Von Livia Hofmann, Leon Kaessmann, Ella Knigge und Katharina Wulff
Dass ein Demonstrationszug in München durch die Potsdamer Straße führen soll, kommt eher selten vor. An diesem Wochenende hatte es aber einen besonderen Grund. In einer Villa in der nördlich der Münchner Freiheit gelegenen Straße ist die Burschenschaft Danubia ansässig, eine politisch sehr weit rechts stehende Studentenverbindung. An dem Haus der Danubia wollten am Sonntagnachmittag jene vorbeilaufen, die sich "Gemeinsam gegen Rechts" zusammenfinden.
Doch warum? Was geschieht in dem Anwesen mit der Hausnummer 1a? Wie ist die Danubia überhaupt zu ihrer Villa in der Potsdamer Straße gekommen? Und warum wollte die Stadt München dem Treiben dort bereits Einhalt gebieten?
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 wird im Kapitel 7.2. ("Sonstige rechtsextremistische Organisationen") auch die "Aktivitas der Burschenschaft Danubia München" erwähnt. Die Aktivitas sind die aktuell studierenden Mitglieder. Laut Verfassungsschutzbericht waren das damals zehn Personen. "Bei Veranstaltungen der Aktivitas treten seit Jahren auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auf", heißt es in dem Bericht. Ab 2021 habe sich die Aktivitas dann hauptsächlich auf die Veröffentlichung und Weiterleitung von Beiträgen im Internet beschränkt; vermutlich wegen der Corona-Schutzmaßnahmen.
Der Verfassungsschutz hat das rechtsextreme Treiben schon lange im Blick. "Die Aktivitas der Münchner Burschenschaft Danubia" seien seit 2001 "Beobachtungsobjekt", hat das Innenministerium vor einigen Jahren dem Landtag mitgeteilt. Bereits im Verfassungsbericht 2002 steht der klare Satz: "Eine Bereitschaft zur Abkehr von den bisherigen rechtsextremistischen Bestrebungen ist nicht erkennbar." Dem jüngsten Verfassungsschutzbericht zufolge haben auch 2022 im Haus der Burschenschaft wieder Veranstaltungen und Vorträge stattgefunden, "die auch von Rechtsextremisten besucht wurden". Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem ein Verfahren der Stadt München gegen die Danubia mit einem Vergleich endete.
Die Geschichte über den Kampf der Stadt München gegen die Danubia beginnt mit dem Kürzel ZeS. Das steht für: "Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum." Diese Vorschrift soll verhindern, dass Wohnhäuser nicht als Unterkünfte, sondern beispielsweise als Geschäftsräume oder Vereinslokale genutzt werden. Schließlich sind Wohnungen in München rar und teuer.
Problem Zweckentfremdung gelöst, Problem Rechtsextremismus bleibt
Die Danubia war im Jahr 2016 von ihrem alten Domizil in der Möhlstraße 21 in Bogenhausen nach Schwabing umgezogen. Im Jahr darauf ging ein anonymer Hinweis bei der Stadt München ein. Das Haus der Burschenschaft werde, so der Hinweis, mehr zu Vereinszwecken und nicht ausreichend zu Wohnzwecken genutzt. 2018 leitete die Stadt nach eigenen Angaben ein Verfahren wegen Zweckentfremdung von Wohnraum gegen die Danubia ein. Das Amt für Wohnen und Migration verfügte per Bescheid, dass die Danubia ihr Haus nicht in erster Linie als Vereinsheim nutzen dürfe. Die Potsdamer Straße 1a müsse zu "Wohnzwecken zurückgeführt" werden. So schildert es das Sozialreferat der Stadt München, zu dem das Amt für Wohnen und Migration gehört.
Nach Angaben des Sozialreferats klagte die Burschenschaft gegen diesen Bescheid. 2022 sei das Verfahren nach einer Prüfung vor Ort mit einem gerichtlichen Vergleich eingestellt worden. Die Potsdamer Straße 1a sei umgebaut worden; seitdem gebe es dort mehr Zimmer für Studierende. Das ZeS-Verfahren kam der Stadt München jedenfalls ganz gelegen, um beim Kampf gegen rechts Flagge zu zeigen. Das lässt sich einer Äußerung der städtischen Fachstelle für Demokratie entnehmen, die direkt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) unterstellt ist und das Vorgehen der Stadt gegen Rechtsextremismus und Rassismus koordiniert.
Die Fachstelle erklärte auf Anfrage, dass die Landeshauptstadt München beim Vorgehen gegen Rechtsextremismus grundsätzlich immer sämtliche zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfe. In diesem Kontext bedeutet das offenbar, auch wenn es niemand offiziell sagt: Das ZeS-Verfahren diente nicht nur dem eigentlichen Zweck, Wohnraum zu schaffen. Sondern es sollte möglicherweise auch dazu beitragen, dass die Danubia ihr Haus nicht allzu ausgiebig für Vereinstreffen und andere Aktivitäten mit stramm rechter Gesinnung nutzen kann. Was aber nur teilweise gelang.
