Marleen Martinez Sundgaards Großeltern sind mexikanischer Abstammung und arbeiten als Erntehelfer in den USA. Auch Marleen hilft schon als Schulkind bei der Ernte mit und träumt sich bei der harten Arbeit auf dem Feld weit weg - sie möchte als Astronautin ins Weltall reisen und setzt alles daran, ihren Traum wahr werden zu lassen.
Anmerkung: Dieser Text ist die Grundlage für einen Radiobeitrag. Der beinhaltet Betonungen und Gefühle, die bei der reinen Lektüre nicht unbedingt rüberkommen. Außerdem weichen die gesprochenen Worte manchmal vom Skript ab. Darum lohnt es sich, auch das Audio zu diesem Text zu hören. Marleen: "I remember my first field was beans. Then I worked in sugar beats, and then we did potatoes."Marleen erzählt hier davon, wie sie zum ersten Mal ihren Eltern bei der Erntearbeit helfen musste. Marleens erster Job, das ist Bohnen ernten. Dann kommen Zuckerrüben, dann Kartoffeln.
Mit 13 steht sie also da, bei Sonnenaufgang in den Feldern bis nachmittags. Und träumt sich oft ganz weit weg. Nicht weg von den Eltern. Die liebt sie. Aber weg von dieser harten Arbeit, weg von dem ständigen Kampf darum, genug Geld fürs Essen zu haben, für die Schulbücher, für Schuhe und Jeans, weg vom ewigen müde und kaputt sein.
Marleens Traum: Aus dem All auf die Erde schauenSie will so weit weg, wie es nur geht. Und dabei träumt sie von den Sternen, die ihr der Vater nachts im Garten zeigt. Ins Weltall will sie, von dem sie als kleines Mädchen im Kindergarten gesungen hat. Und sie stellt sich vor, wie es wäre, von weit weg aus dem All auf die Erde zu schauen. Marleen: "I know it sounds crazy, but ever since I was a kid I always wanted to go to space. I always wanted to look back onto the earth. I wanted to just go and explore. Just see what's out there. Humans are explorers at heart. Mine just happens to be space explorations which has always fascinated me since I was a kid." Marleen sagt selbst: Das klingt verrückt, dass sie diesen Traum hatte.
Sie wächst zwischen zwei Welten auf. Die meiste Zeit des Jahres, neun Monate, von Februar bis Oktober, da lebt sie mit ihren Eltern und den Geschwistern in den USA. Im Winter, von November bis Januar, gibt es aber keine Arbeit in den Feldern von Warden und das Leben in den USA ist für Marleen Familie zu teuer. Ohne Job können sie da nicht bleiben. Die komplette Familie zieht deshalb um nach Mexiko. Dort haben sie ein Haus.
Als ob das nicht verwirrend genug ist: In den USA, da sprechen alle Spanisch zu Hause. In der Schule muss Marleen aber Englisch sprechen. In der Schule in Mexiko ist dann aber der Unterricht auf Spanisch und da kommt sie in Chemie, Bio und Mathe nicht mit. Ihr fehlen die Wörter. Das Spanisch, das sie spricht ist Umgangssprache. Es bleibt ihr nur eins übrig: mitschreiben so schnell es geht und dann zu Hause die Eltern bitten, das alles zu übersetzen.
Marleen: "I would write everything down when I was in school. I would just write down as fast as I could what the teacher was saying. Then I would get home and have my Mom and Dad translate for me what the teacher wrote on the board. I have no idea what this all means. So I was learning like that and vocabulary as I was going. It was a little bit confusing and really difficult."Und das ist nicht der einzige Stress. Marleen bekommt aus der Schule in den USA den ganzen Stoff für die drei Monate, die sie verpasst, mit auf den Weg nach Mexiko. Das muss sie auch noch alles irgendwie schaffen.
