Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Garagen mit Kegelbahn und Schwimmbad, heute sind sie quaderförmige Notwendigkeiten. Doch ausgerechnet durch die Verkehrswende nimmt ihre Bedeutung wieder zu.
Eine Reise durch die Zeit von Lena Frommeyer
Der Erfinder des Automobils soll ein Zocker gewesen sein. Jedenfalls in den eigenen vier Wänden. Carl Benz spielte gern mit seinen zwei Söhnen Karten, erzählt Johannes Schnurr von der Daimler und Benz Stiftung. Sehr zum Missfallen seiner Frau Bertha. Sie habe in der heimischen Villa in Ladenburg kein Glücksspiel geduldet, erzählt Schnurr, und ihren Mann deshalb kurzerhand in die Garage verbannt. Im Hause Benz war das freilich kein Flachbau mit Blechtor, sondern ein frei stehendes Gebäude mit zwei Stockwerken, das einem Wehrturm glich. Während im oberen Zimmer die Karten ausgeteilt wurden, parkte unten, hinter einer Flügeltür verschlossen, Benz Lieblingsauto vom Typ Viktoria - mit hölzernen Rädern und Kerzenscheinwerfern.
Vor 110 Jahren ließ Carl Benz diese in Deutschland wohl bekannteste Einzelgarage aus Stein errichten, die zu den ältesten ihrer Art zählt. Sie nahm einen Trend vorweg, der bis heute anhält: Garagen nicht nur als Abstellflächen zu nutzen, sondern zum sozialen Ort werden zu lassen. In Garagen haben viele das erste Mal heimlich an einer Zigarette gezogen, später ihren Kindern gezeigt, wie man Öl und Kühlwasser bei ihrem ersten eigenen Auto auffüllt, und noch später die wirklich persönlichen Gegenstände entdeckt, nachdem Vater oder Großvater gestorben sind.
Es fällt nicht schwer, die Garage zu romantisieren. Schließlich beginnt ihre Geschichte genau so: als Lustobjekt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren private Garagen oft imposante Gebäude, eine Verlängerung des Wohnraums und Verwahrungsort (französisch "garer" bedeutet "sicher verwahren") des Automobils, das schon für sich genommen für Luxus stand. Es gab Garagen mit integrierter Wohnung für den Chauffeur und obszön dekadente Bauwerke, wie jenes, das der Architekt Karl Bauer im Jahr 1907 neben die Münchener Villa seines Auftraggebers gebaut haben soll: eine Garage mit Bibliothek, Kegelbahn und Schwimmbad.
Nach und nach konnten sich mehr Menschen in Deutschland ein Auto leisten - und damit wandelte sich die Privatgarage vom verspielten Lustgebäude zum quaderförmigen Gebrauchsbehälter. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten gewann das Kraftfahrzeug als Zeichen wirtschaftlichen Aufschwungs an Bedeutung. Im Jahr 1939 wurde die Reichsgaragenordnung erlassen, als Motor der Volksmotorisierung. Sie legte fest, dass bei Neubauten pro Wohneinheit ein Garagenplatz zur Verfügung stehen muss.
"Zu der Zeit konnte man etwa in Berlin nur ein Auto anmelden, wenn man auch einen Stellplatz vorweisen konnte", erklärt Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Autos wie heute üblich Straßenrand zu parken, war nicht erlaubt. Durch die Reichsgaragenordnung wurden im Zuge eines generellen Baubooms auch massenhaft Garagen errichtet. Nach dem Sturz der Nazis verfolgte man die Motorisierung weiter: "Nach 1945 wurde die Reichsgaragenordnung in Stellplatzverordnung umbenannt und Deutschland entwickelte sich weiter zum autogerechten Land", so Knie.
Autos werden möglichst nahe der eigenen Haustür abgestellt, aber auch zum Einkaufen, an der Arbeitsstelle oder für andere Erledigungen brauchte es Parkplätze. Dort, wo viele Menschen auf einmal parken wollten, wurden Sammelgaragen errichtet - die ersten bereits in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, etwa die Schwaben-Garage in Stuttgart.
