Aller Anfang ist schwer, deswegen fangen wir gleich
am Ende an. Sie ist weg, kommt nicht mehr her, war wütend wie Waldbrand und
voller Hass, der so kalt und endgültig sein wird, wie frisch gewordener Stahl. Hab'
ihr noch Peperoni nachgeworfen. Half nichts. Peperoni fliegen nicht weit und nicht
gut, nicht weit genug, nicht so gut wie brennende Kerzen, aber die hinterlassen
eine Sauerei, die dann auf Knien, unter Tränen, entfernt werden muss. Solange
das Wachs noch wird, kann man nichts tun, außer halbvolle Gläser wegschütten
und Rauchen gehen und wenn man nicht raucht, und keine halbvollen Gläser hat, hat
man in solchen Momenten nichts zu tun, außer darüber nachzudenken, ob man nicht
mit dem Rauchen und Trinken anfange sollte. Wenn man nicht Trinken will, ist Rauchen
die einzige vernünftige Möglichkeit, um mit solchen Momenten fertigzuwerden.
Man kann nicht einfach ohne Zigaretten in die Luft gucken und trocknendes Wachs
warten, ohne dass die Nachbarn, auf den anderen Balkonen denken, man würde durchknallen
und auf Wachs warten. Sich langsam hinzurichten, macht in ihren Augen mehr Sinn,
als einfach so dazustehen und von der Luft aus ins All zu gucken. Zigaretten
wurden gemachten, um ins All zu gucken, sie wurden genau für solche Momente geschaffen
und man fragt sich, was zuerst da war, die Zigarette oder der Moment, der Rauch
oder der Wind. Der Effekt, den Zigaretten in solchen Momenten haben, die man im
Unterbewusstsein raucht, ist nicht die Zigarette selbst, sondern das
Durchatmen, zu dem uns die Zigarette zwingt. Man steht im Moment und atmet den
Moment durch die Luft ein und die Luft fühlt sich wie etwas Lebendiges an und
man atmet aus und guckt sich dabei die Luft genau an, den Rauch im Wind, starrt
vom Balkon aus ins Nichts und führt sich die Gründe vor Augen, fragt sich, wie
das allen nur wieder so weit kommen konnte und hält sich dabei an der Zigarette
fest, wie an einem Geländer. Hinter dem Geländer ist nichts, nur Tiefe, die
dich nach unten zieht und genau um dieses tiefe Nichts ging es wieder. Man
versucht noch einzulenken, bevor es um etwas geht, stellt sich quer, will nicht
schon wieder diese lange staubige Straße runtergehen, ohne dass man vernünftige
Getränke dabei hätte, lässt sich provozieren, wird zerstörerisch, täuscht einen
Herzstillstand vor, lauert auf die Fehler des anderen, macht dieselben Fehler,
bis es doch um irgendwas geht und das Geduldsstahlseil reißt und man schreit
und schmeißt und zerrt und sich fallen lässt, wie eine Fußballschwalbe, um dem
anderen das Gewissen mit einem Backblech zu durchbohren. Am Schluss ist man
ausgehöhlt und angewidert, sich selber nicht, noch, dass der Andere schnauft
und atmet. Heult. Selbstverständlich auf und abmarschiert. Aussieht. Da ist. Weg
geht. Hoffentlich zurückkommt, wenn ich das hier fertig geschrieben habe.
Vielleicht. Vielleicht, aber auch nicht. Die Zunge entsichert, dass Das-Wars
schon auf den Lippen und man kann so ein Das-Wars nicht wieder einfangen, wenn
es einmal bis zum Ende gesagt wurde, wie man keine Pistolenkugel einfangen
kann, wenn man sie einmal abgeschossen hat. Von Schimpfworten ganz zu
schweigen, auch wenn die sich noch so schön sagen lassen. Auf südeuropäisch
gibt es tolle Schimpfworte, die sich ganz ausgezeichnet sagen lassen, man kann
gar nicht wiederstehen, sie zu sagen. Umso religiöser ein Land, desto besser die
Schimpfworte. Worte wie Dynamit, sie brennen nicht lange. In Deutschland haben
wir keine guten Schimpfworte und wenn man versucht, deutsche Schimpfworte in
Südeuropäisches zu übersetzen, kann viel schiefgehen. Sie sagen nicht das
gleiche und werden vielleicht im Zielland als Heilige verehrt. Faustregel: Nichts
in [...]
Erschienen in The Harbor Magazine IV/2020
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