Zauberer David Copperfield hat einen Namensvorschlag für die Wissmannstraße in Grunewald. Was es mit seiner Idee auf sich hat.
Berlin. Das hat wohl niemand geahnt: Ein Weltstar interessiert sich für die Umbenennung der Wissmannstraße in Grunewald. Zauberkünstler David Copperfield meldet sich mit einem Namensvorschlag zu Wort, wie er der Berliner Morgenpost mitteilt. Er möchte dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf vorschlagen, die Straße nach dem jüdischen Zauberer Günther Dammann zu benennen.
Dammann wohnte zwölf Jahre lang in der Villa Beckmann an der Wissmannstraße, bis ihn Nationalsozialisten verhafteten und 1942 ermordeten. Er sei „eine tragische Figur in der Geschichte der Magie, leider nicht die einzige seiner Generation“, sagt Copperfield. Über die Leidenschaft für die Magie fühle er sich mit Dammann verbunden. Diese Verbundenheit ist so stark, dass sich Copperfield Anfang März in ein Zoom-Meeting des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf eingeschaltet hat, in dem über die Umbenennung der Wissmannstraße diskutiert wurde.
Auch die Berliner Morgenpost schaute dem Zoom-Meeting zu. Als Copperfield erfahren habe, dass das Bezirksamt nach einem neuen Namen für die Straße suche, habe er sofort an Dammann gedacht, erklärt er. Das tragische Schicksal Dammanns – die Tatsache, dass er an der Straße wohnte und arbeitete, bis er und seine Brüder gezwungen wurden, die Villa Beckmann zu verkaufen und schließlich „getötet wurden, weil sie jüdisch waren“ – habe Copperfield dazu veranlasst, sich für den Namensvorschlag einzusetzen, wie er sagt.
Da in dem Zoom-Meeting am Abend des 5. März alle Teilnehmer Deutsch sprachen, fiel es Copperfield nicht leicht zu verstehen, wie und warum der Straßenname geändert werden sollte. Dank Nachfragen der Berliner Morgenpost im Chat des Meetings habe er verstanden, dass das Bezirksamt Vorschläge von Anwohnern bis zum 9. April dieses Jahres entgegennehme, sagt er.
Copperfield schätzt Dammann nicht nur als Magier, sondern auch als Autor vieler Bücher über jüdische Zauberer. Dammann lebte von 1926 bis 1938 mit seinen Eltern und seinen beiden Brüdern in der Villa an der Wissmannstraße 17. Dort schrieb er Bücher über die Geschichte jüdischer Zauberkunst in Berlin, die inzwischen zu den Klassikern des Genres zählen. Dammann war selbst jüdischer Herkunft. Doch der Aufstieg der Nationalsozialisten setzte seinem Wirken ein jähes Ende.
Nachdem Nazis ihn 1939 verhaftet hatten, arbeitete Dammann zunächst als Zwangsarbeiter in einer Berliner Kabelfabrik. Schließlich wurde er am 5. September 1942 in ein Konzentrationslager nach Riga transportiert. Als Dammann drei Tage darauf in Riga ankam, wurde er sofort von NS-Soldaten erschossen. Er starb im Alter von nur 32 Jahren. Dammanns Brüder Joachim und Egon, die mit ihm verhaftet wurden, fanden Anfang der 1940er Jahre in den Konzentrationslagern Groß-Rosen und Auschwitz den Tod.
Copperfield setzt sich dafür ein, dass Dammanns Verdienste als Chronist jüdischer Zauberer nicht in Vergessenheit geraten. „Die Geschichte der Magie ist meine Leidenschaft und Dammann hat diese Leidenschaft offenbar geteilt, wobei er sich vorrangig mit seinem jüdischen Erbe befasst hat“, sagt Copperfield. Mit Dammanns literarischem Vermächtnis hat sich Copperfield intensiv beschäftigt. So ersteigerte er vor Kurzem das Buch „Die Juden in der Zauberkunst“, das Dammann 1933 in der Villa an der Wissmannstraße geschrieben hatte.
Momentan führt er Verhandlungen, um weitere Werke Dammanns zu erwerben. Beim Lesen des kürzlich ersteigerten Buchs habe er interessante Details über die Auftritte seiner Vorbilder in Berlin gelernt, erzählt Copperfield. Viele von ihnen, darunter der berühmte US-amerikanische Entfesselungskünstler Harry Houdini (1874 bis 1926), seien „zufällig“ jüdischer Herkunft gewesen, sagt er. Auftritte und Shows, mit denen Copperfield weltberühmt wurde, waren von Houdinis Zauberkunst inspiriert. So auch seine 1987 gefilmte Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz in San Francisco.
Da er nicht in Charlottenburg-Wilmersdorf wohnt, kann Copperfield selbst keinen Namensvorschlag für die Wissmannstraße einreichen. Er hat verschiedene Wohnsitze, etwa in Las Vegas oder auf seiner privaten Bahamas-Insel Musha Cay, nicht aber in Berlin. Auf der Suche nach einem Bewohner des Bezirks wurde Copperfield auf Freddie Rutz aufmerksam. Rutz arbeitet ebenfalls als Zauberkünstler, wohnt an der Schloßstraße in Charlottenburg und ist Vorsitzender des Magischen Zirkels Berlin.
Vermittelt wurde der Kontakt von Richard Hatch, einem US-Magier, der Dammanns Bücher ins Englische übersetzt. Nun arbeiten Copperfield, Hatch und Rutz gemeinsam an dem Namensvorschlag, den sie dem Bezirksamt schicken. Rutz sagte, er freue sich, ihn einzubringen – zum einen, weil er „das tragische Schicksal Günther Dammanns publik machen“, zum anderen, weil er „einen Beitrag zur Aufklärung der deutschen Kolonialgeschichte“ leisten wolle.
An dieser Kolonialgeschichte war Gouverneur Hermann von Wissmann, nach dem die Straße benannt wurde, maßgeblich beteiligt. Wissmann, der von 1853 bis 1905 lebte, werfen Linke vor, als Kolonialbeamter für brutale Verbrechen an Tausenden Menschen im damaligen Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Burundi und Ruanda) verantwortlich gewesen zu sein. In ganz Berlin gibt es inzwischen Bestrebungen, verschiedene Straßennamen, die durch die deutsche Kolonialgeschichte geprägt wurden, aus dem Stadtbild zu verbannen.
So wurden bereits neue Namen für die Mohrenstraße in Mitte und eine weitere Wissmannstraße in Neukölln gesucht. Die Straße im Grunewald bekam ihren Namen noch zu Lebzeiten Wissmanns. Damit sollte der Gouverneur, der selbst einige Monate in der Villenkolonie Grunewald lebte, für den Kampf gegen die Rebellion in Ostafrika geehrt werden.
Die Zauberer wollen nun erreichen, dass Dammann diese Ehre zuteilwird. An Dammanns Werk schätzt Copperfield vor allem die präzise Recherche und seine Liebe zum Detail. Niemand zuvor habe Bücher über das jüdische Erbe der Zauberkunst geschrieben, betont er. So erfuhr Copperfield erst durch Dammanns Buch von einem Auftritt Houdinis, bei dem er sich in der Versandabteilung des Kaufhauses Des Westens (KaDeWe) aus einer Verpackungsbox befreit hatte. Das sei nur ein Beispiel für die Details, die nur bei Dammann, aber „nirgendwo sonst“ zu finden seien, sagt Copperfield.
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