr geht oft über den Fototermin hinaus. Trescher erhält viele Briefe und Geschenke. Erst vor kurzem stand wieder ein Präsentkorb vor ihrer Tür, erzählt sie strahlend. Die persönlichen Dankeszeilen der Eltern berühren sie jedes Mal sehr.
Viele „ihrer" Eltern schreiben der Fotografin auch dann, wenn sie erneut ein Kind erwarten. „Das finde ich schön zu sehen, dass sie nicht aufgeben." Mit fünf Elternpaaren hält Trescher regelmäßig Kontakt.
Besonders eng ist der Kontakt mit den Eltern der Zwillinge Liam und Noel, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Ihre Mutter ist wieder schwanger, der Geburtstermin ist erneut im Dezember. Trescher soll die Geburt dokumentieren. Besonders wichtig sei es den Eltern, dass sie den ersten Schrei des Kindes filmt. „Ich hoffe, dass ich es pünktlich schaffe", erzählt die Fotografin. Leonore Kratz, epd