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Bezirksbürgermeister soll versucht haben, Jury zu erpressen

Mit Drohungen soll der Bezirksbürgermeister versucht haben, einen Nominierten der SPD zum Träger der Bürgermedaille küren zu lassen.



Sollte jemand die Bürgermedaille bekommen, der dem Bezirksbürgermeister nahe steht? Reinhard Naumann (SPD), Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, soll Anfang September während einer Jurysitzung für die Vergabe der Bürgermedaille versucht haben, seinen Willen durchzusetzen. Naumann soll den Juroren zu Beginn der Sitzung gedroht haben, dass er das Treffen abbrechen würde, wenn sie nicht alle für einen Nominierten der SPD stimmten. Das geht aus Dokumenten der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hervor, die der Berliner Morgenpost vorliegen.


Nachdem sich die Jury sich geweigert habe, den SPD-Vorschlag zum Sieger zu küren, soll Naumann die Sitzung abgebrochen haben. Jede der in der BVV vertretenen Fraktionen kann Kandidaten für die Bürgermedaille nominieren, der für besondere Verdienste für den Bezirk ausgezeichnet werden soll. Aus diesem Grund sind in der Jury insgesamt acht Mitglieder aus sechs Fraktionen vertreten. Naumann ist Vorsitzender des Gremiums.

Nominierter soll bereits zwei Mal abgelehnt worden sein

Die SPD hatte vorgeschlagen, Glasermeister Sven K. aus Wilmersdorf die Bürgermedaille zu überreichen. K. sei wegen seines „ehrenamtlichen Engagements im Kiez rund um den Rüdesheimer Platz" nominiert worden, sagte Alexander Sempf, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bezirk, auf Anfrage der Berliner Morgenpost. So habe K. neben seiner unternehmerischen Tätigkeit ein Netzwerk von Anrainern aufgebaut, sich gegen Leerstand engagiert und am umweltfreundlichen Gewerbekonzept „Plastikfreies Rheingauviertel" mitgewirkt.


Mehrere Quellen, die anonym bleiben möchten, berichten, dass K. bereits in den vergangenen beiden Jahren von der SPD für die Bürgermedaille nominiert und beide Male abgelehnt worden war. Zudem sollen K. und Naumann seit Langem ein enges Verhältnis pflegen. K. soll Naumann sogar bei öffentlichen Auftritten und im Wahlkampf unterstützt haben. Darauf angesprochen, dementierte K, dem Bezirksbürgermeister in seinem Wahlkampf geholfen oder der SPD gespendet zu haben. Naumann kandidiert bei der kommenden Wahl für einen Sitz im Abgeordnetenhaus.


Die Beziehung zu Naumann sei „sachlich und respektvoll, so wie es sein soll, wenn der Bürgermeister und seine Mitarbeiter wertschätzen, was man als engagierter Unternehmer und Handwerksmeister zusammen mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für den Bezirk leistet", so K. Von seiner Nominierung für die Bürgermedaille habe er nichts gewusst.

Auf Naumanns Facebook-Seite finden sich jedoch Hinweise darauf, dass K. im Sommer dieses Jahres an mehreren öffentlichen Terminen des Bezirksbürgermeisters teilnahm. Dort veröffentlichte Fotos zeigen K. gemeinsam mit Naumann und anderen SPD-Vertretern, etwa der Spitzenkandidatin Franziska Giffey. In einem Beitrag erwähnte und verlinkte Naumann K.

Naumann schätzt K. als „engagierten Unternehmer."

Kurz nach der Berichterstattung über die Vorgänge in der Jurysitzung hat Naumann eine Pressemitteilung veröffentlicht. Er bestätigt darin, dass während der Sitzung „nach kontroverser Diskussion deutlich wurde", dass der von der SPD eingereichte „Vorschlag erneut nicht die erforderliche Einstimmigkeit erreichen würde." Den Vorwurf, er habe die Sitzung abgebrochen, weist Naumann jedoch zurück. Viel mehr sei die Sitzung auf den 13. September vertagt worden. Zu K. habe er nicht etwa „parteipolitisch motiviert ein enges Verhältnis", er schätze ihn als „engagierten Unternehmer und Handwerksmeister."


Sempf wies den Vorwurf zurück, dass die SPD „aus Gefälligkeit" Nominierte für die Bürgermedaille vorschlage. Er sei erstaunt, dass „Informationen aus solch einer vertraulichen Sitzung weitergetragen werden", so Sempf. Am Montagabend traf sich die Jury erneut, um den diesjährigen Träger der Bürgermedaille zu küren. Die SPD habe K.s Nominierung zurückgezogen, so Naumann: „Nach sachlich-konstruktiver Beratung wurden von der Jury drei Persönlichkeiten für die Verleihung der Bürgermedaille einstimmig benannt."

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