Katja Edelmann

Freie Redakteurin. Kommunikationswirtin (FH), Speyer (Rhein-Neckar)

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Deutsche Biotech-Unternehmen nur als Durchlauferhitzer? Biotechnologie-Report 2015 im Technologiepark Heidelberg vorgestellt

Hat die Biotechnologie-Branche im Blick: Dr. Siegfried Bialojan (rechts) mit Technologiepark-Geschäftsführer Dr. André Domin. Foto: Katja Edelmann

Im Licht: Branche verzeichnet Umsatzplus und mehr Forschungsausgaben. Darüber liegt jedoch der Schatten: Startups verfügen über zu wenig Kapital nach der Gründung bis zum Börsengang oder zur Markteinführung. Dr. Siegfried Bialojan von Ernst & Young stellte im Technologiepark den Biotechnologie-Report „Im Schatten von Leuchttürmen“ 2015 vor


„Der IPO-Boom aus den USA ist auch 2015 an Deutschland vorbeigegangen“, sagt Dr. Siegfried Bialojan, Geschäftsführer Ernst & Young Life Science Center (EY) bei der Vorstellung des Biotechnologie-Reports 2016 im Technologiepark Heidelberg vor Akteuren aus Unternehmen, Finanzwirtschaft und Wissenschaft. 

Im vergangenen Jahr gab es nur einen Börsengang in Deutschland (Curetis). Damit erreichten deutsche Biotech-Unternehmen nur eine IPO-Quote von 0,8 Prozent. In Europa lag sie bei 3,3 Prozent (33 Börsengänge), in Frankreich (42) oder den USA (45) bei fast fünf Prozent. Die Börsennotierung ist ein Wachstumsindikator. Nach drei Jahren ist der IPO-Boom in den USA abgeflacht. Auch die Produktbereiche verschieben sich: Therapeutika-Entwickler für die Onkologie werden langsam vom Neurologie-Bereich abgelöst.

Die Anzahl der Unternehmen (590) und der Mitarbeiter (17.899) blieben 2015 laut der Erhebung von EY und dem Verband Bio Deutschland weitgehend bestehen. Der Branchen-Umsatz (3,4 Milliarden Euro) aber stieg um zwölf Prozent, vor allem in Public Unternehmen. Für Forschung und Entwicklung gaben die Unternehmen elf Prozent mehr aus (1,1 Milliarden Euro) – ein Spiegel der Innovationskraft der Branche. Den positiven Trend bestätigt auch die optimistische Stimmung in der Industrie.

Das in Deutschland bereitgestellte Risikokapital für Biotech-Unternehmen stieg 2015 um knapp die Hälfte auf 236 Millionen Euro. In der Breite konnte die Branche jedoch nicht vom Kapitalmarkt profitieren: Allein 71 Prozent aufgenommenes Kapital entfällt auf ein Unternehmen (CureVac), einen sogenannten „Leuchtturm“. „Venture Capital ist in Deutschland in rauen Mengen vorhanden“, erklärt Bialojan. Doch anders als in anderen Branchen sind die Life Sciences durch lange Laufzeiten, hohe Risiken und Kosten nur im Mittelfeld der Investitionen. Der eingeschränkte Kapitalzugang hält die Branche vom Wachstum ab – ob an der Börse, aus dem Vermögen wohlhabender Familien (Family Offices) oder von ausländischen Investoren. Für eine breitere Masse oder ausländische Investoren müssten Biotech-Unternehmen sichtbarer werden. Es fehlten laut Bialojan Instrumente zur konkreten Unterstützung nach der Gründungsphase bis zur Markteinführung oder zum Börsengang. Die vom Bundesministerium 2015 initiierte Gründung des „Deutsche Börse Venture Network“als Marktplattform, um mehr Börsengänge zu erreichen, blieb ohne konkrete Handlungsansätze.

Auch die Zahl der Gründungen war 2015 rückläufig (11 versus 28 in 2014). Als Knackpunkt sieht Bialojan – trotz der Förderprogramme – mangelnde Entrepreneurship in Deutschland. Zu wenige junge Menschen wollen das Risiko der Gründung aufnehmen. André Domin, Geschäftsführer des Technologieparks Heidelberg, zeichnete ein positiveres Bild der Gründergeistes in Heidelberg: „Wir sehen an der steigenden Teilnehmerzahl der Entrepreneurship-Vorlesungsreihe in der Akademie, dass es mehr Interesse an Gründung gibt. Zudem werden wir aufgrund der Konversionsflächen mehr Raum für die Industrie haben und versuchen, die vorhandenen Gründungsideen sichtbar zu promoten“.

Weltweit zeigte sich 2015 eine wachsende Bedeutung der Biotech-Unternehmen. Auch einige deutsche „Leuchtturm-Unternehmen“ konnten von dem Trend in ihren Transaktionen (Allianzen, Übernahmen/M&A) profitieren, unter anderem auch Glycotope Biotechnology aus dem Heidelberg Technology Park. „Es ist erstaunlich, welche hohen Preise Unternehmen mit interessanten Produktausrichtungen und therapeutischen Plattformen (wie Gen- oder Immuntherapie) heute in Deals verhandeln können“, zeigte Bialojan am Beispiel UniCure. Kritisch merkte er an, dass die deutschen Unternehmen stark auf Dienstleistungen (44 Prozent) statt auf die Therapeutika-Entwicklung (36 Prozent) setzten. „Man muss sich die Frage stellen, ob die Rolle des Dienstleisters, Zulieferers, ja Durchlauferhitzers zufriedenstellt bei dem volkswirtschaftlichen Potenzial in Deutschland. Das wäre zumindest im Verhältnis zu dem Einsatz im Forschungsbereich aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt“.

In der anschließenden Diskussion mit dem Autor der Studie stellte das Publikum die Frage, wie man Venture-Capital-Investoren nach Heidelberg holen kann. Bialojan sprach die Empfehlung aus, an einem Biotechnologie-Standort eine kritische Masse an Unternehmen anzusiedeln, so dass sich es sich in räumlicher Nähe lohnt, ein Investorenbüro zu eröffnen. In der Weiterführung könnten Manager aus Investmentfirmen in Startups und Wissenschaftseinrichtungen integriert werden –  für den Heidelberg Technology Park wäre das eine wichtige Chance.


10.05.2016 - 12:30

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