- Wer gerne und viel draußen in der Natur ist, kann selten auf sie verzichten: Regenkleidung.
- Die praktischen Outdoorklamotten sind allerdings nicht immer so grün, wie man denken könnte.
- Warum das so ist und welche nachhaltigen Alternativen es gibt, lesen Sie hier.
Ob als leuchtend gelber Friesennerz oder als pragmatischer Windbreaker: Regenjacken sind nicht nur nützlich, sondern mittlerweile auch ein Must-have. Denn Outdoormode boomt. Das liegt nicht zuletzt an dem seit Ausbruch der Pandemie deutlich gestiegenem Bedürfnis nach Spaziergängen und Ausflügen in die Natur - und zwar auch bei norddeutschem „Schietwetter". Im Freizeit-Monitor 2021 der Stiftung für Zukunftsfragen gibt jeder zweite Deutsche an, gerne spazieren zu gehen. Die neue Lust am Draußensein wirkt sich auch auf die Bekleidungsbranche aus: Das Onlineportal Statista prognostiziert für das Outdoorsegment bis zu 2,5 Milliarden Euro Jahresumsatz in 2025.
Der Natur selbst tut diese Entwicklung nicht immer gut, denn gerade Regenoutfits sind oftmals alles andere als grün oder nachhaltig. Wie kommt die Ware zum Zielort? Welches Material wird verwendet? Ist es reparierbar? Wie sind die Arbeitsbedingungen vor Ort? Ob Regenkleidung nachhaltig ist oder nicht, hängt letztlich von vielen Faktoren ab. „Das ist je nach Hersteller und Jacke anders", sagt Holger Cebulla, Professor für Textile Technologie an der Technischen Universität in Chemnitz.
Natürlich gebe es Überschneidungspunkte bei den Bewertungskriterien, wie den CO₂-Fußabdruck, Wasserverbrauch, Energieeinsatz oder wie welches Material eingesetzt wird. Aber: „Es gibt keinen einheitlichen Standard für nachhaltige Outdoorkleidung", betont Cebulla. Je nachdem, welches Nachhaltigkeitssiegel der Hersteller verwende beziehungsweise welche Kriterien er für seine eigenen Siegel ansetze, falle die Bewertung anders aus. Eine Regenjacke, die in einem Ranking als nachhaltig gelte, belege also unter Umständen in einem anderen Ranking lediglich einen hinteren Platz.
Kann Polyester nachhaltig sein?In der Regel wird Regenkleidung aus Polyester oder Polyamid hergestellt. Die Kunststoffe basieren auf Rohöl, einer nicht erneuerbaren Ressource, und sind nicht abbaubar. Dennoch ist die Frage, ob diese Materialien nachhaltig sind oder nicht, nicht so leicht zu beantworten. „Unter dem Aspekt Klima ist Polyester wahrscheinlich sogar umweltfreundlicher als manche natürliche Faser. Denn Energiebedarf, Chemikalieneinsatz und Wasserverbrauch sind weitaus geringer als zum Beispiel bei Materialien aus Baumwolle", sagt Marco Hühn, CSR-Manager der Marke Deuter und Sprecher der Fashionsustain-Konferenz der weltweit größten Messe für nachhaltige Mode „NeonYT".
Außerdem komme es auch darauf an, um welche Art von Produkt es sich handele: „Wasche ich einen Fleecepulli, der zu 100 Prozent aus Polyester besteht, entsteht mehr Mikroplastik als bei einem Rucksack aus fest verwobenem, beschichteten Material, der nicht in der Maschine gewaschen wird. Für die Bewertung von Nachhaltigkeit sollte immer der gesamte Lebenskreislauf des Produkts betrachtet werden", meint Hühn.
Kritischer ChemikalieneinsatzDabei stößt man unweigerlich auf den Aspekt des Einsatzes von Chemikalien: Teilweise werden bei der Herstellung und der Imprägnierung von Regenjacken immer noch sogenannte per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) eingesetzt. Sie kamen in den Sechzigerjahren auf und gelten als besonders wasser-, schmutz- und ölabweisend. Dafür eignen sich die PFCs unter anderem deswegen besonders gut, weil sie so langlebig sind. Für Mensch und Umwelt sind sie jedoch hochproblematisch.
