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Abriss der historischen Villa Poelzig soll verhindert werden

Eine Initiative will den Abriss der Villa Poelzig verhindern. Entworfen wurde sie von einer Feministin: Marlene Moeschke-Poelzig.


Berlin.  An den Wänden wächst Moos, das Dach ist teilweise abdeckt, Schnee liegt in den Innenräumen – die Villa Poelzig in Westend ist in keinem guten Zustand. Ein unbekannter Investor hatte das Grundstück an der Tannenbergallee 28 gekauft und will das historische Gebäude nun abreißen. Doch dagegen rührt sich Widerstand: Neben der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf setzt sich auch eine Initiative für den Erhalt der Villa ein. Denn das Haus hat eine wechselhafte Geschichte – so wurde es etwa in den 1940er-Jahren vom NS-Propagandisten Veit Harlan, dem Regisseur des Nazi-Films „Jud Süß“, bewohnt. Entworfen wurde die Villa jedoch von einer frühen Feministin: Marlene Moeschke-Peolzig, der Ehefrau des Architekten Hans Poelzig.


Die Familie Poelzig lebte von 1930 bis 1936 in ihrer Villa in Westend. Während ihr Mann etwa durch seine Entwürfe für das Haus des Rundfunks zu einem der renommiertesten Architekten Deutschlands wurde, prägte auch Moeschke-Peolzig das Berliner Stadtbild durch ihr Design. Sie arbeitete gemeinsam mit ihrem Mann ab 1920 im Bauatelier Poelzig. Dabei entwarf sie unter anderem die Beleuchtungskörper im Foyer des Hauses des Rundfunks. Die Villa Poelzig ist das einzige Bauwerk, bei dem belegt ist, dass die Architektur ausschließlich auf Pläne von Moeschke-Peolzig zurückgeht.


Christoph Rauhut, Direktor des Landesdenkmalamts, bezeichnet Moeschke-Poelzig als eine der „herausragenden Pionierinnen“, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts als Architektin in ein von „Männern dominiertes Arbeitsfeld gewagt“ habe. Dass nun versucht werde, den Abriss der Villa Poelzig zu verhindern, sieht Rauhut als „Zeichen dafür, dass dem historischen Oeuvre von Architektinnen heute ein hohes Interesse zukommt“.


Das Landesdenkmalamts könne den Abriss aber nicht verhindern. Weder das Gebäude noch die umliegende Gartenanlage konnten – trotz wiederholter Prüfung – unter Denkmalschutz gestellt werden. Haus und Garten seien wegen zahlreichen Besitzerwechseln in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder umgebaut worden – und zwar in einem „so umfänglichen Maß“, dass die Eintragung in die Berliner Denkmalliste nicht „gerechtfertigt werden kann“, führt Rauhut aus. Da das Gebäude nicht denkmalgeschützt ist, wurde die Abrissgenehmigung bereits erteilt.


Die Bezirks-SPD möchte sich dafür einsetzen, dass die Villa nicht abgerissen wird. Dabei will die Fraktion eine Initiative unterstützen, die sich ebenfalls für den Erhalt engagiert. Diese sammelte auf einer Petitionsplattform im Internet Unterschriften von mehr als 4800 Unterstützern. Die Petition ist inzwischen geschlossen. Sie wurde aber in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses thematisiert.


Dort forderte die SPD in einem Antrag, in einer Ausstellung im Museum Charlottenburg-Wilmersdorf die Geschichte des Hauses Poelzig und seiner Eigentümer darzustellen. In einem weiteren Antrag hatte sie gefordert, die Aufnahme der Villa in die Landesdenkmalliste erneut zu prüfen. Hierzu ließ Christiane Timper, kulturpolitische Sprecherin der SPD, ein Gutachten erstellen. Dort wird die Möglichkeit aufgeführt, die Villa samt des umliegenden Gartens, der ebenfalls nach Moeschke-Poelzigs Plänen entworfen wurde, noch einmal einer denkmalschutzrechtlichen Prüfung zu unterziehen.


Landeskonservator Rauhut erklärte auf Anfrage, dass das Haus auch dann nicht unter Denkmalschutz gestellt werden könne, wenn es gemeinsam mit der Gartenanlage geprüft werde. Der Garten sei seit seiner Entstehung ebenfalls zu oft umgebaut worden, begründet Rauhut. Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) erklärte in der Ausschusssitzung, sie hege „große Sympathie für die Erhaltung und Geschichte des Hauses“.


In ihrem Antrag schildert die SPD die Historie des Gebäudes: Nachdem die Familie Poelzig 1937 aus der Villa auszog, kaufte sie NS-Propagandafilmer Veit Harlan. Er wandelte das Atelier von Hans Poelzig zu einem Raum für die Vorführungen seiner Filme, nahm jedoch ansonsten keine Veränderungen am Bau vor. Harlan lebte vermutlich bis 1945 in der Villa.

Nach dem Krieg wurde das Haus an das damalige Schifffahrtsunternehmen Westfälische Transport AG verkauft. Der Architekt Willi Schreiber ließ den Vorführraum wieder abreißen und baute das Haus um. Aus dem Vorführraum wurden nun Schlafzimmer, Bad, Schrankraum und Flur. Das Flachdach und das Obergeschoss der Villa wurden abgerissen. Anstelle eines Flachdachs wurde ein Walmdach installiert. Bis heute wechselte das Haus häufig den Besitzer.


Um die Villa wieder als historisches Gesamtkunstwerk in Szene zu setzen, seien „erneut Abrisse und Teilrekonstruktionen nötig“, sagt Landeskonservator Rauhut. Dies mache nur Sinn, wenn das Haus anschließend „als Museum, Ausstellungs- oder Veranstaltungsort“ genutzt werde. Für die Entwicklung eines solchen Konzept stehe das in Landesdenkmalamt „gerne zur Verfügung“, obwohl es das Haus nicht unter Denkmalschutz stellen könne, sagt er.

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