Katrin Hesse

Strategin (Freiberuflich), Speakerin, Dozentin, Musikerin , Hamburg

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Artikel

Omnichannel Content Planning

Artikel erschienen in 

Healthcare Marketing (von New Business)


 

Strategisch-fluide Orchestrierung von Inhalten

Warum Storytelling solide und agil zugleich sein muss

 

 

2015 war das Jahr des Content Marketing. Es gab ein regelrechtes Wettrennen, wer die aufmerksamkeitsstärksten Inhalte produziert. Manch einer prophezeite schon das Ende, sprach vom Content Shock. Davon bleibt auch das Healthcare Marketing nicht verschont.

 

Dieses Jahr wird weitergedacht: Das wilde Befüllen diverser Kanäle, im Kampf um die Reichweite, weicht nach und nach einer durchdachteren Orchestrierung von Inhalten. Gefragt sind fluide Strategien und Lösungen, die Geschichten und Kanäle nachweislich auf eine konnektive Ebene heben.

 

Alles ist im Fluss und hängt mit allem zusammen

 

Doch was sind fluide Strategien? Sollte eine Strategie nicht sockelfest sein? Ja und nein, wie schon Heraklit wusste: All things . . . are in flux like a river. Was die Strategie klar vorgibt, ist die gemeinsame Richtung, in die alles fließen soll. Sie gibt Halt beim Wie, Wo und Wann. Dabei müssen auch mal Klippen umschwommen werden. Und an diesen neuen Erfahrungen wächst die Kommunikation: Ein lernendes System optimiert sich immer wieder weiter, passt sich an das Publikum an, ohne sich zu verlieren und beliebig zu werden. Denn Storytelling, das sind langfristige Kommunikationsmaßnahmen und keine One-Hit-Wonder.

 

Ähnlich wie in Freundschaften bauen wir durch regelmäßige Geschichten – egal an welchen Orten – Beziehungen auf, hören zu und lernen. Wir stellen uns nicht einfach nur auf die Bühne. Im Idealfall fließen diese Geschichten mit ihrem Gesprächswert auch wieder in andere Freundschaften ein. Wer seine Freunde gut kennt, weiß, was ihnen gefällt. Im Marketing sind dies die Insights, die durch verschiedene Formen der Marktforschung wie Social Media Monitoring oder tiefenpsychologische Interviews aufgedeckt werden können. Sie können die Basis von nutzerorientierten Inhalten sein oder das Sprungbrett für kreative Formate und Tools, die die Bedürfnisse auf kreative Weise langfristig befriedigen.

 

Marken sind verlässliche Partner mit einer klaren Haltung

 

Vielleicht wird man auch zu einem Freund in der Hosentasche des Menschen. Wie es mysugr macht. Von mysugr gibt es eine Serie von Apps, die Diabetikern das Leben ein klein wenig leichter machen. Sei es das Monster, das die Patienten zum Schmunzeln bringt, wenn sie ihr Tagebuch führen, oder die mysugr Akademie, die Diabetes-Neulinge auf humorvolle Art auf ihr neues Leben mit diesem unbequemen konstanten Begleiter in Form eines Diabetes-Monsters vorbereitet.

 

Wieso sind die mysugr Apps die populärsten Diabetes-Apps? Erstens weil sie auf tiefliegenden Insights beruhend gut durchdacht und geplant wurden – sie wurden von Betroffenen selbst entwickelt. Zweitens weil sie mit sinnvollen, aber auch unterhaltsamen Inhalten punkten. Drittens weil sie mit thematisch passenden Spielereien immer wieder überraschen. Die Monster-Analogie und die stringente User Experience sorgen für einen starken Wiedererkennungswert.

Merck hat mit „M – Das Entdeckermagazin“ schon im Jahr 2009 gemeinsam mit Hoffmann und Campe [...] ein starkes Thema besetzt. Unter diesem Dach werden regelmäßig nicht nur Themen aus Pharma und Chemie gespielt, sondern alle entdeckungswürdigen Themen im Bereich Innovation, Kultur und Leben – egal ob per Text, Bild, Animation oder Bewegtbild. Entsprechend richtet sich das Online-Magazin nicht ausschließlich an Spezialisten, sondern auch an Pharma- und Chemie-Kunden von Merck, Mitarbeiter, potenzielle Bewerber sowie eine breite Öffentlichkeit. Ein Überthema mit einer klaren Haltung und einer Rolle, die im Leben des Publikums vonnutzen ist, trägt maßgeblich zum Marken-Image bei – wenn es denn langfristig und kontinuierlich im Fluss gehalten wird.

 

Gutes Storytelling ist Teamarbeit und Ergebnis tief gehender Analysen

 

Was ist der Unterscheid von Storytelling und „Content Marketing“? Geschichten gehen immer, jeder Mensch liebt gute Geschichten. Doch massenhafte gestreute Inhalte zu reinen Marketingzwecken können kontraproduktiv sein, wenn sie nicht auf die Bedürfnisse der Menschen treffen. Welche Geschichten von wem als gut erachtet werden, hängt von vielen Faktoren ab. Insbesondere in der heutigen fragmentierten Kommunikationsgesellschaft sind die individuellen Geschmäcker unterschiedlicher denn je. Das herauszufinden ist Teil der Strategiearbeit. In einem interdisziplinären Team aus Analytikern, Redakteuren, Kommunikations-Strategen und User Experience Designern entwickeln wir die Basis für Geschichten und damit einhergehende Funktionen, die den Nerv des anvisierten Publikums treffen.

