Havanna/Hamburg - Die Ansprache begann, wie diese typischen Reden kommunistischer Machthaber eben beginnen. Die Stimme monoton, die Sprache gestanzt. So kennen es die Kubaner von ihren Regierenden und Parlamentariern.
Kubas Staatschef Raúl Castro, der kleine Bruder von Revolutionsführer Fidel, hatte im braun getäfelten Büro in brauner Uniform in braunem Sessel Platz genommen. Noch etwas ungeschicktes Rascheln mit dem Manuskript - dann las Castro vor. Es klang zwar, als ginge es um eine Verordnung zur Erhöhung des Fünfjahresplans zum Zuckeranbau, aber in der rund zehnminütigen Rede steckte Historisches.
Diplomatische Beziehungen zu den USA!
Botschaften statt Interessenvertretungen!
Reiseerleichterungen!
Die Mehrzahl der elf Millionen Kubaner hat es ungläubig vernommen. Schließlich bringen sie die Neuerungen dem "gelobten Land" USA ein großes Stück näher.
Zwar kennen zwei Generationen Kubaner die Vereinigten Staaten, zumindest offiziell, nur als Feind - da drüben kurz hinter dem Horizont. Und sie haben gelernt, dass das knappe Dutzend US-Präsidenten seit der kubanischen Revolution 1959 nichts anderes im Sinn hatte, als das letzte kommunistische Eiland zu versenken. Zumeist stimmte das ja auch. Fidel Castro, Kubas Revolutionsführer und seit 2006 im Kranken- und Ruhestand, will 638 Attentate auf sein Leben gezählt haben. Hinter der übergroßen Mehrheit davon vermutet man auf Kuba den US-Geheimdienst CIA.
"Eine Ära endet"
Mit dieser Feindschaft soll nun Schluss sein? Selbst die sonst so regierungskritische Bloggerin und Journalistin Yoani Sánchez äußerte sich ungewöhnlich zurückhaltend: "Eine Ära endet, und ich hoffe, dass die neue Zeit die der kubanischen Zivilgesellschaft ist", schrieb Sánchez auf Twitter.
Seit Mittwoch entschärft sich einer der letzten Konflikte des Kalten Krieges. Er hatte die Welt mit der Raketenkrise und der Invasion in der Schweinebucht in den Sechzigerjahren an den Rand eines neuen Krieges gebracht. In den vergangenen Jahrzehnten wurde diese Schlacht nur noch mit Worten, Propaganda und natürlich mit Wirtschaftssanktionen geschlagen.
Mit vier Worten umschrieb Castro II. in seiner Rede dann auch das größte Hindernis bei dieser historischen Annäherung: "El bloqueo debe cesar". "Die Blockade muss aufhören." In Kuba nennt man das fast sechs Jahrzehnte alte US-Wirtschafts-, Handels- und Finanzembargo nur "die Blockade".
Es trifft ja auch den Kern der Sache. Über viele Jahre kam aus den USA und auch den Ländern der westlichen Bündnispartner nichts ins Land: keine Güter, keine Ersatzteile, keine Nahrungsmittel. So mussten sich die Menschen zu Zeiten der Sowjetunion mit Konserven aus Bulgarien begnügen, albanisches Kompott essen, mit weißrussischen Traktoren die Äcker bestellen und in IFA-Lastern aus der DDR die knappen Waren transportieren. Wirklich besser wurde es auch in den folgenden Jahren nicht.
Der karge Alltag trieb Tausende Kubaner in die Flucht: auf Flößen, in Booten und allem, was halbwegs schwimmfähig schien. Es zog sie über die Straße von Florida, jene gefährliche Meerenge zwischen Havanna und Miami. Ins "gelobte Land".
Das Embargo als Grund für das Leid in Kuba
Das Embargo diente Raúl und Fidel Castro all die Jahre dazu, nach innen die Reihen gegen den Feind in Washington zu schließen und die Unzulänglichkeiten der Planwirtschaft auf "El bloqueo" zu schieben. Und die Sanktionen waren auch immer wieder Vorwand für Repressionen gegen die Opposition. Ihr warf die Regierung - mal zu Recht und mal zu Unrecht - vor, aus Washington gesteuert oder finanziert zu sein.
Auch am Mittwoch kritisierte Castro das Embargo nochmals als Ursache für die Missstände in seinem Land: Die Sanktionen hätten "enorme menschliche und wirtschaftliche Schäden" über Kuba gebracht, sagte der Präsident.
Dass Castro sich gerade jetzt offen zeigt für eine Versöhnung mit den USA, ist kein Zufall. Venezuela, mit Abstand größter Sponsor der kubanischen Revolution und Haupthandelspartner, wird womöglich seine Hilfe für die Brüder auf der Insel einstellen müssen.
Der Absturz des Ölpreises hat auch Venezuela in eine tiefe Rezession gestürzt. Möglich scheint, dass Präsident Nicolás Maduro seine Rohstoffe und Petrodollar bald nur noch für die Aufrechterhaltung der eigenen Volkswirtschaft einsetzen wird.
Das hat natürlich auch die kubanische Führung erkannt - und macht sich mit dieser historischen Annäherung schon einmal auf die Suche nach neuen Geldgebern.
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