Ein Wald in Läänemaa, 90 Kilometer westlich von Tallinn. Die Frühlingssonne scheint, die Vögel feiern Hochzeit. Und dann, irgendwo aus dem Gestrüpp, kommt Geschrei. Vier Teenager rennen los, ihre Ausrüstung schlenkert dabei durch die Luft. Da, hinter einem Busch liegt ein Soldat, dem eine Mine das rechte Bein abgerissen hat. Erfreulicherweise hört sein Geschrei sofort auf, als sie ihn erreichen. Er stützt sich auf seine linke Hand, drückt mit der rechten rhythmisch eine kleine Pumpe, sodass munter Blut aus dem Beinstumpf spritzt, und schaut beinahe etwas gelangweilt zu, wie die vier hektisch beraten, was zu tun ist. In holprigen Stimmbruch-Stimmen reden sie durcheinander, die Zeit läuft. Dann scheinen sie sich nach und nach zu erinnern: Den Verletzten ansprechen, Blutung stoppen, mit dem Walkie-Talkie Sanitäter rufen und ... war da noch was?
Kolja Haaf
Freier Journalist (IJP-Stipendiat, Recherchepreis Osteuropa, Ausbildung:..., München/Berlin
Reportage