Zensur und Verhaftung des Komponisten konnten dem Lied nichts anhaben: „Baraye“ ist der Song des iranischen Protests. Im Internet lebt das Stück des 25-jährigen Shervin Hajipour fort: Es wird immer wieder neu hochgeladen und von vielen Künstlern gecovert und weitergeschrieben.
Von Lena Bammert
„All das, was die Islamische Republik dem Volk in den 43 Jahren ihres Bestehens angetan hat, kommt in diesem Lied vor", sagt die deutsch-iranische Journalistin Natalie Amiri über „Baraye" von Shervin Hajipour. Den Text hat Hajipour aus Tweets über die Proteste und Sehnsüchte von Iranern und Iranerinnen zusammengestellt. „Baraye" - der Titel des Songs, bedeutet übersetzt „für" oder „wegen".
Für meine Schwester, deine Schwester
„Für meine Schwester, deine Schwester und unsere Schwestern. Für die Veränderung dieser verrosteten Köpfe. Für die Scham, für die Armut. Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben", singt Hajipour. Trotz der Internetsperren im Iran wird der Song innerhalb kürzester Zeit von Millionen von Menschen auf Instagram angeschaut und geteilt. Er wird zur inoffiziellen Hymne der Proteste im Iran. Wenige Tage nach Veröffentlichung wird Hajipour festgenommen. Gegen eine Kaution kommt er frei und distanziert sich auf Instagram von seinem Song. Als Reaktion wird auf Twitter vorgeschlagen dem Lied eine neue Zeile hinzuzufügen: „Wegen erzwungener Instagram Stories."
Shervin Hajipour wird verhaftet
Hajipours Verhaftung konnte seinem Song nichts anhaben. Zahlreiche Menschen covern ihn und verbreiten ihn weiterhin auf Social Media. Darunter Popstars wie Nico Santos, der den Song auf Persisch nachsingt. Oder Rapper, wie der aus Israel stammende Ben Salomo, der „Baraye" etwas umgeschrieben hat: „Ich träume, dass es für die Frauen dort besser wird, Mahsa Amini die letzte war, die im Gefängnis stirbt. Ich träume, dass Tanzen auf den Straßen Teherans nur noch Party heißt. Auf Händchen halten Liebe folgt und nicht die Staatsgewalt."
Rana Mansour, eine US-amerikanische Sängerin, deren Eltern während der Revolution aus dem Iran geflohen sind, hat eine englischsprachige Cover-Version auf Youtube hochgeladen.
Lieder gehören dem Volk
Mansour ruft alle Menschen dazu auf, sich den Originalsong von Shervin Hajipour anzuhören. Sie schreibt aber auch, was das Schöne an all den Coversongs ist: „Lieder gehören immer dem ganzen Volk." Und daran wird auch das iranische Regime nichts ändern können.
Am Sonntag, 30. Oktober sendet der Zündfunk um 22.05 Uhr eine Stunde zum Thema: „Wendepunkt im Iran: Shahrzad Osterer im Gespräch über die Revolte in ihrem Geburtsland"