Der maschinengeschriebene Lebenslauf löste Handschrift ab, die professionelle Bewerbungsmappe wurde durch Selbstvermarktungsansätze ergänzt. Assessmentcenter, Recruiting-Events, Personalberatungen - der gesamte Bereich von Beschäftigung und Arbeitsmarkt ist mittlerweile durchorganisiert. Jobsuchende greifen heute reflexartig zur Bewerbungsmappe - natürlich digital. Unternehmen schalten automatisch Stellenanzeigen - wenn auch im Internet. Und doch: So richtig funktioniert das bisweilen nicht. Die eine Seite beklagt vehement einen Fachkräftemangel, die andere - nach wie vor, die Schwierigkeit einen (adäquaten) Job zu finden. Zwischendrin die Berater, Personalvermittler, Bildungsträger, Jobcoachs, Integrationsberater, Arbeitsvermittler, die je nach Windrichtung mal den Fachkräftemangel, mal den schwierigen Arbeitsmarkt beklagen. Tatsache ist: Die klassischen Wege von Personalsuche und Jobsuche stoßen immer stärker an ihre Grenzen. Abhilfe schaffen kann die systematische Betrachtung des verdeckten Arbeitsmarktes und die Nutzung von zeitgemäßen Internetwerkzeugen, diesen zu erschließen.
Verdeckter Arbeitsmarkt und InternetFür den klassischen Weg der Personalsuche über Stellenausschreibungen ist das Internet hilfreich. Gleiches gilt natürlich für herkömmliche Bewerbungen. Stellenbörsen im Internet ersetzen die Zeitungsannonce und die Online-Bewerbungen sind aus diesem Prozedere heute kaum wegzudenken. Der offene Stellenmarkt - alle Stellen, die öffentlich ausgeschrieben sind - hat sich mit einem rasanten Tempo fast vollständig ins Internet verlagert. Selbst Vorstellungsgespräche werden heute bereits über Skype oder Google Hangouts realisiert. Die Zahl der offen zu besetzenden Stellen bildet allerdings nur einen Ausschnitt des Stellenmarktes ab. Stark im Kommen sind hingegen Mitarbeiterempfehlungen, aktive Suche nach geeigneten Kandidaten im Internet und die Suche über die eigene Webseite. Besonders der verdeckte Arbeitsmarkt - alle Stellen die nicht öffentlich ausgeschrieben werden - funktioniert über Empfehlungen, Kontakte und Netzwerke. So stellte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer Untersuchung von 2011 fest, dass gerade bei kleinen und mittleren Betrieben die häufigste Suchstrategie und der erfolgreichste Weg der Stellenbesetzung „über eigene Mitarbeiter/persönliche Kontakte" sind. Das gilt für alle Akteure in diesem Geflecht: Für Personalverantwortliche genauso wie für Jobsuchende - für Bildungs- und Integrationsträger genau wie für Arbeitsvermittler und Case-Manager. Hier im verdeckten Arbeitsmarkt greifen die sozialen Netzwerke im Internet besonders.
Soziale Netzwerke existieren offline wie onlineSoziale Netzwerke existieren offline wie online. Das Internet macht soziale Netzwerke nur viel deutlicher und schneller sichtbar. Über Internet-Netzwerke können soziale Netzwerke auch effizienter erweitert werden, weil das Phänomen des „Kontakts 2. Grades" („Kennst Du einen, der einen kennt") dort viel stärker sichtbar ist als in der Offline-Welt. Soziale Netzwerke bieten allen Akteuren im Verfahren von Stellenbesetzungen die Chance, jenseits aller Diskussionen von Fachkräftemangel und Bewerberfrust persönlich zusammenzukommen. Im Internet genauso wie offline. Soziale Netzwerke funktionieren stets über Menschen, nie über Organisationen. Was zählt, sind die Gespräche der Menschen untereinander. Das gilt im Berufsverband wie in der Arbeitsloseninitiative. Es gilt bei XING genauso wie bei Facebook. Immer sind es die Gesichter von Menschen, in die man schaut, nicht in unpersönliche Unternehmensprofile. Und erst Menschen empfehlen auch Menschen für eine Arbeitsstelle. Und das Beste: Manchmal werden Menschen für einen Job empfohlen, obwohl noch gar keine Stelle existiert. In den vergangenen zwei bis drei Jahren hat die Nutzung professioneller sozialer Internet-Netzwerke aufseiten der Personalverantwortlichen deutlich zugenommen. Aber auch vonseiten der Bewerber werden XING und Co. zunehmend zur Jobsuche genutzt. Wer da nicht dabei ist, wird in manchen Berufen zukünftig schnell abgehängt.
