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Willkommen im Kleingarten

Am Ende ging alles ganz schnell. Es hatten sich schon alle damit abgefunden, dass die Ehe für alle wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode das Licht der Welt erblicken würde. Dann verplapperte sich Angela Merkel, die SPD nutzte die Gunst der Stunde - und schon ist sie durch. Deutschland, die letzte konservative Bastion Westeuropas, sagt ja zur Ehe für homosexuelle Paare. Angela Merkel hat übrigens dagegen gestimmt.

Das ist also geschafft. Aber mal ehrlich: Dass Konservative so lange brauchten, um zustimmen zu können, mutet merkwürdig an. Das ist wohl tatsächlich nur mit einer gehörigen Portion Homohass zu erklären. Die Ehe ist doch die bürgerliche Institution schlechthin! Und während die Christen sich noch streiten mögen, ob die Ehe nun „ein weltlich' Ding" ist oder nicht, können Homosexuelle Nägel mit Köpfen machen und können in einen auf Lebenszeit angelegten Bund eintreten - ein angestaubtes Modell. Das mit mit Einfamilienhaus und Schrebergarten funktioniert.


Schafft die Ehe ab!


Die Konservativen mögen sich winden, wie sie wollen, die Ehe hat längst einen Großteil ihres ideologischen Charakters eingebüßt. Für viele ist sie wenig mehr als ein Steuersparmodell oder gar eine Möglichkeit, den Ausländerbehörden eins auszuwischen. Auch von der Familie ist die Ehe inzwischen längst entkoppelt. Scheidungen, uneheliche Kinder, Alleinerziehende, kinderlose Ehen - all´ das ist kein Albtraum der CSU mehr, sondern längst gesellschaftliche Realität. Übrigens auch bei Horst Seehofer und Angela Merkel.

Wenn die Ehe also wenig mehr ist, als die Entscheidung zweier Menschen, einen Teil des Lebens gemeinsam zu gehen, füreinander einzustehen und Lebensaufgaben gemeinsam zu bewältigen - warum sie dann noch an die romantische Vorstellung der Liebe knüpfen? An die von Treue und Ewigkeit, von exklusivem Besitz? Warum sollte die Möglichkeit, im Krankheitsfalle informiert zu werden und Steuern zu sparen, jenen vorbehalten sein, die sich lieben?

"Die große Mobilität und Flexibilität der Biographien lässt sich nicht ins Korsett der Ehe pressen"

Schafft die Ehe ab! Geschwister, die sich um ein schwerkrankes Mitglied der Familie kümmern, sollten von den gleichen Steuervorteilen profitieren können. Eine Gruppe von Menschen, die jahrelang unter einem Dach lebt, kann ebenso verbindlich füreinander da sein, wie es eine Familie (im Idealfall) tut. „Aber die Kinder!" hört man Konservative krakeelen. Doch wer nicht zur Zwangsverhütung schreiten will, muss schon heute ertragen, dass Kinder in gänzlich unkonservative Modelle geboren werden. Zum Beispiel in Dreierbeziehungen oder Freundschaften. Und das Adoptionsrecht ist ohnehin längst an persönliche Kriterien geknüpft, was auch viel sinnvoller ist, als es von einem bloßen Rechtsstatus abhängig zu machen. Es ist ja nicht so, als sei diese Forderung ein „Angriff auf die traditionelle Familie".


Zivilbund fürs Leben


Die hat sich doch längst aufgelöst in den hybriden Gesellschaftsformen des Spätkapitalismus. Die große Mobilität und Flexibilität der Biographien lässt sich nicht ins Korsett der Ehe pressen. So kommt es, dass die verhasste Mutter über die Komapatientin entscheiden darf - und die besten Freunde nicht. Also passen wir den bürgerlichen Staat an. Eine Art Zivilbund für all jene, die sich den Herausforderungen des Lebens gemeinsam stellen wollen. Seien es Geschwister, gute Freunde oder das gute alte romantisch verliebte Pärchen.

Das Schöne ist ja: wenn man mehr Lebensentwürfen Anerkennung verleiht - wie jetzt geschehen - bedeutet das keine Abwertung anderer Modelle. Alle Menschen, die vor der Abstimmung glücklich das Ideal einer konservativen Familie gelebt haben, tun das danach immer noch (und wenn nicht, liegt es eher an ihnen, als am Bundestag). Auch eine Art Zivilbund, der allen Menschen zugänglich ist, würde dieses Modell nicht anrühren. Er würde nur neue Möglichkeiten eröffnen. Jenseits der angestaubten Ehe.

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