Die Surfing World Tour! Milch und Honig im Ehrgeiz des Athletenlebens, weil vorerst angekommen im Zenit der Zielsetzung. Von nun an auf der ultimativen Bühne zu erfahrender Sportlichkeit. Nüchtern zwischen Traumdestinationen von Fidschi bis nach Pipeline. Ausgeschlafen von Avocado bis Bells Beach. Bereit alles zu fordern von sich und vor dem engeren Umfeld. Für Egoismus, in dem Allesmögliche der sportlichen Karriere unterzuordnen ist. Nächstenliebe und Provisionen für Menschen und Manager hinter den Kulissen, die Ihren Kosmos um Dich kreisen lassen. Marktwert Marketing und deshalb nur die gut gebügelten Antworten auf zu zerknitterte Fragen. Wie eine "Dream-Tour" ohne Träume, die sich noch an Menschlichkeit klammern, sondern direkt nach dem Yoga ins Bett gehen. Sich nicht nach irdischen Gelüsten sehnen, nach neuen Lastern fahnden. Frauen, Jetlags oder zumindest mal Piña Colada. Alles was das Leben zwischen Kontinenten, auf Werbeplakaten und in exotischen Monsterbarrels sonst noch zu bieten hat. So langsam gehen die Rocker von Board und mit ihnen ein Lebensgefühl, an dem wir uns messen. Ja dem Menschen hinterm Athleten die Hände schütteln konnten. Jetzt nur noch Demut und das nicht nur in Pipeline. Jetzt nur noch Konsens und das meistens im Interview. Zu beachtende Regeln und ein amtierender World Champion, der personifiziert, was diese Zeilen so fürchten. Jeden Tag vor acht im Bett? Nur noch Surfen, auch unmittelbar nach dem gewonnen World Title? Nur noch "Ja und Amen" und nur noch Namen, die uns hiermit unterscheiden?
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Bist Du bereit? Die Tragik des Athletendaseins scheint verständlich, paradox und irgendwie unumgänglich. Auf alle Fälle zeitgemäß, denn professionelles Surfen steckt im Umbruch und hadert zwischen Leichtigkeit und Fitness. Zwischen zu viel Ehrgeiz und lässig gebräunter Haut. Zwischen Platz für Persönlichkeit und reinem Funktionieren, das alles abverlangt. Was wird passieren, wenn die Rocker von Board gegangen sind? Wenn die Ikonen unseres Sports nur noch Uniform sagen und nur in ihren Work-Outs so richtig über die Stränge schlagen? Wenn alle anderen die Coronas für gewonnene Titel exen müssen, weil der amtierende Weltmeister einfach nicht mittrinkt? Wenn alle wirklich nur noch nett sind? Diamanten ohne Kanten? Wenn ich dir sage, dass ich mir die Antworten auf meine Fragen wahrscheinlich selbst gegeben hätte, wenn nicht sonniges Lissabon oder modisches Mailand, sondern verregnetes Hamburg dafür von Nöten gewesen wäre? Sag‘s mir! Sag mir und meinem Harmoniebedürfnis, dass alles gut sein wird! So wie eine Mutter, die ihrem Kind mit einem unhaltbaren Versprechen die Angst nimmt und beteuert, dass es doch auch im Volcom-Haus seit Jahren heimlich Avocado gibt? Aber doch bitte nicht für die Zukunft. Mit zwei Athleten, die ihrer Küstenlinie endlich wieder gerecht werden und mit ihrer Biografie sogar Länder ohne Groundswell zum Träumen verleiten. In zwei Interviews, die du pressen musst wie junge Nektarinen, damit der Saft endlich Geschmack bekommt. Für zwei Geschichten, denen endlich wieder alles zuzutrauen ist und zuliebe eines flehenden kategorischen Imperativs: Bitte stets mehr Mensch, als Profi bleiben!
Erschienen im BLUE Yearbook 2017
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