Arbeiten im Nürnberger Tiergarten, das klingt für viele sicher wild-romantisch. Für Jörg Beckmann klingt es eher nach Schreibtischarbeit, die sein Job als stellvertretender Direktor des Tiergarten Nürnberg mit sich bringt: Nur 20 Prozent der Zeit, schätzt der 40-Jährige, verbringt er tatsächlich draußen auf dem Gelände – und auch dann mit Blick auf und für den Betrieb. Nichtsdestotrotz liebt der gebürtige Hannoveraner, der „Forst und Bio studiert“ hat, seinen Arbeitsplatz, in dem er sich als biologischer Leiter mit Themen wie Tierpflege, Forschung, Artenschutz, Landschaftsgestaltung oder Zoopolitik beschäftigt. Ernüchterung hingegen 2019: Erst die Erkenntnis, erzählt der Norddeutsche, dass man in Nürnberg zwar in Bayern, aber „dennoch verdammt weit weg von den Bergen“ ist – und dann auch noch weit weg vom Meer. Mal schnell in zwei Stunden zur Ostsee düsen gehört jetzt der Vergangenheit an. Jetzt liegt das Mittelmeer näher. Und wer Flachland gewohnt ist, nimmt mit auch mit hiesigen Erhebungen vorlieb: Ob Schmausenbuck, Solarberg oder Hochsitz – Jörg Beckmann zieht’s nach oben.
1. Typisch fränkisch: hier zeigt sich die Stadt von ihrer Nürnbergerischsten Seite: Dem Franken wird ja unterstellt, wortkarg und kauzig zu sein. Eine Eigenschaft, die ich nie erlebe – außer sonntagmorgens beim Bäcker, wenn vor mir die Brötchen ohne „Guten Morgen“, „Bitte“ und „Danke“ bestellt werden. Eine Wortkargheit, mit der ich als Norddeutscher mich prinzipiell wohlfühle.
2. Kleine Pause oder große Auszeit: meinen Ruheort in Nürnberg finde ich hier: Eine ebene Strecke, die durch ein herrliches Naturschutzgebiet mit landschaftlich diversen Abschnitten führt – beim Laufen entlang der Pegnitz tanke ich Energie. So wie auch auf dem Hochsitz im Reichswald: in Ruhe, ohne Telefon, nur ich und meine Gedanken in der Natur.
3. Einen Tag lang Tourist in der eigenen Stadt sein? Dann mache ich in Nürnberg folgendes: Ich besuche mit dem Reichsparteitagsgelände das schwere Erbe der Stadt, das historisch untrennbar mit ihr verbunden ist, Geschichte erlebbar macht und dennoch schöne Ecken aufweist. Anschließend geht’s vom Handwerkerhof einmal quer durch die Altstadt mit Stopp am goldenen Ring – und unbedingter Einkehr irgendwo im Burgviertel.
4. Nürnberg hat viel Geschichte – aber an diesem Ort hat die Stadt für mich Zukunft: Biodiversität und Klimawandel, Ernährung, Energiekrise oder Tierhaltung – im Tiergarten werden alle wichtigen Zukunftsfragen verhandelt, die uns derzeit bewegen, und machen ihn zu einem besonderen außerschulischen Lehrort, der zudem z. B. in Sachen Artenschutz konkrete Hilfe leistet.
5. Diese Nürnberger „Ecke“ hat es mir angetan: Es war am Abend nach meiner Vertragsunterzeichnung in Nürnberg der erste Ort, an dem ich gelandet bin – und ist bis heute der, an dem ich mich am wohlsten fühle: Der Tiergärtnertorplatz ist, auch nüchtern betrachtet, ein Ausnahmeort, an dem es nie hektisch, nie schlecht gelaunt zugeht. Wenn die Menschen hangabwärts sitzen, eingerahmt von Burg, Mauer und Fachwerk – das ist außergewöhnlich.
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