Nicht nur das sonnige Frühlingswetter und die Cupcakes zur Kaffeepause stimmten die Teilnehmer des ersten stARTcamps in Münster am 29. März fröhlich. Die Vielfalt der Themen, die Räumlichkeiten im LWL-Landeshaus und die angeregten Diskussionen machten das erste Kultur-Barcamp 2014 zu einem gelungenen Start in das Social-Media-Jahr. Kristin Oswald von Kulturmanagement Network war für uns vor Ort.
„Kunst und Kultur im virtuellen Raum“ - ein
Rahmenthema für das stARTcamp, das mehr umfasst, als die inzwischen
beinahe als klassisch zu bezeichnenden sozialen Medien für
Kultureinrichtungen – Facebook, Twitter, vielleicht ein Blog oder ein
Bildportal. Dieser Anspruch schreckte jedoch die ca. 70 Angemeldeten
keineswegs ab. So gehörten zu den Teilnehmern stARTcamp-Profis wie
Christian-Henner Fehr, Anke von Heyl oder Steffen Peschel, entsprechend
dem Thema zahlreiche Museums-, aber auch Theatermitarbeiter, Fachleute
aus Kulturämtern, Künstler, Studenten und recht viele
Social-Media-Neulinge. Die Kulturabteilung des Mitorganisators LWL
(Landschaftsverband Westfalen-Lippe) zeigte sich anfangs dem auch
„Unkonferenz“ genannten Barcamp-Format eher skeptisch und wusste nicht
recht einzuschätzen, welchen Mehrwert dieses mit sich bringen würde.
Genau wie die Neulinge unter den Teilnehmern, waren aber auch deren
Vertreter bereits nach der Vorstellungsrunde und den ersten Workshops
überzeugt von Format „Barcamp“. Bei diesem gibt es meist einen Tag
Workshops und Diskussionsrunden rund um ein Rahmenthema, die von den
Teilnehmern selbst am Morgen vor Ort vorgeschlagen werden. Vorbereitete
Frontalvorträge entfallen, Spontanität und Offenheit sind die
wichtigsten Regeln und Verhaltensweisen.
Schon am Anfang des stARTcamp wurde schnell klar, wie sehr Social Media
in den letzten Jahren zu einer eigenen Disziplin mit eigener Sprache und
z.T. auch eigener Weltsicht geworden ist. Die Selbstvorstellung der
Teilnehmer mit Hashtags (Schlagwörtern), die Überraschung der „Newbies“ über die Planung der „Sessions“, die „Twitterwall“ im Hauptraum und nicht zuletzt das Tagesprogramm mit den Themen Social Impact (gesellschaftliche Wirkung), Crowdfunding, Foursquare
oder dem EU-Programm „Creative Europe“ machten dies deutlich. Aus
diesem Grund beschlossen einige der geübteren Teilnehmer,
Einsteiger-Workshops anzubieten, so zu Twitter oder Social-Media-Recht.
Zwischen Themen für Einsteiger und für Fortgeschrittene fanden sich mit
virtuellen Museen, Kunst und Architektur im digitalen Raum auch Inhalte,
die das Rahmenthema aufgriffen. Da das Programm eines stARTcamps immer
erst an dem Tag selbst entsteht, spiegelt es stark die Interessen der
anwesenden Teilnehmer wieder, sodass sich für jeden ein
informationsreicher Tag ergibt.
Die erste Session zu Social Impact von Anke von Heyl
stieg direkt in die Tiefen aktueller Diskussionen ein. Sie
thematisierte den gesellschaftlichen Auftrag von Kultureinrichtungen.
