Kristin Oswald

Online-Redakteurin, Kultur & Geisteswissenschaften, Erfurt

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Artikel

Mit wissenschaftlichen Podcasts Geschichte erzählen. Aber wer hört zu?

© Eric Nopanen auf Unsplash


Ich habe mich verliebt. In Podcasts. Und damit bin ich nicht allein. Podcasts erleben gerade ihre dritte Welle, wie ich auf dem Histocamp gelernt habe und wie aktuelle Studien belegen. Nach ihnen bin ich eine idealtypische Podcasthörerin. Deswegen nehme ich mich als Beispiel, um etwas über die Studien und über das Potenzial von Podcasts für die archäologische und historische Forschung zu schreiben.


Angefangen hat es damit, dass mein Musikkonsum-Verhalten beim Autofahren für andere und mich selbst recht anstrengend ist. Musik muss zu meiner Stimmung passen und das tut Radiomusik nur selten. Deswegen wechsele ich nach jedem Lied so lange den Sender, bis ich ein anderes finde, das mir gerade gefällt. Das macht den Weg ins Bürofür mich und längere Fahrten auch für meine Mitfahrer sehr mühsam. Also musste eine Alternative her. Ich kannte das Format Podcasts schon länger, wusste aber nie, wie ich es in meinen Tagesablauf integrieren soll (und so geht es vermutlich vielen). Nun verschaffte mir meine Automisere die nötige Zeit. Also gesagt getan, installierte ich eine App, suchte nach passenden Podcasts und die Liebe begann.


Wie die meisten Nutzer höre ich Podcasts sehr themenspezifisch, vor allem um mir Wissen zu Themen anzueignen, die mich interessieren, über die ich aber nur wenig weiß. Deswegen stehen auf meiner Liste nur wenige Podcasts zu Archäologie, Geschichte oder Museen (AngegrabenZeitsprungMuseumscast oder Stuff you missed in history class), sondern eher solche zu Soziologie (der Grimmepreisträger Soziopod), Psychologie (PsychotalkYou are not so smart) oder themengemischte Podcasts zu wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Themen (HoaxillaForschergeist). Zudem höre ich gern Tagungspanels nach, bei denen ich nicht anwesend sein konnte (vor allem bei Voicerepublic). Weil ich bei vielen dieser Themen ein Laie bin, mag ich besonders ausführliche und tiefgehende Folgen. Eine Stunde ist das Minimum, damit mein Wissensdurst gestillt wird, aber ich höre auch gern drei Stunden.


Studien zur Podcast-Nutzung

Mein Hörverhalten ist Podcast-typisch. Die ARD-Werbung Sales & Services GmbH hat 2017 eine bevölkerungsrepräsentative Onlinestudie zum Nutzerverhalten durchgeführt. Sie ist zwar auf Podcasts als Werbeformat ausgerichtet, liefert aber trotzdem interessante Ergebnisse:


  • mehr als die Hälfte der Befragten kennt Podcasts
  • knapp ein Drittel hat in den letzten 12 Monaten einen Podcast gehört
  • 15% hören mindestens ein Mal pro Woche Podcasts
  • Die Mehrheit der Nicht-Hörer hat Podcasts noch nie ausprobiert. Sie sind also nicht Nicht-Hörer, weil sie das Format nicht mögen. Vielmehr werden die meisten zu treuen Hörern, wenn sie erst einmal anfangen.
  • Podcast-Hörer haben einen hohen Bildungsgrad, sind technikaffin und medienkompetent
  • die Mehrheit hört Podcasts auf dem Smartphone, viele unterwegs oder nebenbei, aber die Hälfte auch frei von Ablenkung
  • die Nutzung ist sehr themenspezifisch, wobei gesellschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Themen durchaus beliebt sind
  • Altersverteilung:


Auch die ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 hat sich mit Podcasts beschäftigt. Eine Zusammenfassung gibt es bei netzpolitik.org. Zwar gaben hier nur 4% der Teilnehmer an, Podcasts wöchentlich zu hören, aber auch nach dieser Studie nimmt die Nutzung zu, vor allem bei jüngeren Hörern, wobei Nischenthemen bevorzugt werden.


