„Es wird Schluss sein mit der Atomkraft am 15. April", legt Göring-Eckardt sich fest
Bei Plasberg diskutieren die Gäste über den Machtbrief des Bundeskanzlers. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und Thorsten Frei (CDU) überhäufen sich mit Vorwürfen zur bisherigen Energiepolitik. Über allem steht die Frage: Wie kommen wir über den Winter?
Am Montagnachmittag gab es Post vom Bundeskanzler: Ein Machtbrief von Olaf Scholz, der die Laufzeit der Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über das Ende dieses Jahres bis zum 15. April 2023 weiter verlängern will. Adressiert an Umwelt-, Wirtschaft- und Finanzministerium.
Nach Wochen, in denen man von Scholz nichts hörte zum Streit um die AKW-Laufzeiten zwischen den beiden Koalitionspartner Grüne und FDP, folgte damit eine klare Ansage. Scholz nutzte dafür seine Richtlinienkompetenz.
Das war Anlass für Frank Plasberg mit den Gästen seines ARD-Talks „Hart aber fair" über die Entscheidung, die Gaspreisbremse und die Frage zu diskutieren: Wie kommen wir bei der aktuellen Preisentwicklung über den Winter?
Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Thorsten Frei (CDU) diskutierten hitzig über Für und Wider der bisherigen und jetzigen Regierungsentscheidungen. Eva Quadbeck, Leiterin des Hauptstadtbüros des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) kommentierte das Geschehen und die Debatte, Jens Südekum, Professor für Internationale Ökonomie an der Universität Düsseldorf, ordnete die aufkommenden Fragen nach ihrer Priorität ein. Gastronom Antonio Link berichtete von der Überlebensstrategie seines Restaurants in Dortmund. Und der Politikwissenschaftler Frank Umbach sprach über die Gefahren von Sabotagen und Blackouts.
Für Frei, den ersten Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war Scholz Machtbrief „etwas total Außergewöhnliches". Frei monierte, dass Scholz „sein schärfstes Schwert zieht und dann am Ende trotzdem nur ein fauler Kompromiss rauskommt". Er verwies auf die Winter in den Jahren 2023 und 2024, die laut Internationalem Währungsfonds (IWF) „sehr viel härter" werden als der nun kommende.
„Ich würde nicht so weit gehen, dass ich sage Schmierentheater, aber Theaterdonner war es schon", kommentierte Journalistin Quadbeck Scholz' Richtlinienkompetenz. Eigentlich sei dies ein politisches Instrument, „das man nicht wirklich anwendet, sondern das man hat und das dann dafür sorgt, dass sich die Reihen in irgendeiner Form schließen und man Kompromisse findet". Dieses Mittel „kann man einmal in der Wahlperiode anwenden und das ist hiermit vergeben", ergänzte Quadbeck.
Grünen-Politikerin Göring-Eckardt bestritt Plasberg gegenüber, den Machtbrief des Kanzlers als Blamage anzusehen. Für sie zählte: „Es wird Schluss sein mit der Atomkraft am 15. April, das ist jetzt eindeutig." Für den Koalitionspartner FDP ist das allerdings noch längst nicht ausgemachte Sache.
Ökonomie-Professor Südekum ergänzte: „Es ist ja auch plausibel zu sagen, man sollte nicht inmitten einer Energiekrise laufende AKWs abschalten." Frei kritisierte diesen „faulen Kompromiss" scharf und sagte, „dass wir europäische Solidarität mit Füßen treten". Es würde nicht funktionieren, dass Deutschland auf der einen Seite Kraftwerkskapazitäten abschalte und gleichzeitig erwarte, „dass andere uns Strom und Gas zur Verfügung stellen".
Gastronom Link aus Dortmund berichtete über die Überlebensstrategie seines Restaurantbetriebes. Die Energiekosten lägen inzwischen bei 900 Euro pro Tag. „Der Rattenschwanz, der dazugehört, die Lieferkosten, der Warenkauf verteuert sich ja auch automatisch", schilderte Link. Pfifferlinge habe er von der Karte genommen, dafür versuche er Wärmevorhänge zu installieren. An drei Tagen die Woche sei das Restaurant nun geschlossen. Und „was ist dann erst mit der Preisentwicklung im Winter, wenn wir Minusgrade haben?", fragte sich der Gastronom. „Ich brauche jetzt Hilfe als Familienvater und als Unternehmer."
Göring-Eckardt äußerte Verständnis, „dass diese Unsicherheit total groß ist". Es gebe derzeit eine Vielfalt an Krisen, bei denen es nicht nur um einen Wohlstandsverlust gehe, sondern um existenzielle Frage. Auf Plasbergs Nachfrage, warum es in Deutschland so langsam vorangehe mit der Strompreisbremse, während dieses Instrument in mehreren europäischen Ländern bereits gut umgesetzt werde, antwortete Göring-Eckardt ausweichend und kurz: „Mir geht es auch zu langsam".
Immer wieder gerieten die beiden Politiker im Studio aneinander, wenn die Frage aufkam, wie Deutschland in solch eine Lage geraten konnte. Göring-Eckardt verwies auf die unter CDU-Regierungskurs größer gewordene Abhängigkeit von Russland und den Ausbau von Nord Stream 2 in den vergangenen Jahren. Frei warf der Grünen-Politikerin vor, dass bei den beiden Entlastungspakten dieses Jahres erst Rentner, dann Unternehmen vergessen worden seien.
Explosionen an den Gaspipelines von Nord Stream 1 und 2, durchgeschnittene Glasfaserkabel, die in halb Deutschland den Zugverkehr vergangene Woche lahmlegten: Die Gefahren von Sabotagen und Blackouts nehmen zu.
Umbach gab als Experte mit Schwerpunkt Energiesicherheit und Sicherheitspolitik einen Einblick auf die Dimension dieser Gefahren. „Bei den Sabotageakten, die wir hier haben, muss man allerdings politische Motivation unterstellen."
Es gebe bei diesen Sabotagen keine Bekennerschreiben oder Erpresserbriefe. Die aktuellen Vorfälle „könnten sich einreihen in eine Reihe von Entwicklungen, wo man signalisieren will gegenüber dem Westen, wie verwundbar wir sind". Der deutliche Appell des Sicherheitsexperten zum Ende der Sendung war deshalb: „Auch gegen diese Gefahren müssen wir uns besser wappnen".
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