Kira Brück

Freie Journalistin und Autorin, Berlin

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Erster Liebeskummer: "Die schlimmsten Schmerzen meines Lebens" - SPIEGEL ONLINE

Alles ist so neu, aufregend, nie da gewesen: Zum ersten Mal verliebt, zum ersten Mal geliebt - dieses Gefühl gleicht einem warmen Schleier, der sich über das Leben legt.

Und wenn alles vorbei ist? Der erste Liebeskummer ist schlimmer als jeder Hausarrest, jede Fünf in Mathe. Liebeskummer ist die Höchststrafe des Seelenlebens.

Viele erleben zum ersten Mal, dass es kein Gegenmittel gibt. Und oft haben die Entliebten nach dem ersten Liebeskummer Angst, diese Qualen noch einmal erleben zu müssen. Manchmal prägt der Schmerz ein ganzes Leben.

Ann-Kathrin, Mira und Yasin haben das erlebt. Hier erzählen sie, wie sich der erste Liebeskummer anfühlte und wie er sie verändert hat.

Mira, 16, besucht die 11. Klasse am Gymnasium

"Ich habe Tobi* mit 14 über Facebook kennengelernt, wir schrieben uns lange Nachrichten. Irgendwann lud ich ihn zu mir nach Hause ein. Wir sahen uns - und waren sofort zusammen. Irgendwie magisch.

Vor einem Jahr zog ich nach Tel Aviv, ich besuche seitdem ein Internat. Meine Mama ist Israeli, ihre Eltern leben noch in Israel. Für mich stand schon lange fest, dass ich die Kultur meiner Familie kennenlernen möchte.

Es ist komplett verrückt, mit seiner großen Liebe Schluss zu machen, weil man wegzieht. Und trotzdem trennten wir uns.

Lange hielten wir die Trennung nicht durch und beschlossen, wieder ein Paar zu sein. Nur fühlte es sich in Israel manchmal so an, als lebte ich in einer neuen Welt - und Tobi noch in unserer alten. Nach einem halben Jahr spürte ich, dass uns beiden die Situation nicht guttut. Wir litten unter der Distanz. Es war unendlich schwer, aber ich habe mit Tobi Schluss gemacht. Nach eineinhalb Jahren Beziehung. Ich wollte, dass wir beide leben, und nicht ständig diese Sehnsucht in uns haben.

Danach begann die Hölle. Ich hatte das Gefühl, das Leben ist vorbei. Ich konnte nicht mehr richtig essen, hatte entweder keinen Hunger oder Heißhungerattacken. Ich weinte jede Nacht, obwohl ich in meinem Internatszimmer mit drei anderen Mädchen wohne. Meist saß ich im Bad und wimmerte. Auch im Unterricht musste ich oft plötzlich heulen und rannte aus dem Raum. Die Lehrer wollten mit mir reden. Aber ich musste das mit mir selbst ausmachen. Meine Mama hätte mich trösten können, aber die war nicht da.

Es war fürchterlich, sich so hin- und hergerissen zu fühlen. Ich wollte unbedingt mit Tobi zusammenbleiben. Andererseits wusste ich, das Internat ist eine große Chance.

"Ich würde alles wieder so machen"

Nach ein paar Wochen entschied ich, dass es so nicht weitergehen kann. Ich hatte die Heulerei satt - und joggte ab jetzt täglich. Am Anfang weinte ich auch beim Laufen. Dann ging es mir besser. Nach zwei Monaten entzündeten sich meine Gelenke, weil ich zu viel gerannt bin.

Das alles ist jetzt acht Monate her. Ich vermisse die Beziehung immer noch. Jemanden zu haben, der stolz auf einen ist und einen unterstützt. Das ist schon etwas Besonders, das weiß ich jetzt.

Tobi wollte irgendwann keinen Kontakt mehr, er blockierte mich auf Facebook und Skype. Über eine Freundin bekam ich doch Kontakt zu ihm, schrieb ihm eine lange E-Mail und erklärte alles. Die Nachricht habe ihn gefreut, schrieb er zurück.

So fürchterlich der Liebeskummer auch war: Die Entscheidung hat mich weitergebracht, erwachsener gemacht. Ich habe das Gefühl, dass ich nach der Beziehung mehr über mich weiß und was ich im Leben will. Im Nachhinein bin ich ein bisschen stolz auf mich - weil ich mich getraut habe, so viel zurückzulassen und etwas Unbekanntes auszuprobieren. Ich würde alles wieder so machen, obwohl es mir die schlimmsten seelischen Schmerzen meines Lebens bereitet hat.

Und was Tobi angeht: Ich habe zu ihm eine Verbindung wie zu keinem anderen Menschen. Am liebsten wäre ich mit ihm eng befreundet, weil ich ihn unbedingt in meinem Leben haben möchte. Mal sehen, ob das klappt.

Yasin, 19, besucht die 12. Klasse am Gymnasium

"Ich dachte immer, Mädchen und Jungs können nicht miteinander befreundet sein. Dann traf ich sie, sie hieß Jule*.

Mit Jule konnte ich über alles reden, wir gingen uns nie auf die Nerven. Irgendwann merkte ich, dass ich Gefühle für sie entwickelt hatte. Es war ein schleichender Prozess. Zwei Jahre waren wir beste Freunde, im letzten halben Jahr habe ich mich in sie verliebt - und immer gehofft, dass sie das checkt. Hat sie aber nicht.

