Lara Schauland

Politik und Fußball, Berlin

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Patriarchat: Applaus für die Täter

Vor einigen Tagen wurde der ehemalige Manchester-City-Profi Benjamin Mendy auch im letzten noch laufenden Verfahren wegen mutmaßlicher Vergewaltigung freigesprochen. Insgesamt 13 Frauen hatten dem heute 29jährigen Außenverteidiger vorgeworfen, sie vergewaltigt oder sexuell genötigt zu haben. Mendy ist kein Einzelfall, die Liste der wegen Sexualstraftaten angeklagten Profifußballer beachtlich. Cristiano Ronaldo wurde bereits 2018 der Vergewaltigung angeklagt, seine Anwälte zahlten Schweigegeld, die Akten sollten geheim gehalten werden. Klar ist allerdings: Cristiano Ronaldo wusste, dass die Frau, mit der er 2009 auf ein Hotelzimmer in Las Vegas gegangen ist, mehrfach "nein" gesagt hatte, zudem wies sie ihn direkt nach der Vergewaltigung darauf hin, dass es eine solche war. Der ehemalige brasilianische Nationalspieler Robinho wurde 2017 wegen einer Gruppenvergewaltigung zu neun Jahren Haft verurteilt. Der spanische Erstligaprofi Santi Mina erhielt vergangenes Jahr wegen "sexuellen Missbrauchs" eine Haftstrafe von vier Jahren. Zur gleichen Zeit wurden sexuelle Übergriffe gegen Fußballspielerinnen aus den USA und Deutschland öffentlich. Von "systematischem Missbrauch" ist die Rede.

Der ehemalige Weltmeister Jérôme Boateng wurde nach Übergriffen gegen seine Exfreundin 2022 wegen Körperverletzung zur Zahlung von 1,2 Millionen Euro Strafe verurteilt. Im Prozess verlangte die Verteidigung einen Freispruch. Boateng sei jemand, "der eigentlich schon verurteilt war, bevor er morgens aufgestanden ist", sagte sein Anwalt Peter Zuriel. "Eine prominente Person kann sich nicht in derselben Weise verteidigen, wie es ein 08/15-Mensch tun würde." Was stimmt, denn welcher 08/15-Mensch kann es sich leisten, Spitzenanwälten Millionen zu zahlen, und wer hat zudem noch ein großes Netz aus Beratern, Finanz- und Marketingexperten sowie Funktionären, die versuchen, das Image sauber zu halten?

Das Ansehen von professionellen Fußballspielern ist entscheidend für ein Milliardenbusiness. Wenn Frauen Vorwürfe von Gewalt und Machtmissbrauch gegenüber Spielern erheben, ist das ein Risiko fürs Geschäft. Eine gemeinsame Recherche von Correctiv und der Süddeutschen Zeitung im Oktober 2022 hat aufgedeckt, wie einige Spieler ihre Expartnerinnen zum Schweigen bringen, um Hinweise auf körperliche und psychische Gewalt zu vertuschen. Die Vorwürfe umfassen Schläge, Tritte und psychischen Terror. Die Frauen beschreiben ein System, das die Männer schützt und die Frauen subtil zum Schweigen bringt. Berater, Funktionäre und andere Geschäftsleute schirmen die Fußballspieler ab. Aussagen von betroffenen Frauen, Branchenexperten, Sportmarketingprofis und ehemaligen Mitarbeitern von Beratungsfirmen zeichnen das Bild einer Machtkonstellation, die Probleme zum Schutz der Spieler diskret beseitigt. Das alles ist nicht illegal, sondern tatsächlich einfach nur der Job dieser Männer (ja, doch, es sind fast alles Männer).

Im Fall Mendy zeigt sich noch eine weitere interessante Entwicklung, anders als in den meisten anderen Fällen schweigen seine Fußballerkollegen nicht einfach. Memphis Depay, Profi beim spanischen Erstligisten Atlético Madrid, veröffentlichte am Wochenende in den sozialen Medien einen eindringlichen Appell für Benjamin Mendy. Depay bedauert dabei nicht nur das konkrete Schicksal des Abwehrspielers, sondern fragte stellvertretend für alle Fußballer verzweifelt: "Wer erhebt sich für uns, wenn es die Situation erfordert, nicht erst, wenn der Schaden schon entstanden ist? Wer verdammt noch mal verteidigt uns Athleten?" Weiter führte er an: "Und was tun wir jetzt? Wer wird diesem Bruder helfen zu heilen? Wer wird für den Schaden, der seinem Namen zugefügt wurde, verantwortlich sein? Wie wird er seine Karriere zurückbekommen?" Depay forderte: "Wendet euren Blick nicht ab, Leute", wobei er die FIFA, die Premier League, Manchester City und die französische Nationalmannschaft direkt verlinkte.

Die Reaktionen waren gewaltig. Selten haben sich Fußballer so geschlossen mit einer Sache solidarisiert. Praktisch von jedem Profiklub aus Deutschland likte mindestens ein Spieler den empörten Depay-Post, oft waren es deutlich mehr. Ebenso bekundeten etliche Profis aus allen größeren Ligen ihre Solidarität. Unter anderem likten auch die beiden DFB-Spieler Antonio Rüdiger und Kevin Trapp den Beitrag. "So wahr, Bruder", kommentierte auch Manchester-City-Profi Jack Grealish, der häufiger mit Benjamin Mendy auf Partys unterwegs gewesen sein soll. Unter anderem auch in einer der Tatnächte. Juventus-Profi Paul Pogba hatte bereits am Freitag den Freispruch für Mendy bei Instagram bejubelt. Dabei bedeutet das Gerichtsurteil eigentlich nur, dass zu wenige Beweise für eine Verurteilung des Franzosen gefunden wurden. Dass er zweifelsfrei keine Straftat begangen hat, ist damit nicht bewiesen, und die Annahme, dass 13 Frauen sich ihre Vorwürfe gegen Benjamin Mendy und einen Mitbeschuldigten einfach ausdenken, reichlich unrealistisch.

Diese Zustände im Profifußball sind katastrophal. Systematischer Machtmissbrauch schadet besonders Frauen. Die Spieler bewegen sich blind in ihrer eigenen misogynen Blase, immer mit der Sicherheit, dass es Strukturen gibt, die sie schützen. Schließlich geht es um viel Geld. Seine Karriere hat Benjamin Mendy übrigens schon zurück, er unterschrieb kurz nach seinem Freispruch einen zweijährigen Vertrag beim französischen Erstligisten FC Lorient.

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