Dirk Vetter macht seine Sache nicht zum ersten Mal, das merkt man. Der 52-Jährige wirkt offen und angstfrei wie ein Student, gleichzeitig aber tiefgründig und erfahren wie ein alter Hase. Die Perora GmbH, seit Mitte 2013 eingetragen, ist Vetters dritte Firmen-Mitgründung. Zwei Biotech-Unternehmen mit anderen technologischen Schwerpunkten – Graffinity Pharmaceuticals (jetzt Santhera, SWX: SANN) und Complex Biosystems (jetzt Ascendis Pharma, NASDAQ: ASND) hat er in den 1990er und 2000er Jahren aufgebaut, die anschließend an kommerziell erfahrenes Management übergeben und für den Börsengang vorbereitet wurden. Mit Perora, was so viel heißt wie „für den Moment“, hat Vetter 2012 wieder bewusst von Null angefangen. „Ich bin der Typ für die frühe Phase mit Blick für die Kommerzialisierung“, weiß Vetter über sich. „Diesmal aber ohne geplante Finanzierung – wie die meisten Startups“, ist Vetter stolz auf die anfängliche Flexibilität. Einen Anschub von 500.000 Euro finanzierte der High-Tech-Gründerfonds, später folgten weitere Investoren.
Neue Technologie wirkt im Dünndarm
Gemeinsam
mit einer langjährigen Vertrauten, der Maschinenbau-Ingenieurin Dr.
Kristina Schmidt, und weiteren vier Angestellten und „Mitdenkern“, wie
er sagt, will das Biotech-Unternehmen übergewichtigen und
ernährungsbewussten Menschen das Leben erleichtern, schöne Momente
ermöglichen. Wie mit Satiostat,
Peroras erstem Produkt aus der neu entwickelten Polymerlipid-Plattform.
Das Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Satiolipid sowie zugesetzten
Vitaminen und Mineralstoffen, sendet vom Dünndarm Sättigungssignale ans
Gehirn.
Das ist eine Technologie-Neuheit. „Die
Industrie konzentriert sich beim Thema Abnehmen auf den Magen. Dabei
gibt es seit 15 Jahren Forschung darüber, dass der Dünndarm relevant
ist. Damit füllen wir eine kommerzielle Nische“, sagt Vetter. Satiostat
ist ab Mitte Juli 2016 exklusiv in Apotheken gelistet. 8000 Apotheken
kontaktierte Perora vorab über ein Partnerunternehmen, befragte und
klärte das Personal über die Wirkweise des Produkts auf. Mitarbeiterin
Dr. Silvia Pantze, selbst Apothekerin, koordinierte diesen Schritt.
Vetter lernte sie während der Vorphase zu Perora kennen, als er ein Jahr
lang im Partnerport des Technologieparks zur Kurzzeitmiete saß und an
der Idee feilte. Pantze promovierte derweil an der Uni Heidelberg und
betreute die Versuche von Vetter mit. „Der Technologiepark als Standort
und mit den Services war extrem hilfreich für den Start. Selbst als
kleines Unternehmen hat durch die kurzen Wege die Möglichkeit, mit
Uni-Partnern zusammen, Hilfe bei den Experimenten oder einen
Patentanwalt zu bekommen“, erinnert sich Vetter.
Schnittstelle zwischen Lebensmittel und Medizin
Zwei
Jahre später, Im Neuenheimer Feld 518: Perora entwickelt und produziert
heute auf 400 Quadratmetern in zwei Etagen mit Büros, Lagerräumen,
Forschungslaboren und einem Produktionsraum das weiße Granulat für das
Satiostat-Pulver. Extruder, Mischer und Siebmaschine stellen das weiße
Pulver her. Zwei weitere Betriebe in Süddeutschland verarbeiten und
verpacken es in die anwenderfreundliche kleine Miniflasche.
Ab September startet die Vermarktungsoffensive in der Breite. „Wir sind gespannt darauf, wie der Kunde Satiostat akzeptiert“, freut sich Vetter über die Ungewissheit. Typisch Startup hängen an den Wänden im Besprechungsbüro selbstgeschriebene Flipcharts, stehen verschiedene Nahrungsmittel, Proben und kleine Dosen auf der Fensterbank. Perora hat viel vor. „Wir sitzen mit dem ersten Produkt an einer Schnittstelle zwischen Lifestyle-Lebensmittel und Medikament“, gibt Vetter einen Ausblick. Sowohl im Bereich Medizinprodukt als auch für Lebensmittel sieht die Firma interessante Weiterentwicklungen. Vielleicht essen Übergewichtige zukünftig einfach ein gesundes Müsli mit Satiolipid.
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