Durchfahrt verboten – dieses eindeutige Signal senden die Poller, die seit Sonnabend am Karl-August-Platz auf der Krumme Straße stehen, an Autofahrer. Viele scheint das am Montagmittag jedoch nicht abzuhalten. Auch der Fahrer einer schwarzen Limousine lässt sich von der Sperre nicht stören. Kurzerhand lenkt er ein und umfährt die Poller auf dem Gehweg des Karl-August-Platzes. Gudrun Ingratubun und Manfred Kuhnle von der Anwohnerinitiative „Karl-August-Kiez lebenswert!“ stehen nur wenige Meter entfernt. Entsetzt gehen sie auf die Limousine zu. Ingratubun holt ihr Handy aus der Jackentasche, um das Auto zu filmen. Beweismaterial für das Bezirksamt. „Nicht über den Gehsteig fahren“, schreit sie in Richtung des Autos.
Szenen wie diese verdeutlichen, wie rücksichtslos manche Verkehrsteilnehmer - ob sie nun im Auto, zu Fuß oder auf dem Rad unterwegs sind – auf neue Maßnahmen reagieren können. Wie schwer es ist, zwischen all diesen Interessengruppen einen Kompromiss zu finden. Wie sogar die Sperre einer kleinen Nebenstraße in Charlottenburg zum Politikum werden kann, aber auch zum Anlass für einen nachbarschaftlichen Dialog.
Krumme Straße seit 1. Mai 2021 für zwei Monate gesperrt
So entsteht an diesem Montag auf dem Gehweg neben den Pollern eine Diskussionsrunde zwischen Anwohnern, die sich zufällig dort getroffen haben. Kritiker und Befürworter der Sperre sind dabei. Neben Ingratubun und Kuhnle ist auch Lutz Kaufmann von der Anwohnerinitiative in die Debatte vertieft. Die Initiative hatte seit Langem eine Sperre der Krumme Straße gefordert, da sich Autofahrer dort nicht an die gebotene Schrittgeschwindigkeit halten.
Am 1. Mai ließ Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) die Straße dann auch sperren – zunächst für einen zweimonatigen Modellversuch, um die Auswirkungen auf die Nebenstraßen zu untersuchen. Feuerwehrpoller wurden mittig auf Höhe des Karl-August-Platzes aufgestellt, damit die Krumme Straße in beiden Richtungen zur Sackgasse wird. Falls das Modell positive Ergebnisse liefere, wolle er die Krumme Straße langfristig umbauen und zum Teil einer Nord-Süd-Radroute machen, erklärte Schruoffeneger in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses.
Anwohnerin: „Diese Sperre sorgt endlich für Verkehrssicherheit“
Diese Radroute sei wiederum nicht das Ziel der Initiative gewesen, sagt Kaufmann in der Diskussion mit seinen Nachbarn. Die Verkehrssperre sollte seiner Meinung nach lediglich dazu beitragen, den Karl-August-Platz sowohl sicherer als auch ansehnlicher zu machen, betont er. Dennoch freuen sich Kaufmann und seine Mitstreiter, dass nun erste Maßnahmen umgesetzt wurden. Immer wieder bleiben Passanten neben ihnen an der Sperre stehen und bedanken sich für ihren Einsatz.
Auch Anwohnerin Claudia Reuss steht einige Minuten beinahe andächtig neben den Pollern und grinst. „Diese Sperre sorgt hier endlich für Verkehrssicherheit, viele Autofahrer sind vorher einfach durchgerast“, sagt Reuss. Sie hoffe, dass die Sperrung dauerhaft bestehen bleibe.
Sperre der Krumme Straße sei „Feldzug gegen Autofahrer“
An der Diskussion nehmen jedoch auch Nachbarn teil, die skeptisch sind. Einer der entschiedensten Kritiker ist Eberhard Schmidt. Fast eine halbe Stunde lang diskutiert er mit den Mitgliedern der Bürgerinitiative. Generell freue er sich darüber, dass nun Versuche unternommen werden, die problematische Situation an der Krumme Straße zu verbessern. Die Sperre sende jedoch das falsche Signal, da sie „einen Feldzug gegen die Autofahrer“ bedeute, sagt Schmidt.
Die Poller führten zu weiteren Problemen. Am Sonnabend habe Schmidt von seinem Balkon aus beobachten können, wie sich der Verkehr vor den Pollern staute, da auf dem Karl-August-Platz der Wochenmarkt stattfand. Auch für ihn als Anwohner mit eigenem Auto seien die Poller hinderlich. Und schließlich, sagt Schmidt, verhielten sich die Radfahrer oft genauso rücksichtslos wie Autofahrer. Tatsächlich fahren während der hitzigen Debatte nicht nur einige Autos auf dem Gehweg, sondern auch Räder.
An Kreuzungen der Krumme Straße fehlen Hinweisschilder
Und auch Kaufmann ist mit der Umsetzung der Sperre nicht völlig zufrieden. Eigentlich habe die Initiative gefordert, jeweils Poller an der Kreuzung der Krumme Straße mit der Pestalozzistraße sowie mit der Goethestraße aufzustellen. Somit könnten Autos gar nicht erst an den Karl-August-Platz fahren und dort den Gehweg als Ausweichmöglichkeit nehmen. Um dieses Verhalten zu unterbinden, seien an diesen Kreuzungen zumindest Schilder nötig gewesen, die auf die Sperre hinweisen, sagt Kaufmann. Diese wurden jedoch nicht aufgestellt, viele Fahrer wenden deshalb erst kurz vor den Pollern.
Zudem sei der Wegfall der Parkplätze an der Krumme Straße ein Problem für die Nachbarschaft. „Wir hatten eigentlich gefordert, dass nur drei Parkplätze in jeder Richtung entfallen“, so Kaufmann. Nun besteht jedoch Halteverbot auf mehr als 20 Parkplätzen an der Straße, damit Autos wenden können. „Von manchen Nachbarn werden wir nun angefeindet, weil so viele Parkplätze entfallen sind“, sagt Kaufmann.
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