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Kolumne

Erste Reihe von Sätzen, beginnend mit dem Satz: In Mathematik habe ich Nachholbedarf.

Es geht darum, mehr Abstand zum sinnlichen Denken zu gewinnen. / Die Sinnlichkeit ist geistig beschränkt. / Die Sinne sind nur für das Mittelmaß offen, nicht für das Kleinste und Größte. / Das mathematische Denken lässt sich von Äußerlichkeiten nicht ablenken. / Auch die Mathematik ist beschränkt, doch beschränkt aufs Eigentliche. / Die Mathematik als bloße Hilfswissenschaft anzusehen, heißt vom Eigentlichen abzusehen. / Die mathematische Zeichensprache will wohl oder übel antrainiert sein, der Rest sind lauter Sonnenaufgänge. / Die Lösung eines mathematischen Problems ist ein mentaler Sonnenaufgang. / Der Sternenhimmel veranschaulicht, wie unübersehbar oft uns noch ein Licht aufgehen könnte. / Mehr Pflicht bringt nicht mehr Licht. / Pflichtgestalten sind Notlösungen, wo es an Lichtgestalten mangelt. / Ich tippe, dass die Menschheit nicht in den Kinderschuhen steckt, sondern im Geburtskanal, wo sie womöglich stecken bleibt. / Die Menschwerdung der Menschheit kommt in Gang, wenn sich zwischenmenschlich durchgehend eine wechselseitige Förderung einspielt. / Erst wenn kein Mensch mehr leisten muss, was auch automatentechnisch lösbar ist – ja, was dann? / In nicht so ferner Zukunft wird in jeden Menschen eine innere Stimme implantierbar sein, mit der er alles bedenken kann. / Ehe eine wachsende Weltbevölkerung auch fernere Welten besiedeln kann, ist es möglich, dass Hunderte von Milliarden Menschen liliputanisiert die Erde bewohnen. / Hochgerechnet, dürften von heute an wenige Jahrtausende genügen, bis die menschliche Erfindungsgabe dazu führt, das gesamte Weltall neu zu gestalten, als wäre es eine aktualisierungsbedürftige Software. / In Anbetracht des technischen Fortschritts der letzten beiden Jahrhunderte kann in den nächsten beiden mit den "unmöglichsten" Weltveränderungen gerechnet werden. / Die fernere Zukunft kann die heute Lebenden schon deshalb nicht kalt lassen, weil sie bis dahin mittels fortgeschrittener Technik von den Toten auferweckt worden sind. / Irgendwo bleibt alles erhalten, was ist, je war und je sein wird. Platz ist jedenfalls genug. / Das Weltganze ist der Versammlungsort von allem, was möglich ist. / Gott erschuf die Beste der möglichen Welten, der Mensch erforscht sie alle. / So etwas wie Menschen ist eigentlich viel zu unwahrscheinlich, um im Universum vorzukommen, und kann es allerallerhöchstens nur einmal geben. (Oder?) / So lange sie sich nicht himmelweit genug ablenken, sehen die Irdischen leicht alles Mögliche zu eng. / Vielleicht ist es die goldene Mitte, in der es der forschende Mensch zwischen den galaktischen Riesen und den subatomaren Zwergen bestens getroffen hat. / Nur aus der Mitte können die Umsichtigsten kommen. / Nur die Umsichtigsten können die besten Vermittler sein. / Zur vollen Umsicht gehört mehr als bloß das Sehen, sondern jede Sinnestätigkeit. / Zum klaren Sinnverstehen gehört nicht nur die sinnliche Wahrnehmung, sondern auch die abstrahierende Begriffsbildung. / Das Wahrnehmen lässt sich weitestgehend in den schönen Künsten lernen, das Abstrahieren in der höheren Mathematik. / Quantenphysikalische Strukturanalysen können einen in die Versuchung führen, Mathematik mit Wirklichkeit zu verwechseln. / Mutmaßlich enthält die Raumzeit die unendlich vielen möglichen Welten, so dass sie zeitlos, aber wirklich existieren.  / Nichts und niemand kann nicht sein.

LITERATUR
Max Tegmark: Unser mathematisches Universum. Auf der Suche nach dem Wesen der Wirklichkeit, Ullstein 2015

(ABC-Bild: Tim Reckmann / pixelio.de)