Heidelberg. Sechseinhalb Monate, um genau zu sein: 198 Tage – so lange hat es gedauert, bis sie auf meinem Konto gelandet ist: die sehnsüchtig erwartete 200-Euro-Einmalzahlung für Studierende.
Doch, halt – sollte das nicht eigentlich eine "Winter-Soforthilfe" als Unterstützung für die gestiegenen Energiepreise werden? Schnell und unbürokratisch?
Ach, egal, denke ich, als ich Mitte März freudig meine Online-Banking-App öffne und erst einmal die Schulden meines Fusion-Festival-Tickets begleiche. Denn langsam hatte ich daran gezweifelt, dass mich das Geld tatsächlich irgendwann erreichen würde.
Ende Januar 2023. Bisher gibt es noch keine Informationen, wie oder wo man sich als Studierender seine versprochenen 200 Euro holen kann. Meine Mama schickt mir auf Whatsapp einen Link mit dem ominösen Namen "www.einmalzahlung200.de". "Nee, Mama, das ist Betrug", will ich schon schreiben, bis ich doch neugierig werde und draufklicke. Erfreut merke ich, dass es sich tatsächlich um eine staatliche Website handelt und ich mir hier meine 200 Euro holen kann.
Doch die Sache hat einen Haken. Ich entdecke nämlich das Datum, ab wann das Geld beantragt werden kann: 15. März. "Jetzt will ich es aber wissen", denke ich mir nach kurzer Enttäuschung; wenn es schon keine "Winter-Soforthilfe" sein soll, dann wenigstens eine "Winterhilfe". Und der kalendarische Winter geht schließlich bis 21. März. Herausforderung akzeptiert.
Akribisch will ich jeden Schritt befolgen, um das Geld schnellstmöglich zu erhalten. Da wäre das Bund-ID-Konto, das zwar schnell erstellt ist, doch noch verifiziert werden muss. Dazu brauche ich meinen Online-Ausweis. "Wer braucht denn sowas?", denke ich kopfschüttelnd. Per App muss ich mich wieder mal registrieren und meinen Ausweis gegen mein Handy drücken. Es piept. "Ihr Online-Ausweis ist nicht aktiviert" erscheint es auf dem Display, "bitte wenden Sie sich an ihr zuständiges Bürgeramt." Ich atme tief durch. Ein neuer Ausweis kostet 22,80 Euro. Ein Blick auf den Kontostand reicht, um festzustellen, dass eine andere Lösung hermuss.
Die Alternative heißt "Elster-Zertifikat". "Elster" ist eine Abkürzung für "Elektronische Steuererklärung", sagt mir Wikipedia. Damit machen Boomer also ihre Steuererklärung. Doch ich bin Student. Ich zahle keine Steuern.
Zähneknirschend setze ich mich an die nächste Registrierung. Um das Zertifikat zu bekommen, brauche ich mal wieder einen Pin. Und der kommt drei Wochen später per Post. Hallo Digitalisierung. Doch ich habe jetzt immer noch Zeit. Optimistisch, wie ich nun mal bin, hoffe ich, dass es mit der Winterhilfe doch noch klappen könnte.
Am 15. März gehe ich gleich nach dem Aufstehen, also gegen 11 Uhr, auf die Website. Doch es gibt zwei Probleme. Erstens: die "virtuelle Warteschlange gegen Server-Überlastung"; ich könnte wahrscheinlich Stunden warten, bis ich durchkomme. Zweitens: In meinem Eifer habe ich vergessen, dass ich, um meinen Studentenstatus nachzuweisen, ja noch einen weiteren Verifizierungscode brauche – dieses Mal von der Uni.
Verzweifelt suche ich in meinem Postfach und auf der Uni-Seite. Nichts. Auf Instagram erfahre ich schließlich durch Zufall, dass es nicht nur mir so geht – und die Studierenden der Pädagogischen Hochschule ihren Code schon erhalten haben. Ein doppelter Schlag ins Gesicht.
Am 16. März ist es schließlich so weit. Auf irgendeiner Uni-Seite finde ich meinen persönlichen Zugangscode. Aber warum stehen da zwei Nummern?
Die Antwort folgt prompt, als ich auf einmalzahlung200.de etwas nach unten scrolle. Wer von der Hochschule neben dem Verifizierungscode noch einen zusätzlichen Pin erhalte, brauche weder Online-Ausweis noch Elster-Zertifikat.
Ja, das steht da wirklich.
Nach kurzer Recherche merke ich: Fast alle Hochschulen haben diese zwei Codes. Ich bin am Ende. Mit letzter Kraft klicke ich auf "Antrag abschicken" und falle in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Am 20. März kann ich stolz vor Familie und Freunden verkünden, dass ich die 200 Euro erhalten habe. Es hat geklappt. Meine Winterhilfe ist da. Und mein Mitbewohner stellt verwundert fest: "Das Geld ist schon da? Das ging jetzt aber schnell."
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