Susana Awal Gol läuft am Spielfeldrand auf und ab, klatscht in die Hände, ruft „go, go, go" und wirft dann ihre Arme frustriert in die Luft. Einer ihrer Spieler hat gerade wieder den Ball verloren. Ausgerechnet heute. Die Gewinner des Play-offs in Südsudans Hauptstadt Juba dürfen nach Tansania reisen, um an einem ostafrikaweiten Basketballturnier teilzunehmen. Drei Pokale hat Susana mit ihrem Team diese Saison schon geholt. Doch sie möchte auch heute unbedingt gewinnen, um endlich alle Kritiker*innen zum Schweigen zu bringen. Denn dass sie als erste Basketballtrainerin des Landes ein männliches Team trainiert, finden nicht alle gut. „Eine Frau im Basketball? Die Menschen denken, dass es dich verdirbt", sagt Susana.
Der Südsudan ist für seine Basketballspieler weltweit berühmt. Die Nomad*innenvölker im Norden des Landes gelten als die großgewachsensten Menschen der Welt. Einer der zwei größten Spieler in der Geschichte der US-amerikanischen Basketball-Pofiliga NBA war der Südsudanese Manute Bol mit 2,31 Metern. Momentan spielen drei Südsudanesen in der NBA, worauf das ganze Land stolz ist. Basketball ist Nationalsport im Südsudan, fast beliebter als Fußball, und war lange Männersache. Bis Susana kam.
Die 25-Jährige entdeckte ihre Leidenschaft für den orange-braunen Ball vor sieben Jahren. In ihrem Heimatort Rumbek in der Mitte Südsudans sah sie eines Tages nach der Schule ein paar Jungs Basketball spielen. Wochenlang kam sie jeden Nachmittag vorbei und schaute zu, bevor sie sich traute, mitzuspielen. Ihre Familie war dagegen, dass sie mit Basketball anfing. Es schickt sich nicht für Mädchen, fanden sie. Also spielte Susana heimlich. Wenn ihre Eltern nicht zu Hause waren, rannte sie auf den Freedom Square, wo der Basketballkorb stand. Drei Minuten dauerte es von ihrem Haus zu dem Platz. An den meisten Tagen schaffte sie es unbemerkt nach Hause, bevor ihre Eltern zurückkamen. Manchmal wurde sie erwischt. Dann gab es Ärger, Schläge. Abhalten ließ sie sich dadurch nicht.
Zwei Stunden vor dem wichtigen Spiel sitzt Susana aufgeregt auf ihrem Sofa und wippt mit dem Fuß. Die ganze Nacht konnte sie nicht schlafen. Susana wohnt mit einer Freundin zusammen in einer acht Quadratmeter großen Holzhütte in einem staubigen Hinterhof. Die Wände sind dekoriert mit mexikanischen Telenovela-Filmpostern und hellbraunen Tüchern, neben dem Sofa stapeln sich ihre Turnschuhe. WGs sind ungewöhnlich für Südsudan. Üblicherweise ziehen Frauen erst bei ihren Eltern oder Verwandten aus, wenn sie heiraten. Doch Susana wollte näher am Basketballstadion wohnen. Als sie wegen dem Bürgerkrieg von ihrem Heimatort nach Juba floh, wohnte sie zuerst bei einem Onkel am Stadtrand. Jeden Tag verbrachte sie zwei Stunden im Bus, der wegen ungeteerten und mit Schlaglöchern versehenen Straßen auch für kurze Strecken lange brauchte. Viel Zeit, die sie lieber zum Trainieren nutzen wollte. Also setzte sie sich wieder gegen ihre Familie durch. Leise und konsequent. „Ich widerspreche nicht, ich streite mich nicht. Ich mache einfach mein Ding", sagt sie, während sie ihre Turnschuhe, Jogginghose und ihr Trikot zusammensucht.
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