Leon Igel

Journalist , Zürich/Mannheim/Fulda

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Anders zusammenleben: Ein jeder wohne wie er mag

In Tempelhof leben 150 Bewohner in enger Gemeinschaft. Ärzte treffen hier auf Handwerker, Buddhisten auf Atheisten und Amazon-Kunden auf Konsumverweigerer. Zusammen loten sie andere Formen des Wohnens aus.

Tritt man im Hause Specht ein, überrascht als Erstes das Tageslicht, das dank Plastikkuppel im Spitzdach den ganzen Raum durchflutet. Dann wandert der Blick vom herrlich duftenden Fichtenholzfußboden über die Holzgitterkonstruktion des Baus und die Mandala-Tagesdecke auf dem Bett zu Heizungsrohren und großem Apple-Computer. Willkommen in der Jurte! Komfortabler könnte das imitierte Nomadenleben kaum sein: 30 Quadratmeter Eigentum mit Heizung und Breitbandanschluss, Küche und Bad über den Hof inklusive. „Die Jurte ist total genial. Egal, wo ich stehe, in fünf Schritten bin ich draußen“, sagt Simone Specht. Die Filmemacherin genießt die Nähe zur Natur, auch wenn das bedeutet, bei Nieselregen und Minusgraden vor die Tür zu müssen, wenn die Blase drückt. „Ich bin in einer Mittelstandsfamilie aufgewachsen, habe aber früh bemerkt, dass ich zum Leben nicht so viel Materielles brauche“, erzählt sie. Das Leben in der Jurte – für die Vierzigjährige fühlt es sich richtig an.

Damit ist sie nicht allein. Achtzehn Mitstreiter wohnen wie sie in Nomadenzelten, Bauwagen oder Pavillons. Die sind kreisförmig um einen Gemeinschaftsbau angeordnet, in dem sich Badezimmer und eine große Wohnküche befinden. Ihr Zuhause nennen die Bewohner Tempelfeld, denn zum einen ist ihre kleine Siedlung auf dem Feld Teil der Dorfgemeinschaft Tempelhof in der Nähe von Schwäbisch Hall. Zum anderen ist der Kreis der Neunzehn ganz Tempelhof in potenzierter Form: ein experimenteller Forschungsraum für ein neues Wohnen, das den Menschen als soziales Wesen in den Mittelpunkt stellt. Das ist nun mal ein weites Feld.

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