„PFC, die durch Waschen und Abnutzung in die Umwelt gelangen, können nicht abgebaut werden und reichern sich so immer weiter an", sagt Jona Schulze, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Umweltbundesamt (UBA). „Studien belegen, dass bestimmte Substanzen aus der PFC-Stoffgruppe unter Verdacht stehen, Krebs zu erregen und Stoffwechselstörungen zu verursachen."
Umweltorganisationen wie der Naturschutzbund (NABU) kritisieren seit Jahren die Verwendung von PFCs in Outdoorjacken. Greenpeace hat 2011 mit „Detox" sogar eigens eine Kampagne gestartet, um die gefährlichen Chemikalien aus der Textilindustrie zu verbannen. Untersuchungen der Umweltschützerinnen und -schützer zufolge fördern PFC etwa bei Tieren das Wachstum von Tumoren und beeinträchtigen das Hormonsystem. Auch das UBA warnt vor den Chemikalien: PFC verunreinigen die Atmosphäre, verteilen sich durch Niederschlag und Gewässer global bis in die entlegensten Ecken und werden von der Landwirtschaft - angereichert in Klärschlamm - auf den Feldern verteilt. Menschen nehmen die schädlichen Chemikalien hauptsächlich über die Nahrung oder verunreinigtes Trinkwasser auf.
Was sind die Alternativen?PFC sind gesundheitsschädlich und belasten die Umwelt. Warum werden sie in der Textilbranche also überhaupt noch verwendet? „PFC waren lange der heilige Gral der Outdoor-Industrie", erklärt Marco Hühn. „Die fluorcarbonhaltige Ausrüstung hat die Produkte hochfunktionell gemacht und uns dahin gebracht, wo wir heute sind", so Hühn. „Viele waren sich schlicht nicht bewusst, was für katastrophale Auswirkungen PFC tatsächlich haben." PFC-freie-Alternativen, die Regenjacken nicht nur schmutz- und wasser-, sondern auch ölabweisend macht, gibt es bislang nicht.
Aber das ist auch gar nicht notwendig, findet Schulze: „PFC sind in der Textilbranche eigentlich nur für Feuerwehrkleidung oder andere persönliche Schutzausrüstung wichtig", sagt er. „Bei Outdoorkleidung reicht es meistens völlig aus, wenn die Produkte wasserabweisend sind." Und dafür gebe es einige Alternativen, wie Silikone, Wachse oder auch dicht gewebte Textilien, die für eine gewisse Zeit Regen abhalten. Mittlerweile verzichten laut Greenpeace immer mehr Outdoorherstellerinnen und -hersteller auf die Chemikalien. Stattdessen setzen viele auf Jacken mit PFC-freien Membranen aus Polyester sowie Imprägnierungen aus Polyurethan oder auf Paraffin- oder Silikonbasis.
Zukünftig werden - wenn es nach den Experten geht - sogenannte Man Made Fibres aus natürlichen Rohstoffen eine große Rolle spielen. „Biopolymere werden in der Zukunft sehr wichtig werden für die Textilindustrie", sagt Marco Hühn. „Die Fasern werden nicht mehr aus Erdöl gewonnen, sondern aus zellulosehaltigen Materialien." Es gäbe bereits die ersten Ansätze, aber es sei wichtig zu schauen, aus welchen Rohwaren die Fasern produziert werden. „Es sollte auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass Nahrungsmittel dabei verwendet werden." Wichtig sei auch die Bewertung von Wassereinsatz, Chemie und des gesamten Lebenskreislaufs der Materialien.
Darauf sollten Konsumentinnen und Konsumenten achtenAber worauf sollten Bürgerinnen und Bürger achten, die sich beim Spaziergang oder Wandern regenfest kleiden wollen? „Definitiv auf eine PFC-freie Ausrüstung", sagt Marco Hühn. „Bei Regenkleidung sollte man auch auf Labels wie den grünen Knopf oder Fair-Wear-Foundation-Produkte achten. Die stellen sicher, dass auch soziale Aspekte wie die Arbeitsbedingungen in Ordnung sind."
Textiltechnologe Holger Cebulla rät zu langer Lebensdauer und Beratung: „Die beste Regenkleidung ist die, die am längsten hält", sagt er. „Außerdem sollte man sich beraten lassen, welches die richtige Jacke für den gewünschten Einsatz ist. Die Frage ist: Wie viele Stunden Regen soll so eine Jacke aushalten? Für den Alltag reicht für die meisten auch eine wachsbeschichtete Baumwolljacke."