Podcasts und Wissenschaftskommunikation

Für die Wissenschaftskommunikation sind das gute Gründe, Podcasts zu betreiben. Sie machen es Wissenschaftlern dank der Ausführlichkeit des Formats und des freien Sprechens leicht, über ihre Forschung, Methoden, Erkenntniswege, Rückschläge oder auch über Metathemen wie die Hürden des Wissenschaftssystems zu sprechen. „In Podcasts lasse sich, über Scheitern als Chance zum Lernen, auch das Prozesshafte von Wissenschaft darstellen – und zugleich Transparenz über die Verwendung öffentlicher Gelder herstellen“, betont ein Beitrag zu Podcasts im Merton Magazin. Deswegen höre ich lieber Podcasts, in denen Wissenschaftler selbst sprechen, als solche, in denen professionelle Sprecher über neue Erkenntnisse berichten – wie es beispielsweise in den USA üblich ist.


Dabei sind Podcasts technisch und finanziell nicht so aufwendig, wie man vermuten würde. Wie Daniel Meßner vom Zeitsprung-Podcast und Stefnef vom VorHundert-Podcast beim Histocamp erklärten (#histopod), sollte man einmal in eine gute technische Ausstattung investieren (ca. 1000€) und pro Folge etwa einen Tag Arbeitszeit berechnen. Die Hörerzahlen und intensive Hörerbeziehung rechtfertigen dies aber absolut.


Wer regelmäßig Podcasts hört, baut eine enge Beziehung zu ihnen auf. Auch mir ist es schon passiert, dass ich beim ersten persönlichen Treffen mit einem meiner favorisierten Podcaster das Gefühl hatte, ihn schon lange zu kennen (die Mehrheit der Podcaster sind übrigens Männer). Bei Podcasts ist der Mensch hinter der Forschung besonders wichtig und die meisten Wissenschaftler können ihre Leidenschaft im freien Gespräch gut vermitteln. Das nutzt beispielsweise der Soziopod, um „die Herzen zu erreichen“ und an die Lebensrealität der Hörer anzuknüpfen, erklärt Patrick Breitenbach im Beitrag des Merton-Magazins.


Podcasts für Geschichte und Archäologie

Die enge Beziehung zwischen Podcastern und Hörern wird auch daran deutlich, dass Podcasts zu historischen Themen sehr viele und meist positive Rückmeldungen bekommen – sowohl von den Hörern als auch von den beteiligten Forschern. Das bestätigten mir sowohl die Podcaster beim Histocamp und auch Katrin Schröder. Sie koordiniert den Podcast des Archäologischen Museums Hamburg, einen der wenigen deutschen institutionellen Archäologie-Podcasts. Die ersten sechs Episoden hat das Museum in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Hafenradio-Podcast erstellt. Sie waren so erfolgreich, dass das Museum im Juni 2017 einen eigenen Podcast gestartet hat. Damit möchte das Museum den eigenen Bekanntheitsgrad und der Bodendenkmalpflege verbessern, Hintergrundwissen vermitteln und den Austausch mit Hörern und (potentiellen) Besuchern steigern.

 

Im Vergleich zum hiesigen Interesse an archäologischen und historischen Themen ist die Anzahl an entsprechenden Podcasts noch gering. iTunes verzeichnet ca. 20 für den deutschsprachigen Raum, meist von individuellen Wissenschaftlern, Learn out loud hingegen knapp 300 englischsprachige, viele davon auch von Universitäten, Forschungsinstituten und -projekten.


Dabei gilt für Podcasts wie für andere digitale Formate, dass keinesfalls jeder Forscher einen eigenen Podcast betreiben muss. Kooperationen mit bestehenden Podcasts, zwischen Wissenschaftlern oder Forschungseinrichtungen sind eine ebenso gute Möglichkeit, sich in die Welt der Podcasts vorzuwagen. Wer einen Podcast starten möchte, kann sich jederzeit bei den @PodcastpatInnen melden. Weitere Informationen gibt es beim Archaeology Podcast Network, auf wissenschaftskommunikation.de/wissenschaftspodcasts.de oder bei Tine Nowak, die sich auch wissenschaftlich mit Museums- und Bildungspodcasts beschäftigt.