PersonalverantwortlichePersonaler nutzen die sozialen Netzwerke bereits seit Längerem. Studien bestätigen in Zahlen, wie intensiv die Personalsuche aktuell betrieben wird. So sagt die aktuelle Social Media Recruiting-Studie, dass 49 Prozent der befragten Arbeitgeber proaktiv nach Kandidaten im Internet sucht, das heißt, sie suchen gezielt nach einzelnen Kandidaten in den professionellen Netzwerken wie XING und LinkedIn. Dabei steht XING mit großem Abstand an erster Stelle der Netzwerke. „Active Sourcing" ist dabei der Trend in der Personalgewinnung - nicht mehr zu warten auf Bewerber, sondern geeignete Personen in den Netzwerken gezielt per Direktansprache zu suchen. Dabei wird das Karrierenetzwerk XING von den Arbeitgebern als besonders wichtig erachtet, wie auch die Studie Recruiting Trends 2014 feststellt. Facebook wird von Unternehmen eher zur Bildung eines Images als Arbeitgeber genutzt („Karriereseite"). Und das geschieht auch vorwiegend nur bei größeren Betrieben. Die Möglichkeit der Suche oder gar Kontaktaufnahme zu Bewerbern über Facebook wird von den meisten Arbeitgebern verneint.
Beschäftigte und ArbeitsuchendeStellensuchende nutzen soziale Netzwerke für die Jobsuche immer aktiver. So sind gemäß der aktuellen Studie „Bewerbungspraxis 2014" bereits 65,7 Prozent der Befragten in einem Karrierenetzwerk (z. B. XING) vertreten, 34,2 Prozent der Befragten nutzen ein solches Netzwerk, um sich gezielt über Mitarbeiter und Ansprechpartner in Unternehmen zu informieren. Arbeitsuchende profitieren von dieser Entwicklung. Dementsprechend nutzen besonders Führungskräfte, qualifiziertere Jobsuchende, Hochschulabsolventen und Akademiker die professionellen Businessnetzwerke XING und LinkedIn, um Kontakte zu aktuellen oder zukünftigen Arbeitgebern zu knüpfen. Dabei ist es auffällig, dass manche eher den Kontakt zu bereits bekannten Personen oder zu potenziellen Kolleginnen und Kollegen herstellen, weil sie sich darüber auch die Empfehlung zum möglichen Arbeitgeber erhoffen. XING ist neben der Pflege des vorhandenen Netzwerkes auch besonders geeignet für den Aufbau eines neuen beruflichen Netzwerkes aus Kontakten 2. Grades. Facebook hingegen - eher privat genutzt - eignet sich eher, um vergangene Kontakte wiederzufinden oder private Kontakte zu pflegen. Generell ist es heutzutage empfehlenswert, auch als Beschäftigter XING und Co. zu pflegen, damit im Falle eines Jobwechsels bereits ein aktives Netzwerk besteht.
