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Die Engelchen sind wieder da

Die Dorfkirche St. Nikolaus wurde vor mehr als 800 Jahren erstmals urkundlich erwähnt. Der Zahn der Zeit, vor allem Schimmel, machte ihr zunehmend zu schaffen. Nun wurde das Wahrzeichen der Gemeinde von außen und innen restauriert und feierlich eröffnet

Der Geruch von neuem Holz und ein Hauch von Farbe hängen in der Luft. Der Boden der Neurieder Dorfkirche St. Nikolaus an der Gautinger Straße ist von einer dünnen Staubschicht bedeckt. Überall stehen noch geöffnete Werkzeugkoffer herum. In der Sakristei nebenan verpasst Restauratorin Andrea Snigula den Gemälden der vier Evangelisten, die bald wieder im Altarraum hängen sollen, mit einem Pinsel den letzten Feinschliff. Es gab noch viel zu tun im Laufe der vergangenen Woche in diesem Gemäuer, bevor die Kirche am Wochenende nach jahrelanger Sanierung wieder ihre Türen öffnen konnte.

"Viele, gerade ältere Neurieder sehnen sich danach, dass die Dorfkirche wieder offen steht und hier drin auch wieder etwas passiert", sagt Markus Crhak, Mitglied der Kirchenverwaltung und zweiter Bürgermeister der Gemeinde Neuried. Früher spielte sich in und vor dem kleinen Gotteshaus das gesamte Gemeindeleben in Neuried ab. Ein Gemeindehaus oder sonstige Einrichtungen gab es nicht, für den Sektempfang nach Firmungen mussten die Grabsteine vor der Kirchentür herhalten. Der Platz reichte also hinten und vorne nicht, deswegen wurde vor genau zehn Jahren das neue Pfarrzentrum am Maxhofweg eingeweiht, das über die nötigen Räumlichkeiten verfügt.

Seit der Eröffnung verlor die Kirche im Dorfkern aber zunehmend an Bedeutung. Gottesdienste wurden eher zur Seltenheit - mal eine Beerdigung, ab und an eine Trauung, einzelne Konzerte, das war's. Den alten Gemäuern bekam das unregelmäßige Heizen gar nicht gut, auf Höhe der Seitenaltäre und auch an der nördlichen Mauer - deren auffallende Stärke im Übrigen auf einen Ursprung im 12. oder 13. Jahrhundert schließen lässt - bildete sich Schimmel. Die Kirchenverwaltung musste handeln. In enger Abstimmung und nach den Vorgaben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege einerseits und dem Kunstreferat der Erzdiözese München und Freising andererseits begannen im August 2017 die Arbeiten der umfassenden Restaurierung.

Die Decke im Altarraum, ein Kreuzrippengewölbe mit Blumenornamenten, wurde in den vergangenen Monaten sehr vorsichtig restauriert und gesäubert. Eine sogenannte Bauteiltemperierung, in einer Höhe von 50 Zentimetern in die Wände der Kirche eingebaut, soll künftig die Temperatur im Gemäuer etwa auf gleichem Niveau halten, um des Schimmels Herr zu werden - vergleichbar mit einer automatischen Heizung, sagt Markus Crhak.

Der Marienfigur am Hochaltar, die über viele Jahre nur zwei kleine Engel flankierten, stellte man auch die vier übrigen Engelchen wieder zur Seite - so, wie es ursprünglich war. Auch die anderen holzgeschnitzten Figuren und Gemälde im Innenraum der Kirche erstrahlen in neuem Glanz. In den Jahren 2012 und 2013 hatte man bereits die Außenfassade renoviert. Seit Beginn dieser Renovierungen war die Kirche die meiste Zeit geschlossen.

Die Arbeiten dienten in erster Linie der Pflege und Erhaltung, sagt Restauratorin Snigula: "Das war wirklich notwendig. Es war alles sehr verschmutzt." Etwas weniger als 800 000 Euro hat die Restaurierung nach Angaben von Kirchenverwaltungsmitglied Crhak gekostet. Eine genaue Zahl kann er noch nicht nennen. 90 Prozent davon übernahm die Erzdiözese - das ist mehr als der übliche Regelsatz. Die übrigen zehn Prozent stemmte die Pfarrei selbst, wobei die Gemeinde Neuried 20 000 Euro beisteuerte und der Bezirk Oberbayern noch einmal 32 000 Euro.

Gegenüber den restaurierten Figuren und den strahlend weißen Wänden wirken die schlichten Holzbänke und der einfache, quadratische Holzaltar der Kirche fast provisorisch. "Einige haben uns gefragt, warum wir die alten Bänke nicht auch gleich ausgetauscht haben", erzählt der zweite Bürgermeister und streicht über die Lehne einer Bank. "Aber es ging uns ja um den Substanzerhalt. Wir wollten keine neue Kirche schaffen."

St. Nikolaus gehört wohl zu den ältesten Kirchengebäuden der Diözese. 1194 tauchte sie erstmals in einer Urkunde auf. Zuvor hatte hier wahrscheinlich schon eine Holzkirche gestanden. Das Langhaus im schlichter, romanischer Bauweise wurde im 15. Jahrhundert um den heutigen Altarraum im spätgotischen Stil ergänzt. Früher, bevor sie dem Schutzpatron St. Nikolaus geweiht wurde, war die Kirche wohl eine Marienkirche. Der heilige Papst Sylvester, der Viehpatron, der neben der Eingangstür wacht, erinnert heute noch an das ärmliche Bauerndorf, das Neuried lange Zeit gewesen ist.

Es ist ein Gebäude, das weit zurück in die Geschichte des Ortes führt. Mit der Wiedereröffnung am vergangenen Samstag und Sonntag feierte die Pfarrei zugleich das zehnjährige Jubiläum des neueren Pfarrzentrums. In der Gemeinde Neuried steht also nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der jüngsten Kirchen der Region. Ein besonderer Kontrast, den die Kirchenverwaltung verbinden möchte: Markus Crhak plant einen Kreuzweg, der von der einen zur anderen Kirche führen wird. Es soll deutlich werden: Das Herz der Pfarrei schlägt am Maxhofweg, aber die alte Kirche im Dorfkern ist das ortsbildprägende Wahrzeichen Neurieds.

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