Es war keine Übung: Am 31. März löste Taiwans Luftwaffe gegen 11 Uhr Alarmbereitschaft aus, nachdem zwei chinesische Kampfjets vom Typ J-11 die Mittellinie der Taiwanstraße überflogen hatten. Die 180 Kilometer breite Meerenge trennt die dicht besiedelte Insel von Chinas Südostküste. Fünf F-16-Kampfflieger starteten zur Abfangmission. Nach zehn Minuten und vielen Funkwarnungen drehten die Chinesen ab.
Eigentlich soll die imaginäre Mittellinie über der Taiwanstraße solche Zwischenfälle vermeiden. Seit 20 Jahren hatte China sie nicht mehr bewusst verletzt. Das zeigt, dass die Aktion kein Zufall war, sondern zu einer ganzen Reihe von Drohgebärden gehört, mit der Peking den Druck auf Taiwan erhöht. Seit ihrer Gründung 1949 erhebt die Volksrepublik Anspruch auf die Insel, auf der sie nie auch nur einen Tag lang das Sagen hatte.
Für den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping, der sein Land als Weltmacht etablieren will, ist Taiwan von großer Bedeutung. "Territoriale Integrität" gilt als Voraussetzung für die "Wiedergeburt der Nation", und nach 70 Jahren Propaganda steht für die meisten Chinesen außer Frage: Taiwan gehört dazu. Dass die völkerrechtliche Lage nicht geklärt ist und die 23 Millionen Bewohner der Insel weder ihre Freiheiten aufgeben noch sich Peking unterordnen wollen – das alles lässt China nicht gelten. Und die Volksrepublik nutzt ihre wachsende Macht geschickt, um zu erreichen, dass Taiwans Position im Rest der Welt möglichst wenig Gehör findet – etwa, indem der Inselstaat von allen UN-Organisationen ausgeschlossen bleibt.
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