Träger der BeschäftigtenförderungZwischen Bewerbern und Personalverantwortlichen stehen dann noch die Mittler. Das sind unter anderem die Arbeitsvermittler und Integrationsberater von Jobcentern, Arbeitsagenturen, Transfergesellschaften und vergleichbaren Einrichtungen. Es sind aber auch die Berater, Coachs und Betreuer bei Bildungseinrichtungen, - ganz gleich ob fest angestellt oder freiberuflich engagiert. Gerade sie stecken oft im wahrsten Sinne mittendrin. Als Vermittler zwischen Personalverantwortlichen und Bewerbern können sie die Chancen und Möglichkeiten der sozialen Netzwerke im Internet nutzen und vermitteln. Neben dem Wissen darum, was Personalverantwortliche tun, gehört die Medienkompetenz für uns Akteure am Arbeitsmarkt zum Handwerk dazu. Das Wissen um die Bedeutung von XING und Co. bei der Beschäftigungsförderung dient der Kontaktaufnahme zu Arbeitgebern über soziale Netzwerke wie auch der Schulung von Bewerbern und Jobsuchenden. XING eignet sich ideal zur Ansprache von und Kontaktpflege mit Mitarbeitern und Entscheidern personalsuchender Unternehmen. Manche Akteure nutzen die sozialen Businessnetzwerke bereits intensiv in der Praxis. Andere scheuen davor zurück oder sind durch organisationsgegebene Rahmenbedingungen an der Nutzung von XING gehindert. Gerade für die zweite Gruppe gibt es deswegen auf Seite 103 eine kleine Checkliste mit Fragen und Tipps zur Selbstanalyse für die Verwendung von XING und Co. in der Praxis.
7 Tipps und Fragen zur Nutzung von XING und Co. für Akteure in der Beschäftigtenförderung Was dürfen Sie im Rahmen Ihrer Organisation mit XING und Co. tun? Gibt es Richtlinien, sogenannte Guidelines? Welche Teilnehmer und Bewerber benötigen ein XING-Profil und wie können wir sie bei der Anlage und Pflege unterstützen? Prüfen Sie frühzeitig: Möchten wir selbst aktiv sein oder holen wir uns Hilfe in Form von freiberuflichen Trainern, Beratern, Coachs ins Haus? Richten Sie sofern möglich für sich selbst oder disponierte Akteure ein professionelles XING-Profil ein und erproben Sie die Nutzung. Falls das nicht möglich oder gewünscht ist: Richten Sie „zu Forschungszwecken" ein eigenes Nutzer-Profil ein oder lassen Sie jemanden aus Ihrer Organisation forschen: Wie funktioniert XING? Wie funktioniert LinkedIn? Welche Chancen bieten die sozialen Netzwerke für unsere Organisation? Erarbeiten Sie für Ihr Team - sofern möglich - eine Strategie für die Nutzung von Businessnetzwerken: Was möchten wir erreichen? Wie können wir das umsetzen? Bei Nichtnutzung von XING durch die Organisation kann ein formuliertes Ziel die Information der Bewerber und Klienten über die Chancen und Grenzen der Jobsuche 2.0 sein. Beachten Sie den Sozialdatenschutz: Welche Kontakte mit Bewerbern sind möglich und erlaubt? Soziale Netzwerke für die Jobsuche, Arbeitgeberansprache und Personalgewinnung XINGXING - gegründet 2003 als OpenBC ist XING älter als Facebook, Youtube und Twitter. XING ist ein Business-Netzwerk, das sich unter anderem an Beschäftigte und Jobsuchende richtet, die ihre Karriere voranbringen möchten. Personalverantwortliche wissen dies und nutzen XING verstärkt zum Recruiting von neuen Beschäftigten. 49 Prozent der Personalsuchenden tun dies gelegentlich oder häufig. Ein XING-Profil ist einfach zu pflegen und bereits in der kostenlosen Basisversion für Jobsuchende nutzbar. Für Führungskräfte, Akademiker und qualifiziertere Jobsuchende ist XING heute während der Stellensuche ein „Muss".
LinkedInWährend XING seinen Schwerpunkt in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat, ist LinkedIn bei ähnlichem Konzept auf die internationale Geschäftswelt ausgerichtet. Deutsche Jobsuchende benötigen daher nur ein LinkedIn-Konto, wenn sie internationale Zielsetzungen haben oder bei Konzernen in Deutschland Jobs suchen, die international agieren.
KununuBewertungsportale nehmen - bei aller Kritik - einen wichtigen Raum ein in der modernen Webkommunikation. Fast jeder hat bereits bei Reisebuchung Hotelbewertungen gelesen, die meisten schauen bei Amazon in die Buchbewertungen, um sich einen Eindruck vom Buch zu machen. Studien belegen, dass mehr Menschen auf Empfehlungen, sogar von Fremden vertrauen, als auf das Marketingversprechen von Unternehmen. Das Portal Kununu.de ist ein Arbeitgeberbewertungsportal. Jobsuchende können sich dort über potenzielle Arbeitgeber informieren. Man sollte das zumindest kennen, weil es stetig an Bedeutung zunimmt.
