US-Präsident Donald Trump hat nach Fox News einen neuen Lieblingssender: Das One America News Network sendet Präsidenten-Lob und Verschwörungstheorien. Auch andere rechte Podcasts und Shows befeuern eine Spaltung der US-Gesellschaft.
Bei einem Wahlkampfauftritt Mitte September in North Carolina kommt US-Präsident Trump am Ende seiner Rede zu einem seiner Lieblingsthemen: Journalistenschelte. Amerika könne so viel besser sein, wenn es nur ehrliche Medien hätte.
Den Zeigefinger auf die Kameras hinter den jubelnden Fans gerichtet, sagt Trump zu den Journalisten: "Ihr seid der Feind des Volkes." Die meisten Sender beenden danach ihre Übertragung der Veranstaltung. Trump beschwert sich, dass alle roten Lichter an den Kameras ausgehen. Alle, bis auf eins. Das von One America Network News (OAN).
OAN ist Präsident Trumps neuer Lieblingssender. Das 2013 gegründete Netzwerk hat seine Zentrale in einem unscheinbaren Gebäude im kalifornischen San Diego, zwischen einem Fliesenladen, einer Kirche und einer Firma für Getränkeautomaten.
Trump-Reden und wilde VerschwörungstheorienDas OAN-Rezept, das dem US-Präsidenten so gut gefällt, ist eine Mischung aus ungefilterten Trump-Reden, wilden Verschwörungstheorien, Angriffen gegen Hillary Clinton, Immigranten, Covid-19-Experten und die Black Lives Matter Bewegung sowie Verunglimpfung der Konkurrenz.
Nie ist auf dem Sender Trump-Kritik zu hören. Stattdessen gibt es jede Menge Lob für den Präsidenten. Zum Beispiel Geschichten über Wohltaten, die er seit Jahrzehnten unbeachtet von anderen Medien vollbringe.
OAN wurde vor gut sieben Jahren vom Vater-Sohn-Team Robert Herring Senior und Junior gegründet - mit Millionen, die Herring Senior in der Technologie-Branche gemacht hatte.
Drei Jahre später erregte das Netzwerk dann zum ersten Mal landesweite Aufmerksamkeit. Im Wahlkampf 2016 übertrug es Reden von Donald Trump in voller Länge - ohne anderen Kandidierenden ähnliche Sendezeit zu geben.
Nach der Wahl von Donald Trump bekam OAN einen Platz im Presseraum des Weißen Hauses. Die Regierungskorrespondentin gibt dem Präsidenten gerne Steilvorlagen, um seine Sicht der Dinge darzustellen. Der bedankt sich mit Lob, anerkennenden Tweets und Werbung.
Trump muss von OAN keine kritischen Fragen erwarten, im Gegenteil. Als ihm beispielsweise vorgeworfen wurde, seine Bezeichnung des Coronavirus' als "chinesische Grippe" sei rassistisch, stellte die OAN-Korrespondentin eine rhetorische Frage: Halte er den Begriff "chinesisches Essen" für rassistisch, weil es Essen sei, das seine Herkunft in China habe? - Natürlich nicht. Kolleginnen und Kollegen, die dem Präsidenten dagegen kritische Fragen stellen, werden von ihm mit Beleidigungen und Maßregelungen abgestraft.
OAN lässt seine Zuschauerzahl nicht offiziell messen. Experten schätzen die Einschaltquoten des kleinen Netzwerks, bei dem vorwiegend junge, unerfahrene Journalistinnen und Journalisten arbeiten, als marginal ein. Trotzdem bekommt OAN im aktuellen Wahlkampf ein exklusives Interview mit Donald Trump.
Chefkorrespondentin Chanel Rion beginnt ihr Interview mit einem Angriff auf die sogenannten Mainstream Medien: "Ihre Fragen sind oft ohne Vernunft, Verstand oder Anstand. Glauben Sie, dass diese Angriffe gegen Sie ehrliche Fragen von selbständig denkenden Menschen sind, oder haben diese Journalisten Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie Sie nicht jeden Tag angreifen?"
