Juan Carlos Arancibia Navarro wird von Kritikern als ein „unglaublicher Könner an der Gitarre“ bezeichnet. Vor zehn Jahren verschlug ihn das Studium nach Deutschland. Seit 2014 ist Navarro Lehrbeauftragter an der Technischen Universität (TU) in Dortmund und leitet das Gitarrenensemble der TU. Im Interview mit Blickpunkt Lateinamerika spricht er über die ferne Heimat, Leidenschaft und was ihn irre macht.
Die Gitarre auf den Schenkel gestützt, fest gegen den Oberkörper gedrückt - so sitzt Juan Carlos Arancibia Navarro auf der Bühne in Dortmund und spielt das peruanische Volkslied „El cóndor pasa". Der 34-Jährige preisgekrönte Gitarrist ist ein Meister seines Instruments.
Blickpunkt Lateinamerika: Sie haben fünf Jahre am Konservatorium in Lima studiert. Was hat für Sie den Reiz ausgemacht, nach Deutschland zu kommen?
Navarro: Die Möglichkeiten, sich als Musiker zu entwickeln, sind in Peru nicht so groß. Die klassische Musik ist in ganz Lateinamerika nicht so bekannt und wird nicht so stark gefördert wie hier. Deutschland verfügt sozusagen über die besten Komponisten aller Zeiten: Johann Sebastian Bach oder Ludwig van Beethoven. Klar hat Italien beispielsweise Vivaldi und andere. Aber für mich steht fest: Wenn es um klassische Musik geht, dann ist Deutschland die Nummer Eins.
Was macht für Sie klassische Musik aus?
Ich bin sehr viel mit Rock aufgewachsen. Und wenn man viel Rock spielt, merkt man, dass die musikalische Kreation relativ begrenzt ist. Das kann man bei einer Bach Fuge nicht sagen. Sie ist musikalisch ausgefeilt - auf höchstem Niveau. Das macht mich nach wie vor irre, wenn ich solche Musik höre oder sie selbst spiele.
Haben Sie eine besondere Art und Weise, wie Sie klassische Musik spielen?
Ich glaube, die fachliche Beurteilung überlasse ich den Zuhörern. Ich kann nur sagen, dass ich jedes Mal, wenn ich spiele, alles gebe, was ich habe. Meine ganze Liebe steht für die Musik, die Gitarre. Und wenn die Zuhörer diese Liebe spüren können, dann ist mir das gelungen.
Ich bin Interpret und ich versuche teilweise die Geschichte hinter der Musik zu entdecken. Die Lebensgeschichten nehmen wir als Spieler manchmal nicht richtig wahr. Wir haben die Noten, wir spielen sie. Klingt gut? Ok. Fertig. Aber das Gefühl, was der Komponist beim Schreiben der Noten hatte, das kennt niemand. Das zu entdecken, reizt mich sehr. Ich versuche dann die Idee des Komponisten dem Publikum zu vermitteln. Natürlich gibt es noch hunderte Sachen, die wir im Studium lernen - und nicht umsonst so viele Jahre: Technik, Stil sollte man natürlich beachten. Aber der Kern bleibt, dass das Publikum die Botschaft des Komponisten spüren kann.
Ihre ersten Erfahrungen mit der klassischen Musik haben Sie in Peru gemacht. Glauben Sie, dass Sie Ihre Heimat in ihrer Art zu spielen beeinflusst hat?
Was ich sehe, was ich spüre und was ich lese - auch in der Presse oder von Zuhörern - ist, dass meine Spielweise leidenschaftlicher ist als die von anderen Gitarristen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich aus Südamerika bin. (lacht) Natürlich liegt mir die lateinamerikanische Musik einfacher in der Hand, wenn man das so sagen kann. Es gibt viele Rhythmen, die man nicht erklären kann, wenn man sie nicht im Gefühl hat. Tango oder Marinera - das kann man nicht einfach auf Noten übertragen. Bis zu einem bestimmten Punkt geht das, aber die Feinheiten nicht mehr.
Also kann man diese Musik nicht lernen?
Man kann es lernen. Klar. Aber wenn man in Südamerika geboren wurde, ist es einfacher. Ich bin sicher, die Deutschen würden auch merken, wenn ein Südamerikaner deutsche Musik wie Schlager spielt oder dazu tanzt. (lacht) Sie leben seit über zehn Jahren nicht mehr in Peru.
Vermissen Sie ihre Heimat?
Manchmal ja, manchmal nein. Peru fehlt mir besonders beim Essen. Ich glaube, es geht allen Peruanern so: Das Erste, was sie vermissen, ist das Essen. Danach kommt die Familie. (lacht) Natürlich vermisse ich auch meine Familie und meine Freunde. Sicherlich schließt man Freundschaften auch im Studium oder auf der Arbeit, aber die sind anders. Man hat nicht dieselben Erlebnisse wie zu Schulzeiten.
Beruflich reisen Sie für Konzerte öfters nach Peru. Wollen Sie irgendwann zurück nach Lima oder sehen Sie Ihre Zukunft in Deutschland?
Erstmal bleibe ich in Deutschland. Mein Job an der Uni ist relativ neu. Außerdem habe ich das Gitarrenfestival in Dortmund gegründet, das 2017 zum ersten Mal stattfand. Meine CD ist gerade mal ein Jahr alt und bald kommt die nächste. Es gibt noch viele Dinge, die ich zu Ende bringen möchte, bevor ich auf die Idee komme, wirklich zurückzukehren.
Interview: Laurine Zienc Zum Original