Eine besonders imposante Anlage, die in der Zwischenkriegszeit entstand, ist die Kant-Garage, auch Kant-Garagen-Palast genannt. "Sie wurde in Berlin gebaut und ist eine Ikone unter den Garagen, ein Baudenkmal", so Knie. Mit architektonischen Besonderheiten, etwa der Vorhangfassade und der doppelgängigen Wendelrampe. Früher gab es auch einen Tankbetrieb, und in der benachbarten Villa Schulze war die Chauffeurskantine untergebracht.
Imposant, aber nicht mehr erhalten, ist die 1907 von Auguste Perret im 8. Pariser Bezirk erbaute Garage de la rue de Ponthieu. Der Parkvorgang funktionierte hier teilautomatisiert über Aufzüge. Eine "Kathedrale des Fortschritts" nennt der Architekturhistoriker Joachim Kleinmanns diese Garage in seinem Buch "Die Geschichte des Parkhauses".
Mit der Zeit änderten sich auch die Ansprüche an Parkhäuser: Städte wurden immer voller, mehr Parkraum wurde gebraucht und gleichzeitig möglichst wenig Platz dafür aufgewendet. So entstanden dunkle Labyrinthe mit dicken Betonmauern unter und schmucklose Hochgerippe über der Erde. Die Gänge dieser Konstrukte sind gerade so breit, dass sich moderne Autos mit ihren kleinen Wendekreisen darin bewegen können. Wohl fühlt man sich in so einem Gebäude nicht mehr.
Diese Parkhäuser, die auch in den Metropolen des 21. Jahrhunderts zahlreich zu finden sind, sind nichts als "unliebsame Notwendigkeit" - so auch der Untertitel von Kleinmanns Buch. "Die Menschen fahren nicht gerne in solche Parkhäuser. Warum auch? Parken kostet Geld, die Verkehrsführung ist unübersichtlich und dunkle Parkhäuser sind ein Angstraum", sagt er. Dennoch brauchen wir sie, um unsere Autos unterzubringen, wenn der Straßenraum zu knapp ist.
Die Renaissance des Parkhauses
So könnte das Parkhaus in Zeiten der Verkehrswende paradoxerweise erst einmal an Bedeutung gewinnen. In vielen Städten werden Parkflächen entlang von Fahrbahnen beseitigt. "Der öffentliche Raum soll heute nicht dem parkenden, sondern dem fließenden Verkehr zur Verfügung stehen, also fahrenden Autos, Bussen, Fahrrädern und Fußgängern", sagt Andreas Knie. Gibt es weniger Parkplätze im öffentlichen Raum, bleibt die Sammelgarage als Massenoption, sein Fahrzeug abzustellen - egal ob Pkw, Fahrrad oder E-Roller.
Ist man heute auf der Suche nach jener frühen Romantik, die ausschließlich Einzelgaragen versprühen, wird man in Russland fündig. Am Rande großer Städte wie Sankt Petersburg oder Moskau gibt es Garagensiedlungen, die wie Schrebergärten angelegt sind. In rostigen Hütten schrauben fast ausschließlich Männer an ihren Wagen, diskutieren die politische Weltlage und feuern abends den Grill an.
Je weiter man in den Norden kommt, desto größer wird die Bedeutung der Garage als sozialer Raum und desto weniger Autos sieht man dort überhaupt noch. Die Filmemacherin Natalija Yefimkina hat für ihre Dokumentation "Garagenvolk" (2020) diese Rückzugsorte besucht. Wenn sie im Film die Garagentore öffnet, schallt uns Musik aus Proberäumen entgegen, wir stehen vor voll eingerichteten Fitnessräumen oder sehen einem Mann dabei zu, wie er Heiligenfiguren schnitzt. Fern im Hintergrund sieht man die Lichter in den Plattenbauten leuchten.