OAN habe besorgniserregenden Einfluss auf die politische Meinungsbildung in den USA, sagt Journalismus-Professor Thomas Hollihan von der University of Southern California in Los Angeles.
Allerdings nicht durch das, was im Fernsehen laufe. Den größten Effekt lande der Sender durch das, was aus seinem Programm über die Plattformen von sozialen Medien in Umlauf gebracht werde.
"Dort werden Ausschnitte und kurze Clips verbreitet, die zum Beispiel Verschwörungstheorien unterstützen. Sie verdrehen die Wahrheit, schüren Ängste und Sorgen. Ein faktisch falscher Bericht hat zunächst wenige Zuschauer, aber in den sozialen Medien wird er hinausposaunt, und das hat dann entscheidende Konsequenzen."
Besonders in einer Gesellschaft, die so tief gespalten ist wie derzeit die USA. Eine Mehrheit der Bevölkerung traut nur noch den Medien, die ihre Weltsicht bestätigen. Trump-Fans schalten nur noch FOX-News ein oder OAN. Demokraten lesen die "New York Times" und schauen CNN, MSNBC oder sie informieren sich über traditionelles öffentliches Radio und Fernsehen.
"Es ist ein total vergiftetes Umfeld. Auf vielen Sendern werden Nachrichten außerdem als Konflikt diskutiert. Das schürt die Spaltung zusätzlich. Man beginnt vielleicht mit einem akkuraten Bericht, aber danach streiten Meinungsmacher über das Thema. Das Ganze hat wenig Nachrichtenwert. Es ist sehr bedauerlich."
Dazu kommt, dass sich durch die Algorithmen von Facebook und Co. Meldungen, die die Spaltung der Gesellschaft verstärken, am schnellsten verbreiten. Fachkräfte, die in den Firmenzentralen von Silicon Valley Unwahrheiten und irreführende Inhalte als solche kennzeichnen und Aufrufe zu Gewalt löschen sollen, sind angesichts der Flut von Posts hoffnungslos überfordert.
Demagogen, die früher keine Chance hatten, erreichen nun ein großes Publikum mit ihren Lügen, Hasstiraden und Propaganda: US-Vorstädte seien unter Beschuss von linken Anarchisten. Das Land und seine Kultur würden von illegalen Einwanderern zerstört. Rassismus gebe es nicht mehr in den USA. Transsexuelle seien mental krank und Abtreibungen Teufelswerk. Reiche zahlten zu viele Steuern und Sozialversicherungen sollten privatisiert werden.
Mit ultrarechten Verschwörungstheorien und polarisierenden Strategien feuern diese Provokateure Trumps Basis an. Gleichzeitig bringen sie den demokratischen Herausforderer, Joe Biden, in Verruf.
"Eine Art Bürgerkrieg wird am späten Abend oder in der Wahlnacht des dritten Novembers ausbrechen, wenn die Demokraten sich weigern, Trump zum Gewinner zu erklären. Biden wird seine Niederlage nicht zugeben. Sie werden alle Werkzeuge des Krieges, des Straßenkampfs, des zivilen Ungehorsams, der Mainstream Medien und vor allem der sozialen Medien nutzen, um die Trump-Bewegung und Republikaner einzuschüchtern, bis sie eine nicht gewählte Gruppe um Joe Biden akzeptiert."
Es werde Betrug bei der Briefwahl geben, sagte Bannon. Korrupte Wahlhelfer würden bei der Stimmabgabe Druck auf Trump-Wählerinnen und Wähler ausüben, bei der Auszählung würden Trump-Stimmen nicht gezählt und illegale Biden-Stimmen registriert. Alles Warnungen, die auch der US-Präsident verbreitet.
