Seine ersten Aufnahmen hat er noch per Crowdfunding finanziert, nun ist Faber auf Tour mit seinem zweiten Album. Zwei Abende lang füllt er das Capitol.
Fabers Haare müssen heute viel mitmachen: Er zieht an seiner Lockentolle, wuschelt und rauft, was das Zeug hält, sobald er seine Hände kurz von der Gitarre löst. Mit weißem Anzug, Goldkettchen und breitem Grübchengrinsen steht er da auf der Bühne im ausverkauften Capitol zwischen roten Kunstnelken. Das Publikum juchzt bei jedem Haarewuscheln oder Grinsen. „Mir hat das hier richtig gefehlt“, sagt Faber, und man glaubt es ihm sofort.
Und Hannover hat er auch gefehlt: Nicht nur, dass das Publikum jedes Lied euphorisch feiert. Das Konzert am Donnerstag ist eigentlich ein vorverlegter Tourauftakt, denn für die Show am Freitag gab es zu schnell keine Karten mehr.
Subversiv, mit großer Geste
Fabers Texte sind politisch-subversiv, seine musikalischen Rollenspiele – etwa als übergriffiger Sexist in „Brüstebeinearschgesicht“– drastisch. Dazu breiten stampfende Bläser und wehmütige Streicher opulente Klangteppiche aus. Jedes Lied bekommt so seine ganz eigene Wucht. Mit rauer Stimme singt er Liebeslieder, Generations- und Selbstkritisches.
Es sind kluge Beobachtungen, die er mitunter provokant verpackt. In jeden Ton scheint der 27-Jährige seine ganze Kraft hineinzupressen, und nach wenigen Liedern läuft ihm der Schweiß übers Gesicht. Er tanzt kleine Schritte hinterm Mikro, dreht sich immer wieder zu seiner Band um. Es ist offensichtlich, wie sehr Faber jede Sekunde im Scheinwerferlicht genießt. „I Fucking Love My Life“ – der Titel seines zweiten Albums – ist Programm und Persiflage zugleich.
Ignoranz des Wohlstands
Denn bei Zeilen wie „Die einen ertrinken im Überfluss, die anderen im Meer“ bleibt vom abgefeierten Leben nur ein bitterer Nachgeschmack. „Haben die kein Brot zu essen? Warum essen die nicht Torte?“, zitiert er im Anti-Nazi-Lied „Das Boot ist voll“ die oft Marie Antoinette angedichteten Sätze – und kritisiert die bequeme Ignoranz der Wohlstandsgesellschaft.
„Eigentlich wollte ich Liebesgeschichten in Zürich beschreiben. Dann habe ich gemerkt, dass es woanders auch nicht anders ist“, sagt Faber, der eigentlich Julian Pollina heißt. Und spielt „Ihr habt meinen Segen“. Ein Lied über Lisa und Julian, die sich auch als Liebespaar nie ganz nah kommen.
Über zwei Stunden flirtet Faber mit dem Publikum, singt und wuschelt seine Tolle. Nur als sich ein Zuschauer „Tausendfrankenlang“ wünscht, winkt er ab. „Ich war mal bei einem Konzert von den Kaiser Chiefs. Die haben ihren besten Song mitten im Set gespielt. Dann sind alle gegangen. Das war richtig dumm“, sagt er. „Das wird mir heute nicht passieren.“
Von Kira von der Brelie
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