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Ungewollter Aufstieg: Kann man eine Beförderung ablehnen?

© Quelle: RND-Illustration: Patan, Foto: IMAGO

Neue Aufgaben, mehr Geld, größere Verantwortung: Wenn die Chefin oder der Chef eine Beförderung anbietet, heißt das in erster Linie: Man hat einen guten Job gemacht. Die Wertschätzung für die eigene Leistung ist groß, und die Vorgesetzten sehen Potenzial, um andere, vielleicht wichtigere Aufgaben im Unternehmen zu übernehmen. Zudem ist eine Beförderung fast immer auch mit einer Lohnerhöhung verbunden. Das Angebot sofort anzunehmen scheint naheliegend.

Doch was, wenn beim Gedanken an die neue Tätigkeit der Bauch grummelt und immer mehr Zweifel aufkommen: Bin ich den neuen Aufgaben gewachsen? Interessiert mich das Tätigkeitsfeld? Und passen die höhere Position und der damit verbundene Arbeitsaufwand überhaupt in mein Leben? Manchmal kann es die richtige Entscheidung sein, die Beförderung nicht anzunehmen. Doch auch dann stellen sich weitere Fragen. Etwa, wie man die Absage dem Chef oder der Chefin kommuniziert, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

An erster Stelle sollte jedoch eine gut durchdachte Entscheidungsfindung stehen. Dafür kann man sich ruhig einige Tage Zeit nehmen, rät der Psychologe Severin Schultheiß. „So lange, bis man ein gutes Gefühl bei der Entscheidung hat." Sinnvoll sei es, mit der Führungskraft abzusprechen, bis wann man sich entscheiden wird, rät der Experte.

Psychologe: Beförderung ist wie ein neuer Job

Die Beförderung könne man genauso betrachten wie ein neues Stellenangebot, so Schultheiß. „Dementsprechend sollte man sich auch der Beförderung gegenüber verhalten und sich die gleichen Fragen stellen wie bei einem Jobwechsel." Bei der Entscheidungsfindung könne es helfen, mit anderen Menschen zu sprechen. „Gedanken zu formulieren und auszusprechen hilft, innere Prozesse anzustoßen, und man bekommt eine Einschätzung von außen", sagt der Psychologe.

Neben Gesprächen mit Vertrauten kann auch eine Art innere Bestandsaufnahme helfen, sagt Karrierecoach Surika Kötter. Dabei müsse man sich das neue Aufgabengebiet genau ansehen. „Beförderung ist nicht gleich Beförderung", betont Kötter. So könne es etwa um Führungsaufgaben, aber auch um eine fachliche Spezialisierung gehen. Dann sollte man sich fragen: Was brauche ich, um mich bei der Arbeit wohlzufühlen, wo liegen meine Stärken, und welche Aufgaben machen mir Spaß? Ein wichtiger Unterschied, betont Kötter: „Denn nicht alles, was ich gut kann, mache ich auch gerne."

Das Bauchgefühl hat meistens recht

Auch auf die eigene Intuition zu hören kann helfen, die richtige Entscheidung zu fällen. „Ich finde, das Bauchgefühl ist grundsätzlich ein guter Indikator", sagt Kötter. Eine Ausnahme seien Menschen, die dazu neigen, sich selbst zu unterschätzen. Wer eigentlich Lust auf die Beförderung habe, aber unter Selbstzweifeln leide, sollte deshalb weniger auf seine Gefühle hören und sich stattdessen die eigenen Stärken bewusst machen. „Ich rate immer dazu, ein Erfolgstagebuch anzulegen, in dem positive berufliche Momente festgehalten werden", sagt Kötter.

Die angebotene Stelle muss nicht in Stein gemeißelt sein - oftmals ist eine individuelle Lösung möglich.

