Panorama „Maischberger"
Müssen die drei letzten deutschen Atomkraftwerke am Netz bleiben? Ein Gast bei „Maischberger" beantwortete die Frage mit einem klaren Ja. Ihre erschütternde Geschichte erzählte eine junge Ukrainerin, die das Massaker von Butscha zur Witwe machte.
Nach Ende des G-7-Gipfels auf Schloss Elmau bleibt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem internationalen Publikum nicht nur dadurch in Erinnerung, dass er eine Journalistin der Deutschen Welle arrogant abblitzen ließ - er schlug der Gruppe der demokratischen Wirtschaftsmächte auch einen internationalen Klimaclub vor. Und erhielt von den anderen Regierungschefs dafür grünes Licht.
Rainer Hank, Journalist der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", war von dieser Idee begeistert. „Das ist eine geniale Idee", sagte er in der Talkshow „Maischberger", in die er zusammen mit Deutschlandfunk-Journalistin Sabine Adler und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen eingeladen war.
Während im Pariser-Klimaabkommen bisher ausschließlich Absichtserklärungen beschlossen worden seien, erläuterte Hank, unterscheide sich der Klimaclub in entscheidenden Punkten. „Es schließen sich die Willigen zusammen zu diesem Club und sie verpflichten sich, CO2 zu bepreisen. Man verpflichtet sich in der Aufnahme zu dieser Steuer."
Diejenigen, die beim Klimaclub nicht mitmachten, könnten ihre Waren zwar aufgrund günstigerer Produktionskosten auch günstiger in den Club importieren. Der Club wiederum würde diese Länder dann aber mit einem Importzoll belegen. „Das heißt, es wird für die, die nicht mitmachen, teurer, weil sie sich dem Klimaziel verweigern."
„Die Klimakrise ist mit Abstand die größte Bedrohung im 21. Jahrhundert", sagte Eckart von Hirschhausen. „Naturgesetze sind nicht verhandelbar." Medial gerate die Klimathematik dennoch immer wieder „aus dem Fokus."
Der aktuelle Krieg in der Ukraine zeige nun umso deutlicher, dass in diesem Jahrhundert die großen Krisen gelöst werden müssten und man sich nicht „im Klein-Klein" verlieren dürfe. Denn „Krise ist das neue Normal" - davon war der Fernsehmoderator überzeugt.
Grünen-Chefin Ricarda Lang wandte sich gegen eine Verlängerung der letzten drei aktiven Atomkraftwerke in Deutschland nach Jahresende. Der CDU-Politiker Thorsten Frei hingegen erklärte, dass die „Atomkraftwerke fortlaufend auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten" würden, auch nach 2022. „Mit den Erneuerbaren allein wird man für den nächsten Winter nichts erreichen können", sagte Frei.
Dem setzte Lang entgegen: „Robert Habeck hat letzte Woche die Alarmstufe 2 ausgerufen, was das Thema Gas angeht." Damit würden die „Speicher" noch schneller aufgefüllt werden, die Industrie werde zudem mit Anreizen angehalten, Gas einzusparen und kurzfristig werde Kohle nochmals stärker genutzt.
Mit Blick auf Habecks Appelle, kürzer zu duschen und auf einen energiesparenden Duschkopf umzusteigen, sagte Lang: „Wenn wir die Bürger als Erwachsene behandeln, werden wir so eine gewisse Renaissance des mündigen Bürgers erleben. Dabei müssen wir sozial vorgehen, weil nicht jeder kann gleich Energie sparen."
Frei widersprach: „Das wird allein nicht helfen.", entgegnete er und rechnete Maischberger vor, dass die Energiespeicher laut aktuellem Stand bis zum Winter nicht vollends aufgefüllt werden könnten.
„Ich möchte keine Öko-Diktatur", entgegnete Journalistin Sabine Adler. Sie wünsche sich von Bundeskanzler Olaf Scholz eine klarere Stellungnahme, ob er nun auf Erziehung der Bürger oder eine mündige Bevölkerung setze.
Mit Blick auf das 9-Euro-Ticket setzte sich die Grünen-Parteivorsitzende für eine Evaluation ein, die in Betracht ziehe, wie genau das Ticket verwendet wurde. Danach sollten weitere Beschlüsse folgen, wie der ÖPNV-Betrieb besser genutzt werden könne. Es sei wichtig, „zielgerichteter zu werden". Dafür „brauchen wir ein neues soziales Sicherheitsnetz.", sagte Lang.
Fernsehmoderator von Hirschhausen ergänzte die Thematik um die provokante Frage: „Was werden uns zukünftige Generationen weniger verzeihen? Gestiegene Spritpreise oder für immer gestiegene Meeresspiegel?" Journalistin Adler warf kritisch ein: „Aber wir sollten nicht die demokratischen Spielregeln außer Kraft setzen."
In einem kurzen Exkurs stellte Eckart von Hirschhausen seinen Dokumentarfilm zu Long-Covid-Patienten vor und erzählte von den Symptomen dieser Krankheit - von schwerer Erschöpfung bis zu einem Immunsystem, das den eigenen Körper bekämpft.
Die Patienten würden aber oft allein gelassen. „Weil die Anlaufstellen nicht da sind, weil die Forschung nicht klar ist, weil wir das Thema im Prinzip aussitzen."
Aus Kiew zugeschaltet berichtete Hanna Polonska als letzter Gast der Sendung über ihre Flucht aus Butscha. Nur fünf Minuten nach Beginn der Gräueltaten der russischen Truppen in dem Kiewer Vorort versuchte die schwangere Polonska im Auto zusammen mit ihrem Mann zu fliehen. Während ihr Mann in dem stark beschossenen Auto nach wenigen Minuten bereits verstarb, überlebte sie mit schwersten Verletzungen.
Mit Unterstützung einer Gehhilfe sei es ihr nun wieder möglich, von ihrer Unterkunft in Kiew bis in einen nahegelegenen Park zu laufen. „Es ist ein Wunder, dass ich am Leben geblieben bin", erzählte sie den Talkshow-Gästen. Die meisten Menschen, denen sie begegnete, hätten vor allem sehr große Angst. Ihr Appell an die deutsche Politik: „Wir müssen uns verbinden, um gegen diesen Aggressor zu kämpfen!"
Journalistin Adler ergänzte diese Eindrücke um die Erfahrungen des russischen Tschetschenienkrieges. Auch dort waren unter Putin schlimmste Gräueltaten verübt worden: „Es ist ein Folterregime", sagte sie. Jeder, der sich in den von russischer Seite besetzten Gebiete in der Ukraine nicht sofort bedingungslos ergebe, sei in Lebensgefahr.
Zum Original