Kristin Hermann

Reporterin Weser-Kurier und freie Journalistin, Bremen

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Post-Projekt für Senioren scheitert in Bremen

Um Senioren zu betreuen, ergriff die Deutsche Post verschiedene Maßnahmen. Keine davon war von Erfolg gekrönt. (David-Wolfgang Ebener /dpa)

Um Senioren zu betreuen, ergriff die Deutsche Post verschiedene Maßnahmen. Keine davon war von Erfolg gekrönt.

Ein Jahr nach dem Start ist ein bundesweit einzigartiges Projekt der Seniorenbetreuung in Bremen krachend gescheitert. Die Deutsche Post hatte dafür Briefzusteller eingesetzt. Nach Informationen des WESER-­KURIER wollte aber nicht ein einziger Kunde einen entsprechenden Vertrag abschließen. Auch ein zweites Projekt, der „Lotsendienst", bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Dabei waren die Angebote im vergangenen Jahr groß angekündigt worden. Sie waren in ein Maßnahmenpaket der Stadt mit dem Namen „Herbsthelfer" eingebunden, das Bremen mit Kooperationspartnern testen wollte, um eingeschränkte Senioren zu unterstützen und einen Aufenthalt im Pflegeheim hinauszuzögern. Insgesamt hat die Stadt dafür 460.000 Euro veranschlagt, wobei die Leistungen der Post nicht städtisch finanziert werden.

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Besonders das Projekt „Post persönlich" hatte für Aufsehen gesorgt. Der Dienst stellt eine Erweiterung des Hausnotrufdienstes der Johanniter dar und ist für den Versuch nur in Schwachhausen verfügbar gewesen. Die Briefzusteller klingeln an drei oder sechs Tagen pro Woche, erkundigen sich nach dem Wohlbefinden der Kunden und übergeben die Post persönlich. Wenn der Kunde Hilfe benötigt, werden die Johanniter informiert.

Kein Interessent wollte zahlen

Nach Angaben der Post habe es zwar Interessenten gegeben, letztlich wollte jedoch keiner von ihnen zahlen. Dabei war die Zielzahl des Unternehmens 2018 schon gering ausgefallen: 50 Kunden sollten zunächst in Schwachhausen überzeugt werden. Doch offenbar war die Leistung den meisten zu teuer und nicht kundenfreundlich genug. Zusätzlich zu dem Hausnotruf hätte der Vertragsabschluss mit der Post neun bis 15 Euro im Monat gekostet.

Herbert Kubicek, Projektleiter im Institut für Informationsmanagement, begleitet alle Maßnahmen der „Herbsthelfer" wissenschaftlich. „Es ist wahrscheinlich, dass die Leistungen im ländlichen Raum besser angekommen wären. Dort haben die Zusteller eine engere Bindung zu ihren Kunden, und der Bedarf ist größer. In der Stadt denken noch immer viele, dass sie mit anderer Hilfe zurechtkommen", sagt Kubicek. Zudem sei der tatsächliche Aufwand der Zusteller nur schwer zu kalkulieren.

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Das Angebot war in Deutschland einzigartig. Die Verantwortlichen haben sich dabei auch mit ihren Kollegen von La Poste in Frankreich ausgetauscht, die bei einer ähnlichen Testphase zwar deutlich mehr Kunden gewinnen konnten, die Leistung aber nicht ausbauen werden. „Wir mussten feststellen, dass es offenbar ein breiteres gesundheits- und sozialpolitisch getragenes Konzept braucht, um eine solche Idee zum Erfolg zu führen", sagt Alexander Edenhofer, Sprecher der Deutschen Post. Deshalb werde das Angebot auch nur noch bis Ende Mai zur Verfügung stehen.

Freiwillige sollen ältere Menschen unterstützen

Nicht viel besser ist die zweite Maßnahme der Post angelaufen. In den vergangenen Monaten sollten Briefzusteller in Horn, Mitte, der Neustadt und Walle gezielt Freiwillige werben, die sich in den sogenannten Dienstleistungszentren der Wohlfahrtsverbände engagieren wollen, um ältere Menschen in verschiedenen Lebenslagen zu unterstützen.

Laut Kubicek haben sich zum jetzigen Zeitpunkt nur knapp zehn Personen als Freiwillige angeboten. Dabei wurden etwa 3000 Informationskarten eingeworfen. Doch genau da liege das Problem. Eigentlich sollten die Zusteller aktiv auf ihre Kunden zugehen. Doch nur etwa 20 Prozent hätten das auch getan, stellt Kubicek in einem Evaluationsbericht fest, der Anfang Mai Thema in der Sozialdeputation sein soll.

Demnach habe es im Vorfeld keine ausreichenden Schulungen für die Postboten gegeben. Zehn Minuten habe die kurze Einweisung gedauert, die Flyer seien nicht erläutert worden. „Einige Zusteller haben zugegeben, dass sie sich nicht trauen, die Leute anzusprechen", so Kubicek. Außerdem sei man vor dem Start des Projekts davon ausgegangen, die Postboten würden den Großteil der Menschen in ihrem Verteilgebiet kennen. Diese Annahme habe sich nicht bestätigt.

Die Post selbst sieht den mangelnden Rücklauf unter anderem in der gesellschaftlichen Entwicklung begründet. „Die Anzahl an Ehrenamtlichen ist in fast allen Bereichen rückläufig", so Alexander Edenhofer. Die Dienstleistungszentren zeigen sich von den wenigen Rückmeldungen enttäuscht. „Wir hatten uns mehr erhofft", sagt Andrea Ackermann, Bereichsleiterin für die Dienstleistungszentren der Arbeiterwohlfahrt. Das Lotsenprojekt wird nach Abschluss der Testphase im Sommer laut Finanzbehörde nicht weitergeführt.

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