Katja Edelmann

Freie Redakteurin. Kommunikationswirtin (FH), Speyer (Rhein-Neckar)

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„Ideen in der Schublade nützen dem Patienten nichts"

Unternehmer und Professor: Hilmar Bading und die zwei Mit-Gründer Thomas Schulze und Daniela Mauceri. Foto: Bading

Eigentlich ist Dr. Hilmar Bading ein normaler deutscher Neurologie-Professor. Der Wissenschaftler leitet das Interdisziplinäre Zentrum für Neurowissenschaften (IZN) an der Universität Heidelberg. Mit seinem Arbeitsteam erforscht er Therapien gegen neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Schlaganfall. Jetzt wird der Professor in Heidelberg auf Unternehmer und sucht - wie jedes Startup - Gelder zur Kommerzialisierung eines verblüffenden Nasensprays.


„Beschützer der Nervenzellen“ wurde er in einem Artikel 2009 genannt. Professor Bading blickt auf eine internationale akademische Karriere zurück: In den 90er Jahren beschäftigte sich der Mediziner mit Molekularbiologie an der Universität Cambridge und molekulare Genetik am Max-Planck-Institut in Berlin. Zuvor habilitierte er an der Harvard Medical School in Boston. Mit 56 Jahren wechselt Bading – zumindest teilweise – die Seiten und wird parallel Unternehmer: Am 12. Mai gründete er die FundaMental Pharma GmbH in Heidelberg. „In Deutschland ist es noch die Ausnahme, dass Professoren nebenbei eine Firma haben. In den USA schließt das akademische Leben die kommerzielle Seite mit ein“, sagt Bading.

Zusammen mit dem Molekularbiologe Thomas Schulze, einem Mitstreiter aus seinen Berliner Zeiten, und der Junior-Professorin Daniela Mauceri, die bei ihm habilitiert hat, wollen sie das Nasenspray gegen degenerative Nervenkrankheiten an den Markt bringen. FundaMental-Geschäftsführer Schulze ist der Mann fürs Kaufmännische mit guten „Connections in der Big Pharma“, beschreibt ihn Bading. Er selbst deckt mit seiner Kollegin Mauceri den wissenschaftlichen Teil ab.

Am IZN Heidelberg haben sie vor einigen Jahren das Protein gefunden, das die bäumchenartigen Neuronen-Verzweigungen (Dendriten) stabilisiert und zum Beispiel die Folgen eines Schlaganfalls oder Demenz vermindern könnte. Noch reicht dem kleinen Team der Platz im IZN. Bräuchten sie später mehr Raum und Austausch, könnten sie den Technologiepark in Anspruch nehmen, fasst Bading ins Auge. „Ihn seit mehr als 30 Jahren neben der Uni zu haben,  belegt einen Gründerspirit in Heidelberg, der sehr wertvoll ist“.

Die FundaMental Pharma will sich im nächsten Schritt auf die Behandlung einer Nischen-Krankheit konzentrieren: Das Nasenspray soll Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) behandeln. Die Motorneuron-Krankheit, wie Stephen Hawking sie erlitten hat, schreitet bis zur kompletten Lähmung voran und ist heute noch nicht heilbar. Bading und Kollegen unterhalten auf diesem Gebiet bereits eine Kooperation mit der Universität Ulm. Wo sonst invasive Methoden greifen, überzeugt das entwickelte Nasenspray mit einem hohen Anwendungspotenzial. Es kommt dort an, wo es wirken soll und ist zudem anwenderfreundlich für die Patienten. Nicht zuletzt dafür hat Professor Bading den Innovationspreis der deutschen BioRegionen 2016 gewonnen. Der Preis hat eine erste Aufmerksamkeitswelle erzeugt. „Wir müssen nun Finanziers finden, die an uns glauben“, sagt Bading. Die junge FundaMental Pharma braucht schätzungsweise eine halbe bis eine Million Euro, um die ersten Hürden bis zur Marktreife zu nehmen: Forscher einstellen, die Krankheitsmodelle simulieren, Nebenwirkungen und Toxikologie testen, die Substanz optimieren. Wenn es nach Bading geht, sollten die Daten im besten Fall in einem Jahr Ergebnisse liefern, um auf deren Basis über die Kommerzialisierung zu entscheiden. „Der Aufwand in der Phase der Stabilitätstests ist relativ überschaubar. Für wohlhabende Kapitalgeber ist das kein Betrag – für uns symbolisiert die erste Million Euro „Heaven“. Sie haben sich ihre Idee patentieren lassen und suchen derzeit alternative Geldquellen – aus Mangel an öffentlicher Förderung. „Die akademische Forschung schüttet viel Geld für die Grundlagenforschung aus, aber nicht genug für die so genannte „translational research“. Dem Patienten nützt es leider nicht, wenn wir Ideen in der Schublade haben. Wir müssen sie in die Klinik bringen“, ist Bading überzeugt.


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