 

Doch beim transmedialen Storytelling geht es um noch mehr. Neben herausragenden Inhalten gibt es auch Pflichtinhalte, die oft als „Hygiene Content“ im Kontrast zum „Hub und Hero Content“ bezeichnet werden. Dazu gehören auch Themen, über die Unternehmen nicht gerne reden, die aber aktiv gesucht werden. Wenn das Unternehmen selbst keine schlüssigen Antworten liefert, dann verliert es den Fragenden zu einem extrem wichtigem Moment an Foren, Produktbewertungen – oder an den Mitbewerber. Dem kann man mittels unaufwendiger FAQs, charmanter Erklärvideos bis hin zu interaktiven Tools wie Persönlichkeitstests oder Produktfindern entgegenwirken. Je ungewöhnlicher und multimedialer der geschichtenerzählende Service Content ist, desto besser. Und die Kollegen, die sich um die Suchmaschinen-Optimierung kümmern, freuen sich bei der ausführlichen Behandlung dieser Themen im Besonderen. So schlägt am Ende die Hilfestellung auch in Verkäufe um.

 

Nicht nur von Marke zu Mensch & Mensch zu Marke, sondern auch von Mensch zu Mensch

 

Storytelling-Mehrwerte können in sehr vielen anderen Formen und Farben daherkommen. Beispielsweise wenn es darum geht, bei einem internationalen Konzern wie Qiagen standortübergreifende Nähe unter den Mitarbeitern zu schaffen. Da sich jeder Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten informiert, manchmal auch an mehreren gleichzeitig, ist eine konsistente Kaskadierung der Inhalte über alle relevanten Kanäle von Nöten – sei es im Mitarbeitermagazin, Social Media, Intranet oder über Maßnahmen an den Standorten. Im Idealfall aktiviert man die Mitarbeiter selbst, Einblicke in ihren Berufsalltag zu geben, etwa über Instagram.

 

Die größte Herausforderung beim transmedialen Storytelling ist die Komplexität und Schnelligkeit des Kanaluniversums, in dem wir kommunikativ vor Ort sein müssen. Eine ausgereifte Strategie, die pro Kanal die passenden Ziele, Tonalität, Bildersprache, Content Strategie inkl. Mission und Rolle definiert, verhindert nicht nur Wildwuchs, sondern ermöglicht ebenso ein schnelles Agieren und Reagieren für alle Beteiligten. Unnötigen Diskussionen wird der Nährboden entzogen. Themen- und Sendepläne können nur gut aufgesetzt werden, wenn zuvor eine Gewichtung pro Themenspektrum festgelegt wurde.

 

Gute Geschichten brauchen Raum


Storytelling beginnt nicht bei Print und hört nicht bei der Website auf. Gerne werden wichtige Kanäle in der Customer Journey vergessen. So sind auch Produkt- oder Übersichtsseiten in Shops kein rein rationales Umfeld. Kleine Content-Happen sollten auch hier integriert werden, und sei es nur über kleine „Wussten sie schon“-Kästchen. Sie dienen mit unterhaltsamem und überraschendem Hintergrundwissen der Rückversicherung, dass der Kauf bei der richtigen Marke getätigt wird.

 

Weitere Erkenntnisse zu den Kontaktpunkten der Meinungsbildung brachte unsere Studie für die Chemieindustrie hervor. Mitarbeiter in den Produktionsstätten sind bekanntermaßen medial nicht leicht erreichbar. Die Ergebnisse zeigten sehr deutlich, dass Meinungen stark über Diskussionen am Mittagstisch gebildet werden. Für die Kreativkonzeption der Mitarbeiterkommunikation stellt diese Situation eine spannende Herausforderung dar: Wie kann man als Unternehmen oder Marke Teil dieser Gespräche werden?

 

Content First ist Teamarbeit

 

Wer aus Themen heraus kommunizieren möchte, merkt schnell, dass es hier nicht nur um Kommunikation geht, sondern um Change Management. Die Verzahnung aller Kanäle und Inhalte setzt ein Aufbrechen des Silo-Denkens in den Unternehmen voraus. Transmediale Content-Produktion und Content-Distribution erfordern eine völlig neue Denkweise sowie gut durchdachte Prozesse und hilfreiche Tools, die Kollaboration fördern. Aber auch die Erfolgsmessung sollte so aufgesetzt werden, dass jeder am Ende weiß, wie die gemeinsamen Ziele erreicht wurden.

 

Ohne dabei die Bedürfnisse des Publikums außer Acht zu lassen. Wenn es einen Coach sucht, muss die Marke dieser sein. Wenn es einen Concierge braucht, der hilft, komplexe Infos zu verarbeiten, dann muss die Markenkommunikation auch dies leisten. Welche Rolle auf welchem Kanal zu welcher Marke passt, muss individuell analysiert und definiert werden. Garniert mit einer Kombination aus mehrwertigen Informationen und charmanten Extras, die auch eine technische Raffinesse sein können, lassen sich dadurch schnell Herzen gewinnen, sprich: loyale Kunden oder auch überzeugte Mitarbeiter.

 

Dies beweisen auch die Bewertungen der App Elevate. Hier geht es um trockene Lehrinhalte, die aber auf Grund von Design und User Experience viel Spaß machen! Solche gelungenen Kombinationen von gutem Inhalt und disruptiver Verpackung sind noch selten. Da ist noch Luft nach oben. Dies sollten wir insbesondere im Healthcare Marketing nutzen. Gesundheitskommunikation wird noch viel zu oft als unattraktiv wahrgenommen. Das lässt sich ändern. Man braucht nur ein wenig Mut.