Facebook und Twitter haben Maßnahmen zur Eindämmung von Lügen und Desinformation auf ihren Plattformen ergriffen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg beruft sich aber weiterhin auf die in der US-Verfassung garantierte Redefreiheit, die ihm verbiete, auf Inhalte Einfluss zu nehmen.
Social-Media-Unternehmen wollen Posts nicht wirklich regulieren, sagt USC-Journalismus-Professor Thomas Hollihan: "Weil sie nicht wegen falscher Inhalte verklagt werden wollen. Sie wollen Plattformen bleiben, auf die andere Inhalte stellen. Sie wollen nicht verantwortlich sein, wenn jemandem dadurch Schaden zugefügt wird, zum Beispiel durch Virusmedizin, die jemand anpreist. Aus rechtlicher Sicht ist das sogar klug, denn es wird so viel so schnell veröffentlicht, dass es unmöglich ist, das aufzufangen bevor Schaden entsteht."
Während Inhalte von Breitbart, One America News und anderen Trump-freundlichen Medien ihr Publikum vor allem über soziale Medien erreichen, bleibt Fox der Fernsehsender, den Fans des Präsidenten am häufigsten einschalten.
Mit durchschnittlich fünf Millionen zugeschalteten Haushalten ist er der erfolgreichste US-Kabelsender und bestimmt die Meinungsbildung konservativer Wählerinnen und Wähler. Mehr als 60 Prozent der Republikaner sagen in einer Umfrage des Pew Research Institutes, dass sie dem Murdoch-Sender am meisten Glauben schenken, wenn es um Nachrichten geht.
Fünf Millionen, das sind nur knapp drei Prozent der US-Bevölkerung. Zählt man allerdings Einschaltquoten für Podcast- und Radioshows prominenter Fox-Moderatorinnen und Moderatoren wie Sean Hannity, Tucker Carlson und Laura Ingraham dazu, potenziert sich diese Zahl um ein Vielfaches.
Die meisten Demokraten verachten Fox, auch weil der US-Präsident gerne Informationen und Meinungen verbreitet, die er dort hört. Regelmäßig meldet sich Donald Trump außerdem spontan via Telefon beim Frühstücksfernsehen "Fox and Friends", wird sofort live auf Sendung geschaltet und erreicht so einen Großteil seiner Basis.
Auf dem Sender hat der Präsident nahezu unbegrenzt Redezeit für politische Statements und Kritik am politischen Gegner, aber auch für falsche Behauptungen über die Black Lives Matter Bewegung, Desinformationen über das Coronavirus und reichlich Eigenlob. Mit kritischen Fragen muss er dabei normalerweise nicht rechnen.
Doch in letzter Zeit ist Trump unzufrieden mit Fox. Der Sender überträgt nicht mehr, wie vor vier Jahren, jeden Wahlkampfauftritt des Präsidenten. Moderator Chris Wallace entlarvte in einem exklusiven Interview mehrere Behauptungen Trumps als starke Übertreibung und brachte den US-Präsidenten mit Fakten über hohe Infektions- und Sterberaten in Folge des Coronavirus zum Schwitzen.
In einem Tweet erklärte Trump, Fox-Zuschauer seien verärgert über den Sender und suchten nach einer Alternative. US-Medien berichteten bald darauf, eine Gruppe um Donald Trump Junior sei daran interessiert, OAN, den neuen Lieblingssender seines Vaters, zu kaufen.
"Fake news", sagt OAN-Gründer Robert Herring. Er habe keine Absicht, das Netzwerk abzustoßen. Herring ist inzwischen vor den Toren der kalifornischen Zentrale seines Senders regelmäßig mit Demonstranten konfrontiert, die gegen OANs Lügen protestieren.
Die Situation dort spiegelt die gespaltene Lage der US-Gesellschaft. Zwei Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Medien haben entscheidend zur tiefen Kluft beigetragen, und momentan ist schwer vorstellbar, wie diese Spaltung überwunden werden kann, egal wer am dritten November die Wahl gewinnt.
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