Innerhalb einer Woche von Berlin nach Lissabon durch München bis Mailand. Ich habe gut gegessen, schön geschlafen, zwei tolle Mädchen getroffen, bezahlten Ausblick genossen und die Tage mit Frederico Morais, Luke Davis, Nic von Rupp, Dion Aguis und Leonardo Fioravanti verbracht. Ja und? Und keiner hat es mitbekommen. Die Kunst Dinge für sich aushalten zu können, ist eine Tugend. Eine kaum noch Zeitgemäße. Eine kaum auszuhaltende Mammutaufgabe und ich bin überglücklich meine Woche in diesen Zeilen endlich von der langen Leine zu lassen. Der Zwang des Kundtuns hält Einzug und niemand scheint uns daran zu hindern, unser Leben bis in die Unerträglichkeit zu veröffentlichen. Natürlich nur das Gold in der Scheiße und bloß nichts, das unter die Haut geht. Wir jetten von hier nach da und verbrennen uns auf der Sonnenseite des Lebens die eigene Integrität. Geht es noch um die Sache oder darum aus der Sache ein möglichst bewundernswertes Konstrukt der Anderen zu machen? Geht es darum, die Geschichte durch Ereignisse zu erleben oder die Ereignisse der Geschichte wegen? Schwerer Satz. Ist aber auch kein leichtes Thema. Natürlich bin ich nicht anders. Aus einer unerklärlichen Motivation heraus muss ich die Dinge zugänglich machen, die ich erlebe, verarbeite und auf mein digitales Blatt Papier bringe. Solange eine fertige Geschichte auf meinem Desktop liegt, juckt sie wie Seeläuse. Ist wie Theater ohne Publikum, bei dem mich Perfektion bis zum unveröffentlichten Abgrund treibt. Deswegen endlich raus! Das grenzt an Bondage fürs Publishing. Publikationszwang. Aber dieser Zweck rechtfertigt noch lange nicht alle Mittel. Schon gar nicht die, der inhaltlosen Kommunikation. Enthaltsamkeit predigen und alleine Wein trinken, den Moment selbst genießen und sich der eigenen Mittel beschränken. Hürden bauen, die entschleunigen und mich dazu zwingen Profisurfer ohne Selfie auszuhalten. Fotografie auf Film kann helfen. Fehlendes Smartphone auch. Diktiergerät und Notizbuch sind nice to have, aber reine Kosmetik, um im Kampf mit dem eigenen Geltungsbedürfnis am längeren Hebel zu sitzen. Deswegen bleibt die ehrliche Angabe immer noch die bessere Bescheidenheit. Denn der Unterschied besteht im Abstand zum Ereignis. Texte müssen geschrieben, Filme erst produziert, Bilder entwickelt und Chefredakteure erst überzeugt werden. Der Druck von Magazinen steht in Internetzeitrechnung oft in jahrhundertelangem Abstand zur eigentlichen Geschichte. Print ist somit der Toptherapeut simultaner Mitteilungsneurose. Analyse: Anerkennung, Sex und Geld sind Triebfedern, die letztlich nichts anderes wollen als geliebt zu werden. Bedingungslos. Und wie? Durch ein filmreifes Leben? Selbstverwirklichung bis einem schlecht wird oder kommunikative Prostitution? Das Internet als Weg zur schnellen Liebe, Aufmerksamkeit und Mikroprominenz. Man muss sich schon nah sein, aber eigentlich doch dem Nächsten am nächsten? Und dann gerade Dion Aguis. Der Vater aller selbstverherrlichenden Surf-Blogs veröffentlicht sein letztes Video im Offline. Wo? Dort, wo es die Welt nicht findet. Gerade Dion Aguis schickt uns ein schwarz weißes Meisterwerk, auf dem sich Noa Dean gerade die Augenbrauen gezupft hat. Exklusiv. Unveröffentlicht. Und das mit einem Covercharakter, den jedes, wirklich jedes Surfmagazin auf der Erde, gerne ihr Eigen nenne würde. Wer hält so was aus? Ein ausdrucksstarkes Foto im Schubfach vor den Blicken der anderen zu bewahren? In Unzugänglichkeit verstauben zu lassen auf das der Tod sie scheidet oder wir ihn danach fragen? Dion fucking Aguis. You’re my hero. Und auch, wenn wir Dich endlich gebrochen haben, wird es wieder Zeit für mehr Geheimnisse.
Erschienen in PULK Magazin - Ausgabe #1
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