Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

1 Abo und 4 Abonnenten
Glosse

Runter vom Sofa - One music, one love

Sommerzeit ist Festivalzeit. Seit Wochen schon findet sich die musikaffine Bevölkerung an einschlägigen Orten zusammen, um dort zu schwofen, shuffeln, kopfnicken und headbangen, was das Zeug hält. In vielen Fällen weiß man vorher, was einen erwartet, in anderen nicht und geht grad darum noch viel lieber hin, um lebensbereichernde Entdeckungen zu machen und fortan seine Mitmenschen mit „der einen Band, die so dermaßen alles abgerissen hat“ zu beglücken. Fremde werden zu Freunden, in deren Armen wir singen, grölen, weinen, vielleicht gar die große Liebe entdecken, und um den inklusiven Aspekt nicht außer Acht zu lassen, werden selbst die geruhsamsten Schrebergärten noch mit hartem Techno missioniert – wer weiß, vielleicht entdeckt das Kaffeekränzchen unterm Kirschbaum ja noch eine späte Liebe zu Schranz oder Micky Krause. Alles ist möglich. One Summer, one music – one love! Musik vereint die People, was auch sendungsbewusste Mitbürger wissen und mit missionarischem Fleiß unters Volk zu bringen wissen. Seit ungefähr dem ersten Tag, an dem es uns vergönnt ist, draußen zu sein oder mindestens das Fenster zu öffnen, hat sich mein musikalischer Horizont signifikant erweitert. Dank unzähliger umsichtiger Mitmenschen entdecke ich neue Musik, die jemals zu hören ich nicht zu träumen gewagt habe. Sei’s im Straßenverkehr, wo ich mit vielen anderen Autos und Radlern von A nach B eile, sei’s im Park, wo ich mich von der vielen Eile zu erholen versuche: Immer ist eins zur Stelle, mich mit dem Wohlklang seines exquisiten Musikgeschmacks zu beglücken und mir aus scheppernden bis dröhnenden Lautsprechern zu erhellen und mir die einzig wahre Melodie zu bringen (auch wenn von einer Melodie oftmals nicht viel zu hören, dafür vernehmlich ein Bass heftig eine kleine oder große Box zu sprengen droht). Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken bei all denen, die sich aufopfernd um die Erhaltung und Verbreitung von Kulturgut bemühen, und mein ganz besonderes Merci geht an dieser Stelle an den jungen Mann fortgeschrittenen Alters, der unlängst ein geruhsames öffentliches Tischtennismatch aufsuchte, dort einen Klappstuhl aufstellte, seinen Wanst und sich hinsinken ließ, um sodann in die rechte Armlehne des Stuhls eine feine Dosenware hineinzustellen und in die linke einen Lautsprecher (von mir liebevoll „Brüllwürfel“ genannt), aus dem fortan die besten Hits der 90er ertönten. Saturday night, yeah I like the way you move – das sorgt doch erst für den richtigen Drive beim Ballwechsel. Dadada damm di di dadada da damm! Mein außer Konkurrenz laufender Favorit: Der süße Dachdecker, der neulich bei einer Gegenüberbaustelle aus vollem Hals „1, 2, 3 im Sauseschritt“ gehört, gesungen UND performt hat. Ich hör das jetzt auch immer. One Love!