Dieser besteht neben der Zugänglichmachung von Kulturgütern auch darin,
soziale oder kulturelle Problemstellungen aufzuzeigen oder einen anderen
Blick darauf zu ermöglichen. Das kann die Parallelität von aktuellen
Geschehnissen und historischen Gegebenheiten sein und die Frage danach,
wie ähnliche Situationen in der Vergangenheit angegangen worden und
welche Folgen dies mit sich brachte. Es kann auch das Aufzeigen von
Toleranz gegenüber Fremden oder Randgruppen anhand eines Theaterspiels
oder Kunstwerkes meinen. Immer spielt eine Rolle, wie solche Themen
vermittelt werden. Hier bieten die digitalen Medien neue Möglichkeiten,
eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, multimedial mit Bildern,
Tönen und Texten zu erzählen und damit Themen ins öffentliche Gespräch
zu bringen. Der Erfolg der Nutzung von Social Media, das machte die
Diskussion deutlich, sollte dabei nicht an Zahlen festgemacht und auf
die Erhöhung der Besucherzahlen beschränkt werden. Stattdessen ist es
die Aufgabe jeder Kultureinrichtung, sich den eigenen gesellschaftlichen
Bildungsauftrag bewusst zu machen und neue Ideen zu entwickeln, diesem
nachzukommen. Ein stARTcamp kann dabei, wie in Münster, ein geeigneter
Rahmen sein, sich mit anderen über gute Beispiele und darüber
auszutauschen, was das für die Mitarbeiter und das Selbstverständnis
einer Kultureinrichtung bedeutet.
Für die öffentliche Kommunikation jeder Art ist es unabhängig von der
Zielstellung immer grundlegend, ein reflektiertes Selbstverständnis zu
haben, Zielgruppenanalysen zu betreiben, Kampagnen zu planen und die
Aktivitäten professionell zu beobachten. »Ich plädiere dafür“, so fasste
Steffen Peschel im erfolgreichsten Tweet des Tages zusammen, „sich von
dem Begriff Follower zu verabschieden. Wir wollen Dialog.« Man müsse
auch die Themen der anderen Seite aufgreifen, anstatt die sozialen
Medien als neue Werbemittel zu betrachten. Oft scheitert dies am
personellen Aufwand, den die Kultureinrichtungen nicht aufbringen
können.
Dies zeigte sich auch beim stARTcamp in Münster. Die Teilnehmer ohne
Vorerfahrung im professionellen Social-Media-Marketing waren begeistert
von den Möglichkeiten des Erzählens, Präsentierens und Kommunizierens
mit den Besuchern im Netz, die ihnen an diesem Tag aufgezeigt wurden.
Zudem regte der Mehrwert des angeregten, hierarchielosen Austausches
einige dazu an, auch für ihre Fachveranstaltungen Barcamp-Formate in
Erwägung zu ziehen. Obwohl alle interessiert nachfragten und Ideen für
ihre Einrichtungen mitschrieben, wurde schnell auch die Sorge um die
zeitlichen und personellen Umsetzungsmöglichkeiten deutlich. Die
Vielfalt und Tiefgründigkeit machte denn auch deutlich, dass zu Social
Media mehr gehört, als eine Facebook-Seite, zum Beispiel:
- das Selbstverständnis des Hauses in Bildern und Posts immer im Hinterkopf zu behalten
- zu wissen, dass Facebook Anspruch auf Nutzungsrecht der veröffentlichten Bilder und Texte erhebt
- informiert darüber zu sein, auf welchen Plattformen die Zielgruppen sind und sie mit ihren Bedürfnisse anzusprechen, nicht nur die eigenen Botschaften zu vermitteln
- crossmedial zu arbeiten
- digitale und reale Kommunikation und Aktionen zu verschränken
- Transparenz auch für den Alltag in einem Kulturbetrieb zu erzeugen
- und schließlich: immer die Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen und aufzubereiten – im Sinne der gesellschaftlichen, nicht nur der künstlerischen Relevanz
Die Erkenntnis aller Teilnehmer nach dem ersten stARTcamp in Münster war demnach, dass vor jeder Aktivität im Internet, sei es Social-Media-Marketing oder digitale Projekte, immer eine Marktforschungsstudie, eine genaue Zielsetzung und eine Evaluation der Besuchergruppen stehen müssen. Neue Techniken wie iBeacon, mit dem die Bewegungen von Museumsbesuchern über das Bluetooth ihrer Handys statistisch erfasst werden, könnten dies in Zukunft stark erleichtern. Auf diesen Erkenntnissen sollten das inhaltliche Konzept, die Ideen zu Spielelementen oder Kommunikationsweisen und schließlich die technische und optische Umsetzung folgen, bevor die tatsächliche Social-Media-Aktivität beginnt. Wichtige Erkenntnis für mich war – wie beim schon bei vorherigen Barcamp-Besuchen – noch eine zweite: trotz aller Begeisterung für die neuen digitalen Kulturwelten, können diese nie einen regen, offenen Austausch in netter Atmosphäre, am besten bei sonnigem Frühlingswetter, ersetzen.
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