FacebookFacebook ist das bekannteste und weltweit größte soziale Netzwerk im Internet. Für die Zwecke der Jobsuche ist bei Facebook Vorsicht geboten. Die meisten Nutzer möchten weniger geschäftliche Dinge über Facebook regeln. Außer das Angebot von Karriereseiten pflegen klassische Unternehmen eher keinen Kontakt über Facebook. Allerdings kann Facebook genutzt werden, um alte Kontakte aus Schule, Studium oder Ausbildung wiederzufinden.
YoutubeYoutube ist das größte Videoportal der Welt. Mittlerweile haben einige Kreative Youtube als Kanal für die Selbstvermarktung bei der Jobsuche genutzt. Gleiches gilt für manche Unternehmen auf Personalsuche.
BlogsEin Blog oder WebLog ist eine Internetseite mit sich ständig aktualisierenden Inhalten. Personen, die ein eigenes „Experten"-Thema haben, können ein eigenes Blog auch zum Reputationsaufbau im Rahmen der Jobsuche nutzen. Blogs eignen sich eher für qualifizierte Fachkräfte und textlich versierte Personen, zum Beispiel aus Medien- und Kommunikationsberufen. Auch für Integrationsunternehmen, Bildungsträger und Akteure in der Beschäftigtenförderung kann sich ein Expertenblog lohnen, um damit potenzielle Unternehmen oder Teilnehmer anzusprechen.
MobileEin wichtiger Trend ist die stetige Verlagerung der Internetkommunikation auf mobile Endgeräte, meistens Smartphones oder Tablets. Arbeitgeber haben den Trend erkannt und beziehen das in die Strategien der Personalgewinnung mit ein. Auch in der Beschäftigtenförderung sollte dieser Trend mit einbezogen werden, denn die Jobsuchenden bewegen sich zum großen Teil bereits mit diesen Geräten.
Die KürGoogle Plus, Flickr, Instagram und weitere Internet-Plattformen sind (noch) eher Nischen für das Thema der Personalgewinnung und Jobsuche, die höchstens für einzelne Zielgruppen interessant sind.
1 vgl. Personalsuche in Deutschland: Kleine und mittlere Betriebe im Wettbewerb um Fachkräfte. IAB 2013. http://doku.iab.de/kurzber/2013/kb1013.pdf
2 vgl. Recruiting Trends 2014. Bamberg 2014. http://media.newjobs.com/dege/Studien/2014/RecruitingTrends2014_Vollversion.pdf
3 vgl. ICR Social Media Recruiting Report 2013. Heidelberg 2013. http://www.competitiverecruiting.de/ICR-Social-Media-Recruiting-Report-2013.html
vgl. Recruiting Trends 2014. Bamberg 2014. http://info.monster.de/Recruiting-Trends-2014/article.aspx
5 Bewerbungspraxis 2014. Bamberg 2014. http://media.newjobs.com/dege/Studien/2014/Bewerbungspraxis2014_Vollversion.pdf
Weiterführende Literatur AutorDer Autor ist Geschäftsführer der „LVQ Weiterbildung gGmbH" ( http://www.lvq.de). Der Diplom-Pädagoge beschäftigt sich mit Weiterbildung, Personalgewinnung, Arbeitsmarktthemen, Karrierethemen - besonders auch im Zusammenhang mit Social Media. Lars Hahn hält unter anderem Fachvorträge in Jobcentern und Arbeitsagenturen über die Bedeutung des verdeckten Arbeitsmarktes und von sozialen Netzwerken bei Jobsuche und Personalgewinnung. Er ist zu finden bei XING, Google+, Twitter und schreibt regelmäßig Blogbeiträge, unter anderem unter http://www.lvq.de/karriere-blog/
und unter http://systematischkaffeetrinken.de