Severin Schultheiß,

Psychologe

Schultheiß rät, bei der Entscheidung vor allem ehrlich mit sich selbst zu sein. So könne man am besten herausfinden, welche Aufgaben man sich zutraue und wo vielleicht noch Unterstützung nötig sei. „Und dann sollte man nicht davor zurückschrecken, in den Austausch mit der Führungskraft zu gehen", sagt der Psychologe. „Denn oftmals ist eine individuelle Lösung möglich." Die angebotene Stelle müsse nicht in Stein gemeißelt sein. „Wenn man zum Beispiel Sorgen hat bezüglich einer Führungsverantwortung, weil die komplett neu ist, dann gibt es vielleicht die Möglichkeit, dass die fachliche Beförderung zuerst durchgeführt wird, und man bekommt noch eine Führungsschulung und darf erst mal ein Mentoring machen bei einer erfahrenen Führungsperson."

Konstruktive Angebote sind in jedem Fall eine gute Strategie für das Gespräch mit dem oder der Vorgesetzten. Auch wenn die angebotene Beförderung nicht infrage kommt, kann es deshalb sinnvoll sein, sich zu überlegen, welche Veränderung man sich selbst vorstellen könnte. „Dann hat die Führungskraft etwas, womit sie arbeiten kann", sagt Schultheiß. Außerdem sei es wichtig, die Wertschätzung für das Angebot auszudrücken, betont Kötter: „Ich würde mich als Allererstes für das Angebot bedanken und sagen, dass ich mich über die Anerkennung freue, die mir damit entgegengebracht wird."

Zwar ist man als Arbeitnehmer nicht gezwungen, seine Entscheidung zu begründen, wenn man das Beförderungsangebot ablehnen möchte. Eine Erklärung hilft aber in jedem Fall, um das Verhältnis mit dem Chef oder der Chefin nicht zu belasten. Wenn das Interesse für das neue Aufgabengebiet fehlt, die mit der neuen Stelle verbundene Mehrbelastung nicht zur aktuellen Lebenssituation passt oder man sich den Herausforderungen schlicht nicht gewachsen fühlt, sollte die Führungskraft Verständnis für die Entscheidung aufbringen. Man müsse sich vergegenwärtigen, dass auch das Unternehmen nichts davon hat, eine Stelle mit einer Person zu besetzen, die nicht auf die Position passt, sagt Schultheiß. „Es ist im Interesse aller Beteiligten, sich auszutauschen und zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen." Letztlich kann das Gespräch auch dazu beitragen, dem Chef ein klareres Bild von den beruflichen Zielen zu vermitteln, die man tatsächlich anstrebt.

Gute Lösung für beide Seiten suchen

Doch was, wenn der Grund für die Ablehnung der Beförderung die Work-Life-Balance ist? Kann man das Angebot mit dieser Begründung ausschlagen, ohne künftig als faul oder unmotiviert zu gelten? „Ich würde dann eher so argumentieren, dass der Job einfach aus Gründen der Belastbarkeit im Moment nicht in mein Leben passt, weil es organisatorisch nicht funktioniert", sagt Karrierecoach Surika Kötter. Wenn man befürchtet, dass der Stress in der neuen Position zu groß wäre, könne man auch hervorheben, dass die Aufgabe nicht zu den eigenen Stärken passt.

Einige Menschen haben ihren Traumjob auch einfach bereits gefunden und haben kein Interesse an einer höheren Position. Lässt sich vielleicht schon von vornherein vermeiden, dass der Vorgesetzte ein Beförderungsangebot macht? „Wenn ich mich in meinem Job rundherum wohlfühle und total zufrieden bin, dann kann ich das auch kommunizieren", sagt Kötter. Im Personalgespräch könne man zum Beispiel erwähnen, dass man mit der aktuellen Tätigkeit und im Team sehr glücklich sei. „Ich würde das aber eher positiv formulieren und nicht sagen: Ich will auf keinen Fall befördert werden."

Wie eine Absage letztendlich aufgenommen wird, lässt sich nicht voraussagen. Am Ende hängt die Reaktion sowohl von der Professionalität der Führungskraft ab als auch von der Unternehmenskultur. In einem jüngeren, modernen Unternehmen müsse man nicht mit negativen Folgen rechnen, meint Kötter. In einem konservativen Unternehmen mit rigiden Strukturen könne das anders sein. „Aber dann muss ich mich fragen: Möchte ich in einem Unternehmen arbeiten, in dem ich mich zwangsweise befördern lassen muss, damit ich nicht aufs Abstellgleis gestellt werde?"

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