Dann habe ich mit ihr geredet.

Jule sagte mir, dass meine Gefühle einseitig sind. Sie war richtig geschockt und redete lange nicht mit mir. Ich glaube, sie hat mittlerweile einen festen Freund. Ich weiß, dass es mit uns nie wieder wie früher sein wird.

"Ich will nie wieder verletzt werden"

Das Gefühl, von ihr nicht geliebt zu werden, quälte mich wahnsinnig. Ich fühlte mich verletzlich und hilflos - ich wusste vorher gar nicht, dass ich so eine Seite habe. Ich hätte nie gedacht, dass Liebe so wehtun kann. In der Zeit fragte ich mich, was Liebe überhaupt ist. Was muss passieren, dass zwei Menschen gleichzeitig Gefühle füreinander entwickeln?

Das Schlimmste war: Ich hatte keinen Schimmer, wie ich dieses Scheißgefühl loswerden soll. Ich konnte ja nicht zu meinen Freunden gehen und sagen: 'Hey Jungs, ich habe Liebeskummer!' Ich redete mit meinem Bruder - er lachte mich aus. Ab da behielt ich alles für mich.

Ich glaube, für Typen gehört es sich nicht, wegen eines Mädchens zu leiden. Das habe ich aus der Sache mit Jule gelernt. Wir müssen zu jedem Zeitpunkt cool bleiben.

Zum Glück fand ich ein anderes Ventil: Sport. Ich ging richtig pumpen. Ich habe mich so ausgepowert, bis ich den Seelenschmerz nicht mehr spürte. Das half.

Ich versuchte auch, mit einem anderen Mädchen Jule zu vergessen. Das klappte nicht lange. Bei Jule hat mich das Gesamtpaket plattgemacht: ihr Aussehen, dazu ihr starker Charakter, ihr Sinn für Humor. Sie ist die einzige Frau, in die ich je verliebt war. Aus Trotz wurde ich zum richtigen Player, mir war alles scheißegal. Ich glaube seitdem, dass es bei Mädchen gut ankommt, sich wie ein Arschloch zu benehmen.

So richtig bin ich über Jule noch nicht hinweg. Seitdem ich dieses beschissene Liebeskummer-Gefühl kenne, will ich nie wieder verletzt werden. Trotzdem würde ich mich gern wieder verlieben. Denn die Liebe gehört für mich zum Leben dazu. Es wäre nur besser, wenn sie keine Schattenseite hätte."

Ann-Kathrin, 14, besucht die 9. Klasse

"Mein erster Liebeskummer war eine schlimme Zeit, aber es geht mir wieder richtig gut. Es klingt komisch, aber durch die Verletzungen und den Schmerz bin ich selbstbewusster geworden. Ich weiß jetzt, was ich aushalten kann.

Angefangen hat alles mit einem Konzert. Danach schrieb ich aus Spaß ein Bandmitglied auf Facebook an. Es flashte mich total, dass David* gleich zurückschrieb. Er war 15, als wir zusammenkamen.

Wir chatteten ständig auf Facebook, später skypten wir auch. Nach ein paar Tagen fragte ich ihn, ob wir uns treffen wollen.

Kurz darauf fuhr ich mit meinen Eltern in seine Heimatstadt, er wohnt 600 Kilometer entfernt. Vier Tage lang unternahmen wir viel gemeinsam. Er sagte, er habe sich in mich verliebt. Ein paar Wochen später besuchte er mich. David schlief im Gästezimmer, wir hielten Händchen und knutschten.

Eigentlich war alles schön - wenn nur seine Fans nicht gewesen wären: Es regte mich wahnsinnig auf, wenn sie ihn angeschrieben haben. Ihm gefiel es, mich eifersüchtig zu machen - er zeigte mir ihre E-Mails sogar extra.

Blockiert bei Facebook, WhatsApp und Skype

Irgendwann wurde ihm die Eifersucht zu viel. Da waren wir sechs Wochen zusammen. Er sagte am Telefon, er sehe keinen Sinn mehr in unserer Beziehung. Ich sei zickig und eifersüchtig. Das war's.

Ich weinte sofort los. Es fühlte sich an, als würde er mein Herz rausreißen. Ich wollte nur noch allein sein. Drei Nächte lang hatte ich schlimme Alpträume und weinte viel - ich war wie ein feuchter Waschlappen. Meine Mutter und meine Oma waren in der Zeit immer für mich da.

Ich habe seither mit vielen Leuten geredet. Es interessiert mich einfach, was andere über Liebe und Kummer denken. Ich habe auch gute Ratschläge und Zuspruch bekommen. Das hat geholfen.

Manchmal kommt dieses Liebeskummer-Gefühl noch hoch. David hat mich überall blockiert, bei Facebook, WhatsApp und Skype. Manchmal vergesse ich ihn komplett, dann denke ich an die schönen Momente und es kommen ein paar Tränen. Aber die schlimmste Zeit waren die ersten zwei Wochen nach der Trennung. Ich hätte echt nicht gedacht, dass ein Junge mir nach sechs Wochen so ans Herz wächst.

Wirklich, ich glaube schon, dass ich mich wieder verlieben kann. Ich war ja auch vor David schon verknallt. Ich versuche, alles mit Humor zu sehen. David hat zum Schluss gesagt, ich sei kindisch. Aber mich einfach bei Facebook zu blockieren, das ist kindisch. Mittlerweile lache ich drüber."

* alle Namen der Partner geändert

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