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„Raus muss alles, was den Raum verstellt und auch das Denken"

[Foto: Laura Lindemann]

Damals wie heute ist das Bauhaus und die damit verbunden Werte und Visionen ein wichtiger Bestandteil der Architekturwelt. Von ihm profitierten nicht nur Studierende und Künstler*innen, sondern auch das heutige Ikea Billy-Regal.

In jedem teuren Designerladen stehen sie für die Schickeria der Stadt zum Kauf bereit. Die Bauhausmöbel. Dort, wo ein Stuhl heute meist nicht unter 2000 Euro kostet, ließ der Architekt und Bauhausgründer Walter Gropius die geometrischen Wassily Stühle im Jahr 1919 für die Massenproduktion anfertigen. Sein Ziel war eine Demokratisierung der Gesellschaft, an der er alle Menschen teilhaben lassen wollte. „Gropius träumte von geschworenen Gemeinschaften, der Schule der Gesellschaft", beschreibt der freie Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus Dessau, Thomas Altmann. „Heutzutage begegnet uns das Bauhaus meist nur in der Wirtschaft, also völlig gegen den Gedanken des Erfinders."

Schon in den Jahren 1910/11 lieferte Walter Gropius den Vorgängerbau und errichtete zusammen mit dem Architekten und Designer Adolf Meyer die Fabrikanlage Fagus-Werk in der Kleinstadt Alfeld an der Leine. Dieses Bauwerk gilt als eines der ersten Industriebauten und Vorreiter des Bauhauses.

Der Name Bauhaus leitet sich durch die gotischen Bauhütten ab. „Gropius fand diese Hütten interessant, weil dort Künstler und Handwerker eng zusammengearbeitet haben", weiß Sophia Engert, Architekturstudentin an der Bauhaus Universität Weimar. So bezieht sich der Name Bauhaus auf das Zusammenführen der Künste an einem Ort. Für Gropius war die Kunst eine Steigerung des Handwerks, da für ihn nur das Handwerk zur Kunst als lehrbar galt. „So sprach man im Bauhaus auch nicht von Professor und Student, sondern von Meister und Schüler. Die Werkstätten waren hier zum Lehren essenziell", so Sophia. Vorträge, Kostümfeste, Theater und Musik waren fester Bestandteil an der 1919 gegründeten Bauhaus Universität in Weimar. „Die Studierenden lebten wegen der schwierigen Wohnungssituation teilweise in den Ateliers", beschreibt Sophia. So sei die Uni ein wichtiger sozialer Treffpunkt gewesen. „Die Feierkultur führen wir auch heute noch fort", sagt sie lachend. Das Ikea Billy-Regal fand sich schon zu Bauhaus-Zeiten in den Studierenden-WGs wieder, da es praktisch und platzsparend war.

Die Zeit des Funktionalismus

Bei seinen Bauten addiert Gropius elementare geometrische Formen. Es scheint, als würde er für seine Häuser lauter Funktionsblöcke nehmen und diese übereinanderstapeln. Der Form nach spricht man hier von einem Baukastensystem. „Das Haus war verglichen zum Jugendstil nicht mehr Schmuckträger von etwas, sondern galt der reinen Funktion", berichtet Altmann. „Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Funktionalistischen Phase." Funktion war in Zeiten der Industrialisierung essenziell. Für Oskar Schlemmer, der von 1921 bis 1929 Meister am Bauhaus war, ist das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine ein wichtiges Thema. Denn nach dem ersten Weltkrieg entfremdete sich die Arbeit der Menschen durch die zunehmende Maschinenarbeit. „Er stellte sich immer wieder die Frage: „Wieviel Mechanik verträgt der Mensch?"

Durch den sich ändernden Lebensrhythmus der Bürger*innen entstand auch ein neues Verhältnis zur Kunst. Gropius mochte keine Bilder, die rein der Dekoration galten. Sein Endziel aller bildnerischen Tätigkeiten war der Raum, alles Gestalterische, die Architektur. Für die Bauhäusler sei die Kunst über das Handwerk selbst entstanden und habe sich auf das Wesentliche reduziert, erklärt Altmann. „Raus muss alles, was den Raum verstellt und auch das Denken", lautete das Motto." Jedes Objekt im Raum, musste einen funktionalen Sinn ergeben. Grün kommt in der Bauhausmalerei selten vor, da man Abstand von der Natur nehmen wollte. In den von Gropius errichteten Meisterhäusern, lebten und malten zum Teil namenhafte Künstler wie Wassily Kandinsky und Paul Klee.

Frauen am Bauhaus

„Da wo Wolle ist, ist auch ein Weib", dichtete der Maler und Bildhauer Oskar Schlemmer einst über die Bauhaus-Frauen. Damit wird das damalige konservative Rollenverständnis auch am Bauhaus deutlich. „Frauen, die ans Bauhaus kamen, wurden meist galant in die Weberei geschoben," erzählt Altmann. „Gropius fürchtete um seinen Erfolg, wenn der Anteil der Frauen zu hoch wurde." Dennoch galt die Arbeit der Frauen am Bauhaus als ein Befreiungsschlag. 1927 wurde Gunta Stölzl die erste Gestaltmeisterin am Bauhaus und leitete die Weberei.

Ihre Tochter, Monika Stadler stellte neulich in einem Interview klar: „Ihre Stoffe waren enorm erfolgreich. Sie haben wirklich das Design revolutioniert. Also von Zeitvertreib kann da keine Rede sein." Mit der Zeit setzten sich die Frauen immer mehr gegen die ihnen aufgedrängten Rollen durch. Friedl Deckert entwarf als erste Frau das Flachdach, das als Markenzeichen des Bauhauses gilt. Ebenfalls wurde die erste Tischlerin in Anhalt und die erste Silberschmiedegesellin in Thüringen am Bauhaus ausgebildet. „Wenn man sich Fotos von den Studentinnen am Bauhaus ansieht, dann weiß man sehr wohl, dass sie emanzipiert waren", stellt Altmann fest. „Sie tragen kurze Haare, Hosen und rauchen eigentlich immer. Das war zur damaligen Zeit schon fortschrittlich."

Das Bauhaus gilt als ein Kind der Revolution, dass den Frauen die Tür zur Kunst öffnete, an vielen Stellen jedoch auch Tücken und Hindernisse mit sich brachte. Kürzlich beschrieb der Geschäftsleiter von 100 Jahre Bauhaus Christian Bodach in einem Interview mit der Zeitschrift LIVVI die damalige Situation so: „Das Bauhaus polarisierte von Anfang an. Für die einen war es eine Schule der Avantgarde, die tradierte Werte und Normen hinterfragte und radikal Neues schuf. Andere rechte Strömungen verfemten das Bauhaus als ‚kulturbolschewistisch'." Nach der Schließung des Bauhauses durch die Nazis 1933 schloss sich auch die Tür einer Revolution. Vom Bauhaus können heutzutage nicht nur Architekturstudierende etwas lernen. „Das Bauhaus kann ein Vorbild sein, etwas Neues auszuprobieren, veraltete Verhaltensmuster und gesellschaftliche Normen aufzubrechen", findet Altmann. Denn 100 Jahre später ist die Gesellschaft an einem Punkt, an dem sie neue Denkweisen und Impulse gut vertragen könnte.

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