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Handelsblatt-Recherche zu Kirchenfinanzen: Was von der Transparenzoffensive übrig blieb

Die katholischen Bistümer in Deutschland sind lange nicht so transparent, wie versprochen.

Über Geld spricht man bekanntlich nicht gerne. Schon gar nicht, wenn man viel davon besitzt. Die Bistümer der katholischen Kirche haben ihr Vermögen jahrelang vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind sie gesetzlich auch nicht zur Transparenz verpflichtet. Diese Verschwiegenheit ließ sich viele Jahre durchhalten. Doch dann kam der Skandal um den damaligen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst.

Im Jahr 2014 machte der Würdenträger mit seinem protzigen Lebensstil inklusive First-Class-Flügen und dem Bau eines kleinen Palasts von sich reden. Die Bestürzung bei Gläubigen und Geistlichen war groß. Der Papst befürwortete den Amtsverzicht des Bischofs und die Bistümer kündigten an, ihre Finanzen offenzulegen. Tebartz-van Elst hatte seine Residenz aus Geldern des Bischöflichen Stuhls finanziert, die bis dato weitestgehend unbekannt waren. Nicht einmal innerhalb des Bistums war bekannt, wie teuer sein Heim werden würde.

2014 startete die Deutsche Bischofskonferenz die sogenannte „Transparenzoffensive". „Wir tragen dem wachsenden Bedürfnis nach mehr Transparenz in finanziellen Fragen Rechnung", hieß es in einer Pressemitteilung dazu. Bis 2016 wollten alle deutschen Bistümer ihr Vermögen offenlegen.

Drei Jahre sind seitdem vergangen. Genug Zeit, um das Vorhaben umzusetzen. Recherchen des Handelsblatts zeigen aber, dass die Kirche noch längst nicht all ihre Reichtümer offenbart. Die Vermögensverhältnisse der katholischen Kirche gleichen einem undurchsichtigen Dschungel. Einen abschließenden Überblick will selbst seitens der Kirche keiner haben. Die Deutsche Bischofskonferenz, zentrale Instanz aller Bistümer, bat auf Nachfrage des Handelsblatts darum, alle 27 Bistümer einzeln nach ihren Finanzberichten zu fragen. Dieser Aufforderung ist das Handelsblatt nachgekommen.

Trotz der angekündigten Transparenzoffensive reagierten viele Bistümer auf konkrete Anfragen defensiv. Ein Sprecher des Bistums Berlin fragte nach, ob das Handelsblatt denn auch die evangelische Kirche derart „vernehmen" wolle. Das Bistum Paderborn schaltete nach einer Interviewanfrage an ihren Finanzdezernenten eine PR-Agentur ein. Und die Bischofskonferenz beschwerte sich bei der Chefredaktion des Handelsblatts, was die ständigen Fragen nach der Finanzsituation der Kirche sollten.

Lücken in den vermeintlich transparenten Finanzberichten

Trotz dieser Hürden lieferte die Recherche einige Erkenntnisse: Drei der 27 Bistümer haben bislang noch gar keine Zahlen geliefert. In Bamberg, Eichstätt und Münster, drei Regionen mit langer katholischer Tradition, dürften sich über die Jahrhunderte einige Summen angesammelt haben. Transparent sind diese jedoch nicht.

Auf Nachfrage des Handelsblatts heißt es im Bischöflichen Generalvikariat Münster, es sei sehr aufwändig die Vermögenswerte zu erfassen. Immerhin handle es sich bei den kirchlichen Stiftungen, Bischöflichen Stühlen und Domkapiteln um unterschiedliche Rechtsträger. In Bamberg erklärt ein Bistumssprecher, die Umstellung auf die Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch sei noch nicht abgeschlossen. Und in Eichstätt wurde die Bilanz laut Sprecherin noch nicht von Wirtschaftsprüfern abgesegnet und ist deshalb noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Wer die Websites der übrigen 24 Bistümer besucht, erhält auf den ersten Blick den Eindruck, als hätten sie ihr Versprechen vorbildlich eingelöst: Vielerorts finden sich umfassende Finanzberichte, in denen die Vermögenswerte nach anerkannten handelsrechtlichen Standards bilanziert sind. Bei genauerem Hinschauen entdeckt man jedoch einige Lücken. In Paderborn haben die Finanzexperten beispielsweise nur das Vermögen des Bistums erfasst. Damit kommen sie auf eine Summe von vier Milliarden Euro. Es fehlt allerdings das Vermögen des Bischöflichen Stuhls und des Domkapitels. Das sei noch in Arbeit, heißt es beim Bistum Paderborn.

In den meisten übrigen Bistümern lagern in diesen zusätzlichen Bilanzen noch einmal zwei- bis dreistellige Millionenbeträge. Andere Bistümer erscheinen ärmer, weil sie Gelder an Stiftungen auslagern. Oder aber sie zeichnen sich durch besonders unübersichtliche Berichte aus. So veröffentlichte die Diözese Rottenburg-Stuttgart für das Jahr 2015 eine Bistumsbilanz mit einer vergleichsweise überschaubaren Bilanzsumme von 261 Millionen Euro. Wer genau liest, erfährt jedoch, dass es sich dabei lediglich um das Vermögen handelt, das in anderen Bistümern gemeinhin als Vermögen des Bischöflichen Stuhls geführt wird. Auf der Homepage findet sich jedoch noch Teil zwei des Berichts mit dem Titel „Fakten und Facetten“. Wer diesen durchblättert, stößt auf Seite 90 plötzlich auf eine Vermögensaufstellung der Diözese. Dort schlummert noch einmal eine Milliarde Euro.

Das Handelsblatt hat mehrere Wochen mit einem mehrköpfigen Team an einer Übersicht zum Vermögen der katholischen Kirche gearbeitet. Dennoch kann die exklusiv errechnete Summe von knapp 26 Milliarden Euro in Bistumsvermögen lediglich als Minimalbetrag interpretiert werden. Das Vermögen der katholischen Kirche als Ganzes dürfte noch um einiges höher sein. Die Bistümer sind rechtlich von den 10.280 katholischen Pfarreien, der Caritas und den katholischen Bruderschaften unabhängig. Diese führen von den Bistümern unabhängige Haushalte.

Die meisten Kirchengebäude befinden sich im Besitz der Pfarreien, daher wirkt der Anteil der Immobilien am Gesamtvermögen in den Bilanzen der Bistümer erst einmal recht gering. Eine weitere Kuriosität: Die Kirchen selbst tauchen in den Bilanzen mit verschwindend geringen Werten auf. Meist wird davon ausgegangen, dass sie über viele Jahre abgeschrieben wurden und daher nur einen Erinnerungswert haben. Der Kölner Dom wird zum Beispiel mit einem Symbolwert von 27 Euro in den Büchern vermerkt.


Autoren: Lara Müller, Milena Merten

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