Das öffentliche Interesse an Straftaten ist nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer oftmals geringer, wenn die Opfer Ausländer oder Migranten sind.
Über die Morde der Terrorgruppe NSU sei lange Zeit nur unter der Rubrik "Vermischtes" berichtet worden, sagte der ehemalige Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen dem Evangelischen Pressedienst. Ein Terroranschlag wie auf dem Berliner Breitscheidplatz mit vielen deutschen Opfern lande dagegen immer auf Seite eins der Medien. Das Mitgefühl sei auch von der Identifikation mit den Opfern abhängig, erläutert Pfeiffer. So habe es bei den vorwiegend türkischstämmigen Opfern des NSU anfangs Mutmaßungen gegeben, sie seien möglicherweise in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen und hätten damit zu ihrem Tod selbst beigetragen. Bei einem Anschlag der Terrororganisation IS dagegen würden die Getöteten als "unschuldige Deutsche" wahrgenommen. In solchen Fällen sei die emotionale Betroffenheit höher. Bei den NSU-Morden habe die Polizei lange gebraucht, um das rechtsextremistische Motiv hinter den Taten zu erkennen. Auch der Verfassungsschutz habe die Polizei bei ihren Ermittlungen zu wenig unterstützt. Das sei eine der Hauptursachen für die mangelnde Aufmerksamkeit an der Mordserie gewesen. Sobald dem die Polizei die Anschläge als Terror anerkannt habe, habe es in der öffentlichen Bewertung keine Unterscheidung mehr zu anderen Terror-Attentaten gegeben. Im Prozess gegen den "Nationalsozialistischer Untergrund" will das Oberlandesgericht München am Mittwoch sein Urteil verkünden. Der Mordserie der Terrorgruppe fielen zwischen 2000 und 2007 vermutlich neun Zuwanderer und eine Polizistin zum Opfer. Vor Gericht müssen sich seit Anfang Mai 2013 Beate Zschäpe sowie weitere mutmaßliche Helfer und Unterstützer des NSU verantworten.
Diese Nachricht wurde am 07.07.2018 im Programm Deutschlandfunk gesendet.