Katharina Wasmeier

Freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Nürnberg

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In der "Vintage Bar" werden fast vergessene Cocktails kredenzt

Die goldenen Wände sind in warmes Licht getaucht. Der Herr hinter der Bar trägt schwarze Hosenträger zu weißem Hemd und korrekt nach hinten gekämmter Frisur, in der Hand einen langstieligen Silberlöffel, mit dem er gerade in einem großen Glasgefäß gerührt hat. Gedämpfter Swing begleitet die Gespräche der Gäste.


Was klingt wie eine Bar-Szene aus einem Stummfilm der 20er Jahre, ereignet sich neuerdings sehr live und sehr real im Burgviertel. Und sehr zeitgemäß. Hier nämlich hat sich Gerhard Päch die Irrerstraße 5 als Ort herausgesucht, um eines seiner Lebensziele zu erreichen: „Mit Ende 30 wollte ich eine eigene Bar haben", sagt er, und die Geste durch den winzigen Raum, den er sich auserkoren hat, lässt den Stolz erahnen. Zu Recht. Mit Anfang 20 in der Gastronomie gelandet, ging Päch vor gut zwei Jahren nach Frankfurt. Hier hat er in den namhaften Bars „Beyond Saloon" und „Hopper's Bar" „mehr gelernt als in den elf Jahren in Nürnberg und genau das, was ich jetzt mache: die gehobene Cocktailschiene". Sein riesiges Wissen verdankt der 37-Jährige nicht zuletzt einer sechswöchigen Ausbildung an der Barschule Rostock, wo er die Qualifikation zum Bar-Meister erlangte.

Dass so einer sich nicht damit begnügen mag, Prosecco und Aperol zu Sprizz zu mischen oder Rum und Cola zu Cuba Libre, liegt auf der Hand. Dass es dann gleich derart speziell werden musste, nicht. Denn die „ Vintage Bar" bietet ausschließlich „altehrwürdige Drinks aus dem Zeitraum 1850 bis 1940" und richtet sich an „an hochwertiger Trinkkultur Interessierte". Zwischen acht und zwölf Euro kosten die Drinks, die Gerhard Päch rührt, schüttelt, nein, eigentlich: zaubert. Denn hier ist ein Alchemist zugange, der „High-End-Produkte verarbeitet". „Vintage & Forgotten" heißt eine Kategorie auf der variantenreichen Karte, in der sich neben der üblichen Aufzählung der Ingredienzien auch höchst aufschlussreiche Informationen finden - oder wussten Sie, was „Pick Me Ups", „Eggnogs" und „Tiki Drinks" sind? Das sind zugleich die Namen, aus denen das Aroma längst vergangener Tage strömt.

Der „Blood and Sand" beispielsweise beruht auf einem 90 Jahre alten Rezept, das seinen Namen dem gleichnamigen Film von Rudolph Valentino verdankt, ein „Sazerac" wurde um 1870 erstmalig getrunken, während ein ganz neuer Drink von Päch dem Stadtteil, in dem er seine „Vintage Bar" etablieren möchte, gewidmet ist: der „St. Sebald Swizzle". Ein „Swizzle Stick", das ist ein Rührstäbchen.

Und mit einem ebensolchen vermengt der Bar-Meister bei gut der Hälfte seines Repertoires die flüssigen Zutaten, statt sie zu schütteln. Auch die festen, denn hier finden Basilikum, Orangenschale oder die Stange Sellerie im Bloody Mary (mit selbst angesetztem Tomaten-Jus) ebenfalls Verwendung.

Auf alle Fragen, die einem da so einfallen, während Gerhard Päch ein Elixier nach dem anderen in den Zaubertopf befördert, weiß er auch Antwort: Wieso man da jetzt besser rührt als zu schütteln („je nachdem ergibt sich aus dem Untermischen von Sauerstoff ein anderer Geschmack oder eine Eintrübung"), wieso hier nur ein großer Eiswürfel reinkommt („das soll ja nicht verwässern") und was es denn mit diesen geheimnisvollen silbernen Sprühflaschen auf sich hat („darin sind einzelne Spirituosen, mit denen ich das Glas bestäube, um ein bestimmtes Aroma herauszuheben").

Speziell auch die Tür, denn hier findet sich statt einer Klinke eine Klingel. „Ich möchte hier Qualität und Atmosphäre statt Gedrängel. Wenn die Bar mit maximal 40 Personen voll besetzt ist, behalte ich mir vor, vorläufig niemanden mehr hereinzulassen, lasse mir aber gerne die Handynummer des Gastes geben, um ihm sofort Bescheid zu sagen, wenn wieder mehr Platz ist." Gesetzt den Fall, es begehrt kein grölender Junggesellenabschied Einlass. Hier wird gezaubert, nicht getrickst.

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