Dann hört sie von einem Space Camp in Alabama gibt, ganz im Süden der USA, mehr als 3500 Kilometer entfernt von Warden, wo sie lebt. Da lernen Kinder, wie man ein Raumschiff auf dem Mond landet, wie man in Schwerelosigkeit Instrumente bedient und eine Rakete ins All schickt. Echte Astronauten und Astronautinnen kommen und erzählen den Kindern von ihrer Arbeit. Und es gibt damals einen Aufsatzwettbewerb, wo die Gewinnerin eine Woche in diesem Space Camp bekommt. Marleen will da unbedingt hin und macht mit. Und dann gewinnt sie tatsächlich diesen Wettbewerb. Damals ist sie 13 Jahre alt und hat gerade zum ersten Mal auf den Feldern mitgearbeitet. Und jetzt darf sie eine Woche lang ein Astronautentraining mitmachen!
"And I trained as an astronaut for an entire week. It was just marvelous. It was like the dream I didn't even realize I could dream."Marleen Martinez Sundgaard, Ingeneurin
Zum ersten Mal bekommt Marleen eine Bestätigung, dass das, was sie sich da zusammen geträumt hat vom All, nicht nur ein Traum sein muss. Dass das wahr werden kann. Im Camp steckt sie nämlich plötzlich tatsächlich in einem Astronautenanzug. Sie schwebt schwerelos in einem Raumschiff. Sie bekommt den Auftrag, eine Weltall-Mission zu erfüllen. Sie baut mit anderen Mädchen und Jungs einen Satelliten. Und dann kommt noch ein absoluter Höhepunkt. Marleen schwebt in einem Multi-Funktions-Stuhl über dem Boden. 6DOF-Chair heisst der. 6DOF - das steht für "Six Degrees of Freedom" und bedeutet, dass sich der Stuhl in alle Richtungen frei bewegen kann: hoch und runter, nach rechts und links, vorwärts und rückwärts. Er kann nach vorne und nach hinten kippen, zur Seite, und quer in der Luft stehen bleiben.
Und endlich stellt die US-Raumfahrtbehörde sie an. Als leitende Ingenieurin für das sogenannte Testbett der InSight-Mars-Mission in Kalifornien.
Marleen: "My name is Marleen Martinez Sundgaard and I am the testbed lead for the Mars lander mission."Das Testbett, das ist das Labor, wo auf der Erde alles ausprobiert wird, was Roboter auf dem Mars machen sollen. So detailgetreu wie irgendwie möglich. Das ist sozusagen ein Stück Weltall auf der Erde. Und in diesem Testbett ist Marleen heute die Chefin.
Kurz nachdem der Mars-Roboter zum ersten Mal Bilder vom Planeten zur Erde geschickt hat, setzt Marleen ihre Virtual-Reality-Brille auf. Die kann holografische Bilder produzieren. Marleen hat diese Brille schon oft aufgesetzt. Aber jetzt ist sie zum ersten Mal mit den 3D-Bildern vom Mars gefüttert.
Und zum ersten Mal sieht Marleen beim Simulieren im Testbett nicht mehr graue Kiesel. Zum ersten Mal sieht Marleen den roten Mars.
Marleen: "I saw red Mars in front of me. I just thought: Oh my God, this is Mars, and you could feel like you're walking on it. Your mind starts playing tricks on you."In dem Moment selbst macht Marleen einfach nur ihren Job, ganz rational. Danach fährt sie nach Hause und da wird ihr klar, was sie grade gesehen hat. Sie war ihrem Traum in dem Moment so nah wie noch nie.
Marleen: "In my car, I startet sobbing because I could not believe what I had just done that day. It was amazing. That was as close as I have been to walking on Mars and it was pretty cool."Dieses Gefühl, das hat ihren Drang, ihre Sehnsucht, ins All zu fliegen nur bestärkt. Und darum wird sich Marleen 2020 wieder für das NASA-Astronautenprogramm bewerben.
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