
Herta Schuster bei ihrem Kurztrip auf einen Grazer Bauernmarkt. Anschließend geht es in die Lagunenstadt. (Bild: Schätz)
Amadeus Linzer ermöglicht Seniorinnen und Senioren, mit Virtual-Reality-Brillen Orte zu besuchen, die sie sonst nicht mehr besuchen könnten. Eine Reise von Aigen nach Venedig.
"Geht ihr auch mit mir auf Reisen?", fragt Herta Schuster und lacht, als noch drei andere Seniorinnen und ein Senior in den Vorraum der Tagesbetreuung in Aigen geführt werden. Sie hat bereits an einem runden Tisch Platz genommen, auf dem vier klobige Brillen liegen. Für viele - auch weniger betagte Personen - wäre es ein ungewohnter Anblick. Doch die 81-Jährige kennt die Hightechbrillen bereits und weiß, was auf sie zukommt.
Mit leuchtenden Augen begutachtet sie die Virtual-Reality-Brillen, während es sich die anderen am Tisch gemütlich machen. "Wo geht es denn heute hin?", fragt sie den Betreuer Harald Engruber, der die Reisen regelmäßig mit den Seniorinnen und Senioren macht. "Wo wollen Sie denn hin?", lacht er und greift zum Tablet, als würden sie sich in einem Reisebüro befinden."VitaBlick" heißt das Unternehmen, das der Burgenländer am Dienstag bei der Unterhaltungssendung "2 Minuten 2 Millionen" vorstellte. Mit 360-Grad-Kameras produzieren er und sein Mitarbeiter Julian Hobmaier Filme mit Rundumblick. Ob der Himmel über der Kamera, die Wiese darunter oder die weidenden Kühe neben oder hinter der Kamera - alles wird aufgenommen. Mit den sogenannten VR-Brillen lassen sich diese Filme dann anschauen. Die Brillen reagieren auf Kopfbewegungen. Dreht man den Kopf nach links, schaut man auch in der virtuellen Realität nach links.
Die Idee, VR-Brillen in Seniorenheimen einzusetzen, kam Linzer, als sein Opa krank wurde: "Er ist früher sehr gerne gereist und hat uns Geschichten davon erzählt." Eine Krebserkrankung beeinträchtigte seine Mobilität. "Das hat ihn verändert. Er war ruhiger und antriebslos, weil er nichts mehr machen konnte." Zusammen mit einem Studienkollegen kam Linzer auf eine Idee: "Ich habe meine erste VR-Brille gekauft und bin in ein Seniorenheim gegangen." Mehr als 20 Einrichtungen habe er mittlerweile ausgestattet - und das, obwohl viele Heimleiter "anfangs skeptisch waren", sagt Linzer.
Für den Salzburger Psychologen Michael Leitner, der sich in seiner Forschung mit Virtual Reality auseinandersetzt, ist die Beobachtung Gsengers nachvollziehbar. Zwar betont er, dass die Wirkung von VR auf Demenzkranke bislang kaum erforscht sei, erklären ließe sich die beobachtete Wirkung aber trotzdem: "Zunächst ist eine ganz banale Antwort, dass so etwas einfach Freude bereitet - das tut den Menschen gut." Auch dass eine "Reise" an bekannte Orte mithilfe einer VR-Brille Erinnerungen bei Demenzkranken hervorruft, hält Leitner für plausibel. "Bilder von Orten, an denen man war, rufen Erinnerungen ab und durch VR ist man praktisch mittendrin statt nur dabei."
Genau deshalb räumt Leitner der Technologie hohe Chancen im Bereich von Rehabilitation und Therapie ein. "Man verwendet VR schon bei sogenannten Expositionen - zum Beispiel bei der Behandlung von Angststörungen", beschreibt Leitner. Durch die Technologie könnten sich Menschen mit ihrer Angst auseinandersetzen, erklärt er.
Gleich zwei Reisen haben die Senioren an diesem Tag gemacht. "Ist es schon vorbei?", fragt Herta Schuster nach dem Ausflug ins sonnige Graz. Betreuer Engruber lädt jetzt noch Venedig auf die Brillen. Es ist eine Reise in die beliebte Stadt, wie man sie nicht hätte besser planen können. Ein singender Gondoliere, der Besuch in einem prunkvollen Geschäft, aber vor allem: Jede Menge Erinnerungen werden wach. "Hier war ich das letzte Mal, als ich mit meinem Mann die silberne Hochzeit gefeiert habe", schwärmt Edeltraud Trawöger. "Das ist 30 Jahre her."
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