Panorama TV-Kritik „Maybrit Illner"
Als Vertretung für Maybrit Illner fragte Marietta Slomka ihre Gäste, wie es im Ukraine-Krieg weitergehen werde. Einig waren sich diese, dass Putin nicht gewinnen dürfe. Doch während die einen auf eine Verhandlungslösung hoffen, fürchten andere einen Auszehrungskrieg.
Am Donnerstag trafen sich Nato, G7 und EU zu Gipfeltreffen in Brüssel. US-Präsident Biden betonte die Geschlossenheit des Westens gegenüber Putin. Die Nato sei noch nie so geeint gewesen wie heute, sagte Biden auf dem Gipfel. Putin habe mit dem Einmarsch in die Ukraine genau das Gegenteil dessen erreicht, was er wollte, so der US-Präsident.
Doch tut der Westen genug? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Gäste zusammen mit der eingesprungenen Moderatorin Marietta Slomka in der Talkshow „Maybrit Illner". Der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, Alexander Rodnyansky, verdeutlichte die ukrainische Perspektive auf den Krieg.
Die zugeschaltete Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley (SPD), berichtete von der Lage in Brüssel. Ihr parteipolitischer Gegenpart war Norbert Röttgen von der CDU.
Florence Gaub, stellvertretende Direktorin des Europäischen Instituts für Sicherheitsstudien in Paris und Constanze Stelzenmüller, Expertin für transatlantische Beziehungen und Sicherheitspolitik in Washington, ergänzten die Talkrunde mit der europäischen und US-amerikanischen Perspektive.
Der Kreml-Chef verschärfte diese Woche seine Kriegsführung und reagierte auf die Sanktionen des Westens: Zukünftig will er für Energielieferungen nur noch Rubel akzeptieren. Damit versucht er seine strauchelnde Währung zu stützen und gleichzeitig die Sanktionen auszuhebeln. Selenskyjs Wirtschaftsberater Rodnyansky hält dieses Vorgehen für „symptomatisch".
„Natürlich ist das einerseits ein gutes Zeichen, dass die Sanktionen auch wirken, anderseits ist es ein schlechtes Zeichen, dass das russische Regime auch dagegenwirken kann." Der Westen müsse nun sehr aufpassen, dass es Russland nicht gelinge, die bisher verhängten Sanktionen auf diese Weise zu umgehen, so Rodnyansky.
Er hält daher einen Stopp der europäischen Importe von russischem Öl und Gas für unumgänglich. Wenn diese nicht gestoppt würden, werde „die Kriegsmaschinerie nicht zum Stillstand" kommen, sagte der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
„Das Maß an Geschlossenheit in der Europäischen Union ist schon sehr beeindruckend", schilderte Katarina Barley ihre Eindrücke aus Brüssel. Es gebe eine große Schnelligkeit und Entschlossenheit. Die Amerikaner würden „nicht nur mit uns reden, sondern in Engführung konsultieren", ergänzte die in Washington lebende Constanze Stelzenmüller.
Der einzige Wackelkandidat bei den Abstimmungen sei Ungarn, fuhr Barley fort. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán betreibe „ein doppeltes Spiel. Er war immer sehr nah an Putin dran." Dennoch stimmten auch die ungarischen EU-Abgeordneten bisher den entsprechenden Beschlüssen zu.
Röttgen betonte die Leistungen und die Unterstützung, die Deutschland bisher für die Ukraine erbracht habe, bereits bevor Putin in die Ukraine einmarschierte. Der Kurswechsel und Traditionsbruch hin zu Waffenlieferungen, das Ende von Nord Stream 2 und der Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverbund SWIFT seien für Deutschland nicht leicht gewesen. Aber, so betonte der CDU-Politiker: „Es geht darum, dass Putin nicht gewinnt."
Seine Feststellung dennoch: Deutschland handle zu zögerlich. „Wir tun nicht alles." Deutschland sei der viertgrößte Waffenexporteur der Welt, „aber Dänemark überholt uns" bei den Waffenlieferungen in die Ukraine. Das müsse sich ändern.
Außerdem müsse transparent gemacht werden, was Deutschland konkret tue, um die Ukraine zu unterstützen. Denn: „Wenn Putin gewinnt, dann wird die Welt die Lehre gezogen haben: Krieg als Mittel der Politik hat sich gelohnt".
Sicherheitsexpertin Florence Gaub kritisierte den Umgang der Nato mit dem Konzept der Abschreckung. Dass die Nato Putin immer wieder bereits im Voraus angekündigt habe, „mach Dir mal keine Sorgen, militärisch wird Dir schon nichts passieren", habe ihn ermutigt. „Nicht die Bombe ist die Waffe, sondern die Angst vor der Bombe." Das Spiel mit der Angst sei Putins Kalkül, mit dem er versuche uns zu manipulieren.
Die Friedensverhandlungen seien „nur ein Täuschungsmanöver, um dem Westen zu zeigen, wir sind bereit, Frieden zu schließen", sagte Rodnyansky mit Blick auf die vermeintlichen Verhandlungsangebote des Kremls. Es gebe für die Ukraine Lösungsmöglichkeiten, auf die sie sich mit Russland einigen könnte.
„Wir können über den neutralen Status der Ukraine reden, solange es Sicherheitsgarantien gibt, wir können über die Sprache reden, da gab es niemals irgendwelche Probleme." Unverhandelbar seien hingegen die „territoriale Integrität" der Ukraine, auch die Krim „herzugeben" sei keine Option, antwortete Rodnyansky auf Slomkas Frage.
Auch hier könne aber ein Handelsembargo für Öl und Gas wirken. Denn das würde nicht nur den Krieg stoppen, sondern auch Repressionen im Inneren Russlands ein Ende setzen, argumentierte Rodnyansky. „Wir verfolgen damit beide Ziele gleichzeitig. Wir stoppen einerseits den Krieg und fördern eine demokratische Entwicklung innerhalb Russlands." Mit einem „zukünftigen demokratischen Russland" könne man dann „vielleicht auch reden".
Röttgens Prognose zufolge werde es zu einem „Auszehrungskrieg" kommen, der nur von Russland selbst beendet werden könne, wenn die russische Bevölkerung protestiere oder vom „Militär die Befehle nicht mehr ausgeführt werden".
Nach Barleys Überzeugung hingegen könnte Putin auch „eine Lügengeschichte dafür erfinden, warum er sich jetzt wieder zurückzieht." Die Frage am Ende aller Verhandlungen sei: „Ist das eine Lösung, die ihm reichen würde, um sich gesichtswahrend zurückziehen zu können?"
Stelzenmüller sah die Perspektiven kritischer: „Ich sehe einfach keine Verhandlungslösung, die stabil ist." Putins Logik sei: „Weitermachen, weitermachen, weitermachen."
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