„Dieses Jahr war das schwerste meiner Karriere“, sagt Kollegah und schaut auf den Boden. Bei dem Rapper läuft’s nicht. Seine Schützlinge verlassen reihenweise sein Label „Alpha Music Empire“. Sein Coaching-Programm „Alpha Mentoring“ wurde von Vice-Redakteuren unterlaufen – und dessen Manipulationskraft öffentlich gemacht.
Ende September verabschiedete er sich dramatisch auf Instagram von seinen Fans. Er sei „verraten worden“ und müsse nun „aufräumen“. Zehn Tage dauert die digitale Abstinenz, dann veröffentlicht der 35-Jährige zusammen mit dem letzten verbliebenen Signet Ghetto-Rapper Asche die Single „Bullets“. Mit ihm hat Kollegah am Donnerstag auch seinen Tourauftakt im Capitol bestritten.
Gewalt, Macht, Männlichkeit
Dort scheint für ihn vor allem eins zu zählen: Testosteron. Das Konzert ist die Huldigung eines längst vergangenen Männlichkeitsideals. Auf der Bühne wird Kollegah von sechs breitschultrigen Männern mit ernsten Blicken flankiert. Er selbst trägt Pelzmantel und Sonnenbrille, auf seinem T-Shirt steht „Live Fast“.
In seinen Texten teilt er lautstark gegen Minderheiten jeder Art aus, gibt sich ausdrücklich misogyn, behindertenfeindlich und homophob. Was zählt ist Aggression, Macht und Hypersexualität – also geschlechterstereotype Männlichkeit. Auch die Zuschauer sind fast ausschließlich männlich, haben durchtrainierte Oberkörper und kurzgeschorene Haare.
Ein Turnbeutel für den Bizeps
Kollegah rappt alte Songs wie „Herbst“ und Neues wie „La Vida Koka“ vom aktuellen Album „Monument“. Dazwischen gibt er den Business-Macker am improvisierten Schreibtisch, raucht Zigarre und hantiert mit Kokain-Päckchen herum. „Beim nächsten Song machen wir auf jeden Fall eine Bizeps-Trainingseinheit“, sagt Kollegah und holt zwei Zuschauer auf die Bühne, die sich nun zu der Titelmelodie von Rocky auf einer Hantelbank im Gewicht-Heben messen. Danach gibt’s einen Turnbeutel für beide. „Das war bosshaft“, lobt Kollegah.
Unbeholfener Anknüpfungsversuch
Klar – Gangsta-Rap ist kein Gruppenkuscheln und Punchlines selten politisch korrekt. Aber Felix Blumes, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, Kollegah-Inszenierung wirkt als ob der Rapper in seiner Selbstbestätigungsblase keine gesellschaftliche Diskussionen der vergangenen Jahre mitbekommen hätte.
Das mag bei Genre-Kollegen wie Capital Bra zumindest für die Fans funktionieren, bei Kollegah aber wirkt es wie ein unbeholfener Anknüpfungsversuch an Vergangenes. Für Dezember hat Kollegah „Alphagene 2“ angekündigt – ein zweiter Teil seines Debütalbums von vor zwölf Jahre.
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