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Legal Tech wird zur Konkurrenz für Rechtsanwälte - WELT

Ob Flugverspätungen oder Mietrecht: In immer mehr Rechtsfragen übernehmen Algorithmen die Arbeit von Juristen. Selbst Kleinstbeträge können Verbraucher so unkompliziert einfordern. Es gibt aber Bedenken bezüglich der Legalität.


Es ist der Winter 2017. Weihnachtsmärkte öffnen gerade, Plätzchengeruch weht durch die Straßen Berlins, und die Menschen sind von einer beschwingten Stimmung erfasst. Doch Lea Bötticher und Sebastian Blanke können sie nicht genießen. Ihnen ist vor allem kalt. In ihrer WG kommt kein Tropfen warmes Wasser aus der Leitung.

Ihre Hausverwaltung hätte die kaputte Zentralheizung reparieren müssen, doch wochenlang passierte nichts. Bötticher und ihre Mitbewohner wollten das nicht auf sich sitzen lassen. Sie versuchten im Internet herauszufinden, ob und um welchen Betrag sie die Miete mindern könnten. „Obwohl ich Wirtschaftsjuristin bin, konnte ich keinen schnellen Weg finden, um zu meinem Recht zu kommen“, erinnert sich Bötticher. „Das hat mich schockiert.“

Es blieb noch ein paar Wochen kalt, dafür reifte in ihrem Kopf eine Idee. Gemeinsam mit Blanke und drei weiteren Gründern brachte sie die Internetplattform Lawio an den Start. Dort können Mieter ein rechtssicheres Dokument erstellen, mit dem sie Schäden und Mietmängel an ihren Vermieter melden. Langfristig wollen die Gründer ihre Kunden im gesamten Prozess der Mietminderung begleiten, wenn nötig bis vor das Gericht. Ob ein Anspruch besteht und wie groß die Aussicht auf Erfolg der Klage ist, soll allerdings kein Anwalt, sondern ein Algorithmus bestimmen, den sie programmiert haben.

Damit ist Lawio ein Start-up im Bereich der sogenannten Legal Techs. Das sind Unternehmen, die durch automatisierte Prozesse die Rechtsszene aufwühlen und erneuern. Besonders interessant für jedermann sind Verbraucherrechtsplattformen wie Lawio. Sie lösen folgendes Problem: Wenn durch einen entstandenen Schaden Ansprüche auf Zahlung von ein paar Hundert Euro bestehen, zahlen die Verursacher des Schadens ab und zu nicht. Sie hoffen, dass die Geschädigten nicht klagen. Denn das kostet Zeit und Nerven. Zudem ist es gerade für kleine Streitsummen mitunter schwierig, einen Anwalt zu finden.

Legal Techs sorgen dafür, dass sich diese Taktik für die Verursacher nicht mehr lohnt. Verbraucher geben Informationen zu ihrem Problem auf der Plattform ein, und der dahinter geschaltete Algorithmus spuckt aus, ob und in welcher Höhe ungefähr Ansprüche bestehen. Legal Tech treibt diese ein und klagt bei Bedarf. Geld verdienen die meisten dieser Start-ups durch eine prozentuale Provision.

Lukratives Geschäft

Bei dem Legal Tech flightright.de zahlt der Verbraucher zum Beispiel um die 30 Prozent der Entschädigungssumme für einen verspäteten Flug. Fälle wie Flugverspätung, die sich nach einem standardisierten Muster recht einfach durch Algorithmen lösen lassen, lassen sich somit skalieren – und werden für die Start-ups trotz der kleinen Streitsummen enorm lukrativ. Und für viele Verbraucher, die alternativ oft gar kein Geld erhalten würden, lohnt sich das Geschäft ebenfalls.

Daher haben die Legal Techs regen Zulauf. Branchenführer sprechen zum Teil von Hunderttausenden Kunden. Selbst die Gründer von Lawio erreichen täglich neue Anfragen, obwohl sie bislang nicht kommerziell werben.

Diesen Erfolg findet nicht jeder gut. Für Rechtsanwälte sind Legal Techs Konkurrenz: Wem ein Algorithmus sagt, ob er Rechtsansprüche hat oder nicht, der benötigt keinen Anwalt mehr. Es gibt aber Bedenken bezüglich der Legalität der Tätigkeit von Legal Techs.


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