Stadt und Danubia hatten sich in ihrem Vergleich darauf geeinigt, dass die Burschenschaft die Potsdamer Straße 1a teilweise umbaut. Mit der Folge, dass "der Anteil der Wohnnutzung im Vergleich zur sonstigen Nutzung (als Vereinsheim) steigt". Die Danubia habe sich verpflichtet, weitere Studentenzimmer "durch Ausbau des Dachgeschosses und/oder durch Umrüstung anderer Räume zu schaffen". So teilt es das Münchner Verwaltungsgericht, bei dem sich Stadt und Danubia gestritten hatten, auf Anfrage mit. Das Problem Zweckentfremdung war mit der "überwiegenden Wohnnutzung" aus Sicht des Gerichts gelöst. Das Problem mit den rechtsextremen Aktivitäten blieb.
Zu den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes erklärte das Sozialreferat München, Treffen im Vereinsheim "widersprechen sich nicht mit der Wohnnutzung". Das Haus dürfe nicht überwiegend als Veranstaltungsort dienen. Mit der ZeS könne jedoch nicht verhindert werden, dass "vereinzelte Bereiche der Villa für Veranstaltungen oder Vorträge genutzt werden".
Der Internetauftritt der Danubia ist eher schlicht gehalten. Man erfährt, dass die Burschenschaft eine schlagende Verbindung ist. "Schlagend" meint Fechtkämpfe. Die aktiven Studierenden müssen drei Pflichtmensuren, also Kämpfe, bestehen. Dies soll den Aktivitas bei der "Festigung ihres Willens und ihrer Einsatzbereitschaft helfen". Weiter heißt es, die Danubia sei ein Lebensbund von Bundesbrüdern, die sich als "Erziehungsgemeinschaft" verstehe und die Studenten zu "aufrechten und streitbaren Männern" formen will. Diese müssen sich zur "deutschen Kultur- und Volksgemeinschaft" bekennen.
Doch womit fällt die Danubia, zu der nicht nur aktive Studenten, sondern auch die sogenannten Alten Herren, also Mitglieder, die ihr Studium bereits abgeschlossen haben, gehören, für den Verfassungsschutz in die Kategorie "rechtsextrem"? "Die Aktivitas der Burschenschaft Danubia agiert revisionistisch und propagiert einen übersteigerten Nationalismus im völkischen Sinne", notierte dieser bereits 2013. Die wiederholte Einladung von Rechtsextremisten als Referenten erfolgte bereits in der alten Residenz in Bogenhausen.
Diese war allerdings schon in die Jahre gekommen. Ausgebleichte Vorhänge, freigelegte Kabel, ein Riss durchzog die Wand im Treppenhaus. "Die Danubia konnte sich wohl selbst einfache Renovierungsarbeiten nicht mehr leisten", sagt Robert Andreasch von der antifaschistischen Informationsstelle Aida, die rechtsextreme Aktivitäten seit Jahrzehnten dokumentiert.
Der Burschenschaft gelang es schließlich, die alte Immobilie für acht Millionen Euro zu veräußern. Käufer war die CHV Vermögensverwaltung, ein Unternehmen des Münchner Modehauses Hirmer. Man habe das Haus "mit dem Ziel einer Projektentwicklung" erworben, so ein Sprecher, sich jedoch nach der Entrümpelung dazu entschieden, das Objekt wieder zu verkaufen.
Auf der Suche nach einem neuen Zuhause stießen die Burschenschafter auf das Haus in der Potsdamer Straße 1a in Schwabing, in das sie im Jahr 2016 umzogen. Der Preis betrug 5,5 Millionen Euro; das geht aus dem Kaufvertrag hervor. Der Vorbesitzer des Hauses in der Potsdamer Straße sagt, er habe von der rechten Gesinnung der Käufer gewusst, sein Haus habe 2016 aber kurz vor der Zwangsversteigerung gestanden. Das bestätigt das Amtsgericht München. Die Danubia hat mit ihrem Umzug also einen satten Gewinn in Höhe von 2,5 Millionen Euro gemacht, abzüglich eventueller Abgaben. Wozu der Profit diente, sagt die Danubia nicht. Die Burschenschaft lässt eine Anfrage zu diesem und weiteren Details unbeantwortet.
Die Grünen hatten vor vier Jahren im Landtag wissen wollen, was die Staatsregierung über die Immobiliengeschäfte der Danubia wisse. Über die "genauen Hintergründe des Ankaufes" der Potsdamer Straße 1a lägen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor, antwortete das Innenministerium im März 2020. Und über den Verkauf des alten Domizils in Bogenhausen konnte das Ministerium nur berichten, der Presse zufolge solle dieses Objekt für acht Millionen Euro zum Verkauf angeboten worden sein. "Darüber hinaus liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor." Sowohl die Grünen wie auch das Innenministerium hätten ganz einfach beim Grundbuchamt nachschauen können